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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Zusammensetzung, welche das Eisen vor und nach dem Blasen besitzt,
wie nach dem von äusseren Umständen, insbesondere der Temperatur
des Eisens beim Beginne des Blasens, abhängigen Verlaufe des Pro-
cesses 1), lässt sich aber durchschnittlich zu 300 cbm per t verarbeitetes
Roheisen veranschlagen. Bei einem Nutzeffecte der Gebläseanlage von
60--70 Proc. würde also das Gebläse für eine anzusaugende Luft-
menge von 450--500 cbm für jede zu verarbeitende Tonne Roheisen
zu berechnen sein. Für einen gegebenen Inhalt der Birne und eine
vorgeschriebene Zeitdauer des Processes -- welche letztere von der
Zusammensetzung des Roheisens abhängig sein muss, wie früher erläutert
wurde -- würde sich also die per Minute zu beschaffende Windmenge
unschwer berechnen lassen.

In den meisten Fällen wird die eingeblasene Luftmenge zwischen
150--250 cbm, die theoretisch angesaugte zwischen 250--400 cbm
per Minute schwanken.

Diese Luft muss, damit sie im Stande sei, den Druck des flüssigen
Metalles sowie die Widerstände in den engen Durchgangsöffnungen des
Birnenbodens zu überwinden, auf eine Spannung von 1.5--2 Atmo-
sphären (1.5--2 kg Druck per qcm) verdichtet werden.

Kein anderer metallurgischer Process verlangt eine so hohe Wind-
spannung, und nur ein Cylindergebläse ist im Stande, dieselbe zu liefern.
Eben dieser hohe Druck macht besondere Maassregeln bei der Anlage
der Cylindergebläse für den Bessemerprocess nothwendig.

Durch die Verdichtung wird eine starke Erwärmung der Luft her-
vorgerufen. Dem nachtheiligen Einflusse derselben auf die Dichtungen
und Liderungen sucht man zwar häufig entgegen zu wirken, indem
man den Gebläsecylinder mit einem Blechmantel umgiebt und in dem
Zwischenraume Wasser zur steten Abkühlung des Gebläsecylinders
circuliren lässt; dennoch vermag dieses Mittel nur in beschränktem
Maasse Schutz zu gewähren. Kautschukventile oder -platten, welche
sich für die Ein- und Auslassvorrichtungen der Hochofengebläse häufig
als recht zweckmässig erwiesen und deshalb eine Zeit lang auch bei
Bessemergebläsen nicht selten verwendet wurden, erwiesen sich ge-
wöhnlich als wenig haltbar. Brauchbarer ist Filz als Dichtungsmittel
für Klappen, auch Leder wird für Klappen und Ventile dem Kaut-
schuk vorgezogen. Mitunter wendet man metallene Tellerventile ohne
besonderes Dichtungsmittel an, so dass Metall auf Metall schlägt; die-
selben sind zwar haltbar und dicht, verursachen aber ein lautes Geräusch.
Auch Schiebersteuerungen, welche, wie die Steuerungen des Dampf-
cylinders, von der Schwungradwelle aus bewegt werden, hat man, be-
sonders für die Einlassöffnungen, in Anwendung gebracht.

Den Gebläsekolben giebt man trotz der Kühlung der Cylinder-
wand mit Vorliebe Metallliderung.

Die meisten Bessemergebläse sind zweicylindrig, von zwei Dampf-
cylindern aus angetrieben. Die Einrichtung im Allgemeinen ist also die

1) Wie die später mitgetheilten Gasanalysen beweisen, wird bei hoher Tempe-
ratur der eintretende Sauerstoff rasch und vollständig verzehrt, die Kohle verbrennt
zu Kohlenoxyd; in niedriger Temperatur entsteht neben Kohlenoxyd auch Kohlen-
säure und sogar Sauerstoff geht unverbraucht durch das Metall.

Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Zusammensetzung, welche das Eisen vor und nach dem Blasen besitzt,
wie nach dem von äusseren Umständen, insbesondere der Temperatur
des Eisens beim Beginne des Blasens, abhängigen Verlaufe des Pro-
cesses 1), lässt sich aber durchschnittlich zu 300 cbm per t verarbeitetes
Roheisen veranschlagen. Bei einem Nutzeffecte der Gebläseanlage von
60—70 Proc. würde also das Gebläse für eine anzusaugende Luft-
menge von 450—500 cbm für jede zu verarbeitende Tonne Roheisen
zu berechnen sein. Für einen gegebenen Inhalt der Birne und eine
vorgeschriebene Zeitdauer des Processes — welche letztere von der
Zusammensetzung des Roheisens abhängig sein muss, wie früher erläutert
wurde — würde sich also die per Minute zu beschaffende Windmenge
unschwer berechnen lassen.

In den meisten Fällen wird die eingeblasene Luftmenge zwischen
150—250 cbm, die theoretisch angesaugte zwischen 250—400 cbm
per Minute schwanken.

Diese Luft muss, damit sie im Stande sei, den Druck des flüssigen
Metalles sowie die Widerstände in den engen Durchgangsöffnungen des
Birnenbodens zu überwinden, auf eine Spannung von 1.5—2 Atmo-
sphären (1.5—2 kg Druck per qcm) verdichtet werden.

Kein anderer metallurgischer Process verlangt eine so hohe Wind-
spannung, und nur ein Cylindergebläse ist im Stande, dieselbe zu liefern.
Eben dieser hohe Druck macht besondere Maassregeln bei der Anlage
der Cylindergebläse für den Bessemerprocess nothwendig.

Durch die Verdichtung wird eine starke Erwärmung der Luft her-
vorgerufen. Dem nachtheiligen Einflusse derselben auf die Dichtungen
und Liderungen sucht man zwar häufig entgegen zu wirken, indem
man den Gebläsecylinder mit einem Blechmantel umgiebt und in dem
Zwischenraume Wasser zur steten Abkühlung des Gebläsecylinders
circuliren lässt; dennoch vermag dieses Mittel nur in beschränktem
Maasse Schutz zu gewähren. Kautschukventile oder -platten, welche
sich für die Ein- und Auslassvorrichtungen der Hochofengebläse häufig
als recht zweckmässig erwiesen und deshalb eine Zeit lang auch bei
Bessemergebläsen nicht selten verwendet wurden, erwiesen sich ge-
wöhnlich als wenig haltbar. Brauchbarer ist Filz als Dichtungsmittel
für Klappen, auch Leder wird für Klappen und Ventile dem Kaut-
schuk vorgezogen. Mitunter wendet man metallene Tellerventile ohne
besonderes Dichtungsmittel an, so dass Metall auf Metall schlägt; die-
selben sind zwar haltbar und dicht, verursachen aber ein lautes Geräusch.
Auch Schiebersteuerungen, welche, wie die Steuerungen des Dampf-
cylinders, von der Schwungradwelle aus bewegt werden, hat man, be-
sonders für die Einlassöffnungen, in Anwendung gebracht.

Den Gebläsekolben giebt man trotz der Kühlung der Cylinder-
wand mit Vorliebe Metallliderung.

Die meisten Bessemergebläse sind zweicylindrig, von zwei Dampf-
cylindern aus angetrieben. Die Einrichtung im Allgemeinen ist also die

1) Wie die später mitgetheilten Gasanalysen beweisen, wird bei hoher Tempe-
ratur der eintretende Sauerstoff rasch und vollständig verzehrt, die Kohle verbrennt
zu Kohlenoxyd; in niedriger Temperatur entsteht neben Kohlenoxyd auch Kohlen-
säure und sogar Sauerstoff geht unverbraucht durch das Metall.
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[899/0987] Der Bessemer- und der Thomasprocess. Zusammensetzung, welche das Eisen vor und nach dem Blasen besitzt, wie nach dem von äusseren Umständen, insbesondere der Temperatur des Eisens beim Beginne des Blasens, abhängigen Verlaufe des Pro- cesses 1), lässt sich aber durchschnittlich zu 300 cbm per t verarbeitetes Roheisen veranschlagen. Bei einem Nutzeffecte der Gebläseanlage von 60—70 Proc. würde also das Gebläse für eine anzusaugende Luft- menge von 450—500 cbm für jede zu verarbeitende Tonne Roheisen zu berechnen sein. Für einen gegebenen Inhalt der Birne und eine vorgeschriebene Zeitdauer des Processes — welche letztere von der Zusammensetzung des Roheisens abhängig sein muss, wie früher erläutert wurde — würde sich also die per Minute zu beschaffende Windmenge unschwer berechnen lassen. In den meisten Fällen wird die eingeblasene Luftmenge zwischen 150—250 cbm, die theoretisch angesaugte zwischen 250—400 cbm per Minute schwanken. Diese Luft muss, damit sie im Stande sei, den Druck des flüssigen Metalles sowie die Widerstände in den engen Durchgangsöffnungen des Birnenbodens zu überwinden, auf eine Spannung von 1.5—2 Atmo- sphären (1.5—2 kg Druck per qcm) verdichtet werden. Kein anderer metallurgischer Process verlangt eine so hohe Wind- spannung, und nur ein Cylindergebläse ist im Stande, dieselbe zu liefern. Eben dieser hohe Druck macht besondere Maassregeln bei der Anlage der Cylindergebläse für den Bessemerprocess nothwendig. Durch die Verdichtung wird eine starke Erwärmung der Luft her- vorgerufen. Dem nachtheiligen Einflusse derselben auf die Dichtungen und Liderungen sucht man zwar häufig entgegen zu wirken, indem man den Gebläsecylinder mit einem Blechmantel umgiebt und in dem Zwischenraume Wasser zur steten Abkühlung des Gebläsecylinders circuliren lässt; dennoch vermag dieses Mittel nur in beschränktem Maasse Schutz zu gewähren. Kautschukventile oder -platten, welche sich für die Ein- und Auslassvorrichtungen der Hochofengebläse häufig als recht zweckmässig erwiesen und deshalb eine Zeit lang auch bei Bessemergebläsen nicht selten verwendet wurden, erwiesen sich ge- wöhnlich als wenig haltbar. Brauchbarer ist Filz als Dichtungsmittel für Klappen, auch Leder wird für Klappen und Ventile dem Kaut- schuk vorgezogen. Mitunter wendet man metallene Tellerventile ohne besonderes Dichtungsmittel an, so dass Metall auf Metall schlägt; die- selben sind zwar haltbar und dicht, verursachen aber ein lautes Geräusch. Auch Schiebersteuerungen, welche, wie die Steuerungen des Dampf- cylinders, von der Schwungradwelle aus bewegt werden, hat man, be- sonders für die Einlassöffnungen, in Anwendung gebracht. Den Gebläsekolben giebt man trotz der Kühlung der Cylinder- wand mit Vorliebe Metallliderung. Die meisten Bessemergebläse sind zweicylindrig, von zwei Dampf- cylindern aus angetrieben. Die Einrichtung im Allgemeinen ist also die 1) Wie die später mitgetheilten Gasanalysen beweisen, wird bei hoher Tempe- ratur der eintretende Sauerstoff rasch und vollständig verzehrt, die Kohle verbrennt zu Kohlenoxyd; in niedriger Temperatur entsteht neben Kohlenoxyd auch Kohlen- säure und sogar Sauerstoff geht unverbraucht durch das Metall.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 899. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/987>, abgerufen am 25.05.2024.