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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Tiegelgussstahldarstellung.
eine einzige Anwendung gefunden und zwar in Centralindien zur Dar-
stellung des sogenannten Wootz- oder Damaststahles, bekannt
als vorzügliches Material für Hieb- und Stichwaffen.

Kleine Stücke des in Stücköfen direct aus Erzen dargestellten
Schweisseisens werden zusammen mit Holzstücken in einen Tiegel
gepackt und stark erhitzt. Wo das Holz, welches natürlich rasch ver-
kohlt, mit dem Eisen in Berührung war, wird ein kohlenstoffreicheres
und deshalb in niedrigerer Temperatur schmelzendes Eisen gebildet,
welches flüssig wird und die Zwischenräume zwischen den nicht ge-
schmolzenen Stücken ausfüllt. Man lässt den Tiegel erkalten und zer-
schlägt ihn. Es entsteht also in Wirklichkeit ein Klumpen Schweiss-
eisen, mit zahlreichen Gussstahladern durchzogen, ein Material, welches
die Zähigkeit des ersteren mit der Härte des letzteren vereinigt. Das-
selbe wird ausgeschmiedet und weiter verarbeitet; die fertigen Waffen
aber werden mit Säuren gebeizt. Die kohlenstoffärmeren Theile werden
von den letzteren stärker angegriffen als die kohlenstoffreicheren und
so entstehen jene unregelmässigen Figuren auf der Oberfläche, welche
das eigenthümliche Merkmal dieses Stahles bilden und mitunter mit
Gold oder Silber ausgelegt werden.

Auch durch Zusammenschmelzen von Eisenerzen und Roheisen
hat man verschiedentlich versucht, Tiegelgussstahl zum Ersatze des
in gewöhnlicher Weise erzeugten darzustellen. Der chemische Vorgang
hierbei wurde schon auf S. 841 angedeutet; der Mangan-, Silicium- und
Kohlenstoffgehalt des Roheisens wirkt reducirend auf den Eisenoxyd-
gehalt der Erze und es entsteht ein Stahl, dessen Kohlenstoffgehalt
von dem Verhältnisse der eingesetzten Materialien zu einander wie
von der chemischen Zusammensetzung derselben abhängig ist.

Eine gewisse Bedeutung erlangte dieses Verfahren durch Uchatius
in den fünfziger Jahren, weshalb man dem auf diese Weise dar-
gestellten Stahl die Bezeichnung Uchatiusstahl gab. Auf einigen
Werken Oesterreichs, Russlands, Schwedens, Englands war das Ver-
fahren längere Zeit in Anwendung. Das zu verwendende Roheisen,
welches natürlich möglichst rein von schädlichen Beimengungen sein
musste, wurde durch Eingiessen in Wasser granulirt und mit eben-
falls möglichst reinen, gepulverten Erzen zusammen in einen Graphit-
tiegel eingesetzt. Ausser den Eisenerzen pflegte man auch etwas Braun-
stein beizufügen; z. B. 100 Thl. Roheisen, 25 Thl. Spatheisenstein,
1.5 Thl. Braunstein oder ähnlich. Für weniger harten Stahl setzte man
noch ausserdem 12--20 Theile Schmiedeeisen auf 100 Theile Roh-
eisen zu.

Das Verfahren verfolgt offenbar denselben Zweck, wie das schon
ältere Verfahren der Stahldarstellung aus Roheisen und Schmiedeeisen:
die Benutzung des ziemlich kostspieligen Schweissstahles wird ent-
behrlich. Es leidet aber auch an denselben Schwächen wie jenes Ver-
fahren, d. h. fast alle fremden schädlichen Bestandtheile des Roheisens,
zu denen hier noch diejenigen der Erze hinzukommen, gehen in den
Stahl über. Aus diesen Gründen ist der Betrieb überhaupt nur da
möglich, wo sehr reine Erze zur Verwendung stehen, und auf vielen

Die Tiegelgussstahldarstellung.
eine einzige Anwendung gefunden und zwar in Centralindien zur Dar-
stellung des sogenannten Wootz- oder Damaststahles, bekannt
als vorzügliches Material für Hieb- und Stichwaffen.

Kleine Stücke des in Stücköfen direct aus Erzen dargestellten
Schweisseisens werden zusammen mit Holzstücken in einen Tiegel
gepackt und stark erhitzt. Wo das Holz, welches natürlich rasch ver-
kohlt, mit dem Eisen in Berührung war, wird ein kohlenstoffreicheres
und deshalb in niedrigerer Temperatur schmelzendes Eisen gebildet,
welches flüssig wird und die Zwischenräume zwischen den nicht ge-
schmolzenen Stücken ausfüllt. Man lässt den Tiegel erkalten und zer-
schlägt ihn. Es entsteht also in Wirklichkeit ein Klumpen Schweiss-
eisen, mit zahlreichen Gussstahladern durchzogen, ein Material, welches
die Zähigkeit des ersteren mit der Härte des letzteren vereinigt. Das-
selbe wird ausgeschmiedet und weiter verarbeitet; die fertigen Waffen
aber werden mit Säuren gebeizt. Die kohlenstoffärmeren Theile werden
von den letzteren stärker angegriffen als die kohlenstoffreicheren und
so entstehen jene unregelmässigen Figuren auf der Oberfläche, welche
das eigenthümliche Merkmal dieses Stahles bilden und mitunter mit
Gold oder Silber ausgelegt werden.

Auch durch Zusammenschmelzen von Eisenerzen und Roheisen
hat man verschiedentlich versucht, Tiegelgussstahl zum Ersatze des
in gewöhnlicher Weise erzeugten darzustellen. Der chemische Vorgang
hierbei wurde schon auf S. 841 angedeutet; der Mangan-, Silicium- und
Kohlenstoffgehalt des Roheisens wirkt reducirend auf den Eisenoxyd-
gehalt der Erze und es entsteht ein Stahl, dessen Kohlenstoffgehalt
von dem Verhältnisse der eingesetzten Materialien zu einander wie
von der chemischen Zusammensetzung derselben abhängig ist.

Eine gewisse Bedeutung erlangte dieses Verfahren durch Uchatius
in den fünfziger Jahren, weshalb man dem auf diese Weise dar-
gestellten Stahl die Bezeichnung Uchatiusstahl gab. Auf einigen
Werken Oesterreichs, Russlands, Schwedens, Englands war das Ver-
fahren längere Zeit in Anwendung. Das zu verwendende Roheisen,
welches natürlich möglichst rein von schädlichen Beimengungen sein
musste, wurde durch Eingiessen in Wasser granulirt und mit eben-
falls möglichst reinen, gepulverten Erzen zusammen in einen Graphit-
tiegel eingesetzt. Ausser den Eisenerzen pflegte man auch etwas Braun-
stein beizufügen; z. B. 100 Thl. Roheisen, 25 Thl. Spatheisenstein,
1.5 Thl. Braunstein oder ähnlich. Für weniger harten Stahl setzte man
noch ausserdem 12—20 Theile Schmiedeeisen auf 100 Theile Roh-
eisen zu.

Das Verfahren verfolgt offenbar denselben Zweck, wie das schon
ältere Verfahren der Stahldarstellung aus Roheisen und Schmiedeeisen:
die Benutzung des ziemlich kostspieligen Schweissstahles wird ent-
behrlich. Es leidet aber auch an denselben Schwächen wie jenes Ver-
fahren, d. h. fast alle fremden schädlichen Bestandtheile des Roheisens,
zu denen hier noch diejenigen der Erze hinzukommen, gehen in den
Stahl über. Aus diesen Gründen ist der Betrieb überhaupt nur da
möglich, wo sehr reine Erze zur Verwendung stehen, und auf vielen

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[853/0933] Die Tiegelgussstahldarstellung. eine einzige Anwendung gefunden und zwar in Centralindien zur Dar- stellung des sogenannten Wootz- oder Damaststahles, bekannt als vorzügliches Material für Hieb- und Stichwaffen. Kleine Stücke des in Stücköfen direct aus Erzen dargestellten Schweisseisens werden zusammen mit Holzstücken in einen Tiegel gepackt und stark erhitzt. Wo das Holz, welches natürlich rasch ver- kohlt, mit dem Eisen in Berührung war, wird ein kohlenstoffreicheres und deshalb in niedrigerer Temperatur schmelzendes Eisen gebildet, welches flüssig wird und die Zwischenräume zwischen den nicht ge- schmolzenen Stücken ausfüllt. Man lässt den Tiegel erkalten und zer- schlägt ihn. Es entsteht also in Wirklichkeit ein Klumpen Schweiss- eisen, mit zahlreichen Gussstahladern durchzogen, ein Material, welches die Zähigkeit des ersteren mit der Härte des letzteren vereinigt. Das- selbe wird ausgeschmiedet und weiter verarbeitet; die fertigen Waffen aber werden mit Säuren gebeizt. Die kohlenstoffärmeren Theile werden von den letzteren stärker angegriffen als die kohlenstoffreicheren und so entstehen jene unregelmässigen Figuren auf der Oberfläche, welche das eigenthümliche Merkmal dieses Stahles bilden und mitunter mit Gold oder Silber ausgelegt werden. Auch durch Zusammenschmelzen von Eisenerzen und Roheisen hat man verschiedentlich versucht, Tiegelgussstahl zum Ersatze des in gewöhnlicher Weise erzeugten darzustellen. Der chemische Vorgang hierbei wurde schon auf S. 841 angedeutet; der Mangan-, Silicium- und Kohlenstoffgehalt des Roheisens wirkt reducirend auf den Eisenoxyd- gehalt der Erze und es entsteht ein Stahl, dessen Kohlenstoffgehalt von dem Verhältnisse der eingesetzten Materialien zu einander wie von der chemischen Zusammensetzung derselben abhängig ist. Eine gewisse Bedeutung erlangte dieses Verfahren durch Uchatius in den fünfziger Jahren, weshalb man dem auf diese Weise dar- gestellten Stahl die Bezeichnung Uchatiusstahl gab. Auf einigen Werken Oesterreichs, Russlands, Schwedens, Englands war das Ver- fahren längere Zeit in Anwendung. Das zu verwendende Roheisen, welches natürlich möglichst rein von schädlichen Beimengungen sein musste, wurde durch Eingiessen in Wasser granulirt und mit eben- falls möglichst reinen, gepulverten Erzen zusammen in einen Graphit- tiegel eingesetzt. Ausser den Eisenerzen pflegte man auch etwas Braun- stein beizufügen; z. B. 100 Thl. Roheisen, 25 Thl. Spatheisenstein, 1.5 Thl. Braunstein oder ähnlich. Für weniger harten Stahl setzte man noch ausserdem 12—20 Theile Schmiedeeisen auf 100 Theile Roh- eisen zu. Das Verfahren verfolgt offenbar denselben Zweck, wie das schon ältere Verfahren der Stahldarstellung aus Roheisen und Schmiedeeisen: die Benutzung des ziemlich kostspieligen Schweissstahles wird ent- behrlich. Es leidet aber auch an denselben Schwächen wie jenes Ver- fahren, d. h. fast alle fremden schädlichen Bestandtheile des Roheisens, zu denen hier noch diejenigen der Erze hinzukommen, gehen in den Stahl über. Aus diesen Gründen ist der Betrieb überhaupt nur da möglich, wo sehr reine Erze zur Verwendung stehen, und auf vielen

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 853. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/933>, abgerufen am 24.05.2024.