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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Bessemer- und der Thomasprocess.
vollständig flüssig zu erhalten; also auf eine Temperatur von vielleicht
1250 oder 1300 Grad C. (sogenannter englischer Process). Der
Mangangehalt des Roheisens geht selten über 1 Proc. hinaus.

Sobald das Einlassen beendet, die Birne aufgekippt und der Wind
zugelassen ist, schlägt eine kurze röthlichgelbe Flamme von nur ge-
ringer Leuchtkraft, untermischt mit zahlreichen Funken, aus dem Halse
der Birne hervor. Silicium, Mangan und Eisen werden oxydirt; Kohlen-
stoff wird wenig oder gar nicht verbrannt. Man hört im Innern der
Birne ein gurgelndes Geräusch, hervorgerufen durch den das Eisenbad
durchdringenden Wind, dessen Sauerstoffgehalt zur Verbrennung der
genannten Körper verbraucht wird, so dass die entweichenden Gase
grösstentheils aus Stickstoff bestehen. Die Färbung der Flamme wird
vorwiegend durch mechanisch mitgerissene glühende Theilchen bewirkt.

Man hat diese erste Periode, während welcher, wie erwähnt, Kohlen-
stoff nicht in erheblichen Mengen verbrennt, ja, der Procentgehalt an
Kohlenstoff im Metalle sogar mitunter zunimmt, da die Gesammtmenge
des letzteren sich verringert, die Feinperiode des Bessemerprocesses
genannt.

Nach Verlauf einiger Zeit, deren Dauer von der zugeführten Wind-
menge abhängig ist, gewöhnlich nach 4--6 Minuten, bemerkt man
deutlich eine Aenderung in der Beschaffenheit der Flamme. Die Farbe
derselben wird bläulich weiss, sie nimmt die Form eines langen spitzen
Kegels an und beginnt stark zu leuchten; die Zahl der Funken und
ihre Grösse verringert sich. Diese Zeichen deuten auf die beginnende
Verbrennung des Kohlenstoffes neben Silicium. Infolge der inzwischen
stattgehabten Steigerung der Temperatur ist das Bad dünnflüssiger
geworden, das Gebläse hat geringere Widerstände zu überwinden, der
Gang desselben beschleunigt sich.

Durch die noch andauernde Verbrennung von Silicium steigt die
Temperatur des flüssigen Metalles immer höher; die Folge davon ist,
dass die Verbrennung des Kohlenstoffes zunimmt, diejenige des Sili-
ciums, dessen Menge sich nun ohnehin schon beträchtlich verringert
hat -- etwa 0.8--1 Proc. Silicium sind inzwischen verbrannt --, nach-
lässt. Die sogenannte Kochperiode des Processes beginnt.

Jene Anzeichen, welche schon am Ende der Feinperiode den Be-
ginn der Kohlenstoffverbrennung verriethen, nehmen an Deutlichkeit zu.
Die Flamme ist blendend weiss, heftig und erreicht im höchsten Stadium
der Periode eine Länge bis zu 6 m; das gurgelnde Geräusch, welches
den Beginn des Processes begleitete, verwandelt sich mehr und mehr
in ein donnerndes Getöse, hervorgerufen durch die massenhafte Ent-
wickelung von Kohlenoxydgas im engen Raume; Schlacken und Eisen-
körner werden durch die heftig entweichenden Gase aus dem Birnen-
halse herausgeschleudert. Der Gang des Gebläses wird verlangsamt,
wenn ein allzu heftiges Kochen grössere Eisenverluste durch Auswerfen
befürchten lässt.

Die Temperatur des Bades steigt, da immerhin noch gewisse Mengen
Silicium neben dem Kohlenstoff verbrennen, auch während der Koch-
periode und gegen Ende dieser Periode beginnt die Entwickelung eines
dicken braunen Rauches, grossentheils aus verflüchtigtem und ver-
brennendem Mangan und Eisen bestehend. Die Zeitdauer dieser Koch-

Der Bessemer- und der Thomasprocess.
vollständig flüssig zu erhalten; also auf eine Temperatur von vielleicht
1250 oder 1300 Grad C. (sogenannter englischer Process). Der
Mangangehalt des Roheisens geht selten über 1 Proc. hinaus.

Sobald das Einlassen beendet, die Birne aufgekippt und der Wind
zugelassen ist, schlägt eine kurze röthlichgelbe Flamme von nur ge-
ringer Leuchtkraft, untermischt mit zahlreichen Funken, aus dem Halse
der Birne hervor. Silicium, Mangan und Eisen werden oxydirt; Kohlen-
stoff wird wenig oder gar nicht verbrannt. Man hört im Innern der
Birne ein gurgelndes Geräusch, hervorgerufen durch den das Eisenbad
durchdringenden Wind, dessen Sauerstoffgehalt zur Verbrennung der
genannten Körper verbraucht wird, so dass die entweichenden Gase
grösstentheils aus Stickstoff bestehen. Die Färbung der Flamme wird
vorwiegend durch mechanisch mitgerissene glühende Theilchen bewirkt.

Man hat diese erste Periode, während welcher, wie erwähnt, Kohlen-
stoff nicht in erheblichen Mengen verbrennt, ja, der Procentgehalt an
Kohlenstoff im Metalle sogar mitunter zunimmt, da die Gesammtmenge
des letzteren sich verringert, die Feinperiode des Bessemerprocesses
genannt.

Nach Verlauf einiger Zeit, deren Dauer von der zugeführten Wind-
menge abhängig ist, gewöhnlich nach 4—6 Minuten, bemerkt man
deutlich eine Aenderung in der Beschaffenheit der Flamme. Die Farbe
derselben wird bläulich weiss, sie nimmt die Form eines langen spitzen
Kegels an und beginnt stark zu leuchten; die Zahl der Funken und
ihre Grösse verringert sich. Diese Zeichen deuten auf die beginnende
Verbrennung des Kohlenstoffes neben Silicium. Infolge der inzwischen
stattgehabten Steigerung der Temperatur ist das Bad dünnflüssiger
geworden, das Gebläse hat geringere Widerstände zu überwinden, der
Gang desselben beschleunigt sich.

Durch die noch andauernde Verbrennung von Silicium steigt die
Temperatur des flüssigen Metalles immer höher; die Folge davon ist,
dass die Verbrennung des Kohlenstoffes zunimmt, diejenige des Sili-
ciums, dessen Menge sich nun ohnehin schon beträchtlich verringert
hat — etwa 0.8—1 Proc. Silicium sind inzwischen verbrannt —, nach-
lässt. Die sogenannte Kochperiode des Processes beginnt.

Jene Anzeichen, welche schon am Ende der Feinperiode den Be-
ginn der Kohlenstoffverbrennung verriethen, nehmen an Deutlichkeit zu.
Die Flamme ist blendend weiss, heftig und erreicht im höchsten Stadium
der Periode eine Länge bis zu 6 m; das gurgelnde Geräusch, welches
den Beginn des Processes begleitete, verwandelt sich mehr und mehr
in ein donnerndes Getöse, hervorgerufen durch die massenhafte Ent-
wickelung von Kohlenoxydgas im engen Raume; Schlacken und Eisen-
körner werden durch die heftig entweichenden Gase aus dem Birnen-
halse herausgeschleudert. Der Gang des Gebläses wird verlangsamt,
wenn ein allzu heftiges Kochen grössere Eisenverluste durch Auswerfen
befürchten lässt.

Die Temperatur des Bades steigt, da immerhin noch gewisse Mengen
Silicium neben dem Kohlenstoff verbrennen, auch während der Koch-
periode und gegen Ende dieser Periode beginnt die Entwickelung eines
dicken braunen Rauches, grossentheils aus verflüchtigtem und ver-
brennendem Mangan und Eisen bestehend. Die Zeitdauer dieser Koch-

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[903/0991] Der Bessemer- und der Thomasprocess. vollständig flüssig zu erhalten; also auf eine Temperatur von vielleicht 1250 oder 1300 Grad C. (sogenannter englischer Process). Der Mangangehalt des Roheisens geht selten über 1 Proc. hinaus. Sobald das Einlassen beendet, die Birne aufgekippt und der Wind zugelassen ist, schlägt eine kurze röthlichgelbe Flamme von nur ge- ringer Leuchtkraft, untermischt mit zahlreichen Funken, aus dem Halse der Birne hervor. Silicium, Mangan und Eisen werden oxydirt; Kohlen- stoff wird wenig oder gar nicht verbrannt. Man hört im Innern der Birne ein gurgelndes Geräusch, hervorgerufen durch den das Eisenbad durchdringenden Wind, dessen Sauerstoffgehalt zur Verbrennung der genannten Körper verbraucht wird, so dass die entweichenden Gase grösstentheils aus Stickstoff bestehen. Die Färbung der Flamme wird vorwiegend durch mechanisch mitgerissene glühende Theilchen bewirkt. Man hat diese erste Periode, während welcher, wie erwähnt, Kohlen- stoff nicht in erheblichen Mengen verbrennt, ja, der Procentgehalt an Kohlenstoff im Metalle sogar mitunter zunimmt, da die Gesammtmenge des letzteren sich verringert, die Feinperiode des Bessemerprocesses genannt. Nach Verlauf einiger Zeit, deren Dauer von der zugeführten Wind- menge abhängig ist, gewöhnlich nach 4—6 Minuten, bemerkt man deutlich eine Aenderung in der Beschaffenheit der Flamme. Die Farbe derselben wird bläulich weiss, sie nimmt die Form eines langen spitzen Kegels an und beginnt stark zu leuchten; die Zahl der Funken und ihre Grösse verringert sich. Diese Zeichen deuten auf die beginnende Verbrennung des Kohlenstoffes neben Silicium. Infolge der inzwischen stattgehabten Steigerung der Temperatur ist das Bad dünnflüssiger geworden, das Gebläse hat geringere Widerstände zu überwinden, der Gang desselben beschleunigt sich. Durch die noch andauernde Verbrennung von Silicium steigt die Temperatur des flüssigen Metalles immer höher; die Folge davon ist, dass die Verbrennung des Kohlenstoffes zunimmt, diejenige des Sili- ciums, dessen Menge sich nun ohnehin schon beträchtlich verringert hat — etwa 0.8—1 Proc. Silicium sind inzwischen verbrannt —, nach- lässt. Die sogenannte Kochperiode des Processes beginnt. Jene Anzeichen, welche schon am Ende der Feinperiode den Be- ginn der Kohlenstoffverbrennung verriethen, nehmen an Deutlichkeit zu. Die Flamme ist blendend weiss, heftig und erreicht im höchsten Stadium der Periode eine Länge bis zu 6 m; das gurgelnde Geräusch, welches den Beginn des Processes begleitete, verwandelt sich mehr und mehr in ein donnerndes Getöse, hervorgerufen durch die massenhafte Ent- wickelung von Kohlenoxydgas im engen Raume; Schlacken und Eisen- körner werden durch die heftig entweichenden Gase aus dem Birnen- halse herausgeschleudert. Der Gang des Gebläses wird verlangsamt, wenn ein allzu heftiges Kochen grössere Eisenverluste durch Auswerfen befürchten lässt. Die Temperatur des Bades steigt, da immerhin noch gewisse Mengen Silicium neben dem Kohlenstoff verbrennen, auch während der Koch- periode und gegen Ende dieser Periode beginnt die Entwickelung eines dicken braunen Rauches, grossentheils aus verflüchtigtem und ver- brennendem Mangan und Eisen bestehend. Die Zeitdauer dieser Koch-

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 903. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/991>, abgerufen am 18.05.2024.