und Brennstoff, auch die Haltbarkeit der Tiegel um so grössere Gefahr läuft, je höher die Temperatur ist, so pflegt man das Verfahren auf die Erzeugung eigentlichen Stahles zu beschränken, dessen Schmelz- temperatur niedriger liegt als diejenige des kohlenstoffärmeren Eisens; Gussstahl, welcher seiner Zusammensetzung nach etwa auf der Grenze zwischen wirklichem Stahl und nicht deutlich härtbarem Eisen stehen dürfte (Kohlenstoffgehalt etwa 0.3 Proc.), wird allerdings nicht selten erzeugt.
Der Tiegelgussstahl bildet die älteste aller Sorten Flussstahl und die einzige, deren Erfindung schon aus dem vorigen Jahrhunderte stammt. Wie man erzählt, wurde ein in der Gegend von Sheffield wohnender Uhrmacher, Namens Benjamin Huntsman, welcher um die Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte, auf die Idee der Gussstahl- erzeugung durch die Schwierigkeiten geführt, welche ihm die Be- schaffenheit der aus Schweissstahl gefertigten feinen Uhrfedern bereitete. Kleine unganze Stellen, eingemengte Schlackenkörnchen oder der- gleichen machten viele solche Uhrfedern unbrauchbar; so verfiel er auf den Gedanken, durch Schmelzen den Stahl gleichförmiger zu machen. Noch heute betreiben die Nachkommen Huntsman's die Tiegelguss- stahldarstellung, und auch in den meisten deutschen Eisenhandlungen bildet der sogenannte Huntsmanstahl einen besonders für Werkzeuge zur Metallbearbeitung geschätzten Verkaufsgegenstand.
Lange Zeit beschränkte sich jedoch das Verfahren auf die Dar- stellung kleiner, zum Ausschmieden bestimmter Blöcke, deren Grösse durch den Inhalt des einzelnen Tiegels bestimmt war. Der Firma Fr. Krupp in Essen gelang es zuerst, durch Vereinigung des Inhaltes zahlreicher Tiegel in einer einzigen Gussform schwerere Blöcke dar- zustellen und diese Blöcke durch Anwendung ausreichend kräftiger Dampfhämmer zu verdichten. Hierdurch erst war dem Tiegelgussstahle, welcher bis dahin fast nur für Werkzeuge, Federn und ähnliche Gegen- stände geringeren Gewichtes Verwendung gefunden hatte, ein weiteres Feld der Verwendung eröffnet (Geschütze, Maschinentheile u. s. w.); die Benutzung desselben zum Formguss gelang zuerst der Bochumer Gussstahlfabrik, wie schon oben erwähnt wurde.
Durch neuere Methoden der Flussstahldarstellung, welche in weniger kostspieliger Weise ein ähnliches Erzeugniss liefern, ist die Verwendung des Tiegelgussstahles auf manchen Gebieten eingeschränkt worden, wo er noch vor zwei Jahrzehnten die Alleinherrschaft besass; dennoch bildet auch heute noch seine Darstellung ein wichtiges Glied der ge- sammten Eisenerzeugung, und aus Gründen, die unten bei Be- sprechung seiner Eigenschaften ausführlichere Erörterung finden werden, ist auch nicht zu erwarten, dass diese Darstellung einmal vollständig aufhören werde.
Die Tiegel und Schmelzöfen.
Man benutzt Tiegel, deren Form mit der gewöhnlichen und all- gemein bekannten Form aller für Metallschmelzen benutzten Tiegel übereinstimmt. Die Grösse der Tiegel pflegt, abweichend nach der Ver-
Die Darstellung des Flusseisens.
und Brennstoff, auch die Haltbarkeit der Tiegel um so grössere Gefahr läuft, je höher die Temperatur ist, so pflegt man das Verfahren auf die Erzeugung eigentlichen Stahles zu beschränken, dessen Schmelz- temperatur niedriger liegt als diejenige des kohlenstoffärmeren Eisens; Gussstahl, welcher seiner Zusammensetzung nach etwa auf der Grenze zwischen wirklichem Stahl und nicht deutlich härtbarem Eisen stehen dürfte (Kohlenstoffgehalt etwa 0.3 Proc.), wird allerdings nicht selten erzeugt.
Der Tiegelgussstahl bildet die älteste aller Sorten Flussstahl und die einzige, deren Erfindung schon aus dem vorigen Jahrhunderte stammt. Wie man erzählt, wurde ein in der Gegend von Sheffield wohnender Uhrmacher, Namens Benjamin Huntsman, welcher um die Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte, auf die Idee der Gussstahl- erzeugung durch die Schwierigkeiten geführt, welche ihm die Be- schaffenheit der aus Schweissstahl gefertigten feinen Uhrfedern bereitete. Kleine unganze Stellen, eingemengte Schlackenkörnchen oder der- gleichen machten viele solche Uhrfedern unbrauchbar; so verfiel er auf den Gedanken, durch Schmelzen den Stahl gleichförmiger zu machen. Noch heute betreiben die Nachkommen Huntsman’s die Tiegelguss- stahldarstellung, und auch in den meisten deutschen Eisenhandlungen bildet der sogenannte Huntsmanstahl einen besonders für Werkzeuge zur Metallbearbeitung geschätzten Verkaufsgegenstand.
Lange Zeit beschränkte sich jedoch das Verfahren auf die Dar- stellung kleiner, zum Ausschmieden bestimmter Blöcke, deren Grösse durch den Inhalt des einzelnen Tiegels bestimmt war. Der Firma Fr. Krupp in Essen gelang es zuerst, durch Vereinigung des Inhaltes zahlreicher Tiegel in einer einzigen Gussform schwerere Blöcke dar- zustellen und diese Blöcke durch Anwendung ausreichend kräftiger Dampfhämmer zu verdichten. Hierdurch erst war dem Tiegelgussstahle, welcher bis dahin fast nur für Werkzeuge, Federn und ähnliche Gegen- stände geringeren Gewichtes Verwendung gefunden hatte, ein weiteres Feld der Verwendung eröffnet (Geschütze, Maschinentheile u. s. w.); die Benutzung desselben zum Formguss gelang zuerst der Bochumer Gussstahlfabrik, wie schon oben erwähnt wurde.
Durch neuere Methoden der Flussstahldarstellung, welche in weniger kostspieliger Weise ein ähnliches Erzeugniss liefern, ist die Verwendung des Tiegelgussstahles auf manchen Gebieten eingeschränkt worden, wo er noch vor zwei Jahrzehnten die Alleinherrschaft besass; dennoch bildet auch heute noch seine Darstellung ein wichtiges Glied der ge- sammten Eisenerzeugung, und aus Gründen, die unten bei Be- sprechung seiner Eigenschaften ausführlichere Erörterung finden werden, ist auch nicht zu erwarten, dass diese Darstellung einmal vollständig aufhören werde.
Die Tiegel und Schmelzöfen.
Man benutzt Tiegel, deren Form mit der gewöhnlichen und all- gemein bekannten Form aller für Metallschmelzen benutzten Tiegel übereinstimmt. Die Grösse der Tiegel pflegt, abweichend nach der Ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0922"n="842"/><fwplace="top"type="header">Die Darstellung des Flusseisens.</fw><lb/>
und Brennstoff, auch die Haltbarkeit der Tiegel um so grössere Gefahr<lb/>
läuft, je höher die Temperatur ist, so pflegt man das Verfahren auf<lb/>
die Erzeugung eigentlichen Stahles zu beschränken, dessen Schmelz-<lb/>
temperatur niedriger liegt als diejenige des kohlenstoffärmeren Eisens;<lb/>
Gussstahl, welcher seiner Zusammensetzung nach etwa auf der Grenze<lb/>
zwischen wirklichem Stahl und nicht deutlich härtbarem Eisen stehen<lb/>
dürfte (Kohlenstoffgehalt etwa 0.<hirendition="#sub">3</hi> Proc.), wird allerdings nicht selten<lb/>
erzeugt.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Der Tiegelgussstahl bildet die älteste aller Sorten Flussstahl und<lb/>
die einzige, deren Erfindung schon aus dem vorigen Jahrhunderte<lb/>
stammt. Wie man erzählt, wurde ein in der Gegend von Sheffield<lb/>
wohnender Uhrmacher, Namens <hirendition="#g">Benjamin Huntsman</hi>, welcher um<lb/>
die Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte, auf die Idee der Gussstahl-<lb/>
erzeugung durch die Schwierigkeiten geführt, welche ihm die Be-<lb/>
schaffenheit der aus Schweissstahl gefertigten feinen Uhrfedern bereitete.<lb/>
Kleine unganze Stellen, eingemengte Schlackenkörnchen oder der-<lb/>
gleichen machten viele solche Uhrfedern unbrauchbar; so verfiel er auf<lb/>
den Gedanken, durch Schmelzen den Stahl gleichförmiger zu machen.<lb/>
Noch heute betreiben die Nachkommen <hirendition="#g">Huntsman’s</hi> die Tiegelguss-<lb/>
stahldarstellung, und auch in den meisten deutschen Eisenhandlungen<lb/>
bildet der sogenannte Huntsmanstahl einen besonders für Werkzeuge<lb/>
zur Metallbearbeitung geschätzten Verkaufsgegenstand.</p><lb/><p>Lange Zeit beschränkte sich jedoch das Verfahren auf die Dar-<lb/>
stellung kleiner, zum Ausschmieden bestimmter Blöcke, deren Grösse<lb/>
durch den Inhalt des einzelnen Tiegels bestimmt war. Der Firma<lb/><hirendition="#g">Fr. Krupp</hi> in Essen gelang es zuerst, durch Vereinigung des Inhaltes<lb/>
zahlreicher Tiegel in einer einzigen Gussform schwerere Blöcke dar-<lb/>
zustellen und diese Blöcke durch Anwendung ausreichend kräftiger<lb/>
Dampfhämmer zu verdichten. Hierdurch erst war dem Tiegelgussstahle,<lb/>
welcher bis dahin fast nur für Werkzeuge, Federn und ähnliche Gegen-<lb/>
stände geringeren Gewichtes Verwendung gefunden hatte, ein weiteres<lb/>
Feld der Verwendung eröffnet (Geschütze, Maschinentheile u. s. w.);<lb/>
die Benutzung desselben zum Formguss gelang zuerst der Bochumer<lb/>
Gussstahlfabrik, wie schon oben erwähnt wurde.</p><lb/><p>Durch neuere Methoden der Flussstahldarstellung, welche in weniger<lb/>
kostspieliger Weise ein ähnliches Erzeugniss liefern, ist die Verwendung<lb/>
des Tiegelgussstahles auf manchen Gebieten eingeschränkt worden, wo<lb/>
er noch vor zwei Jahrzehnten die Alleinherrschaft besass; dennoch<lb/>
bildet auch heute noch seine Darstellung ein wichtiges Glied der ge-<lb/>
sammten Eisenerzeugung, und aus Gründen, die unten bei Be-<lb/>
sprechung seiner Eigenschaften ausführlichere Erörterung finden werden,<lb/>
ist auch nicht zu erwarten, dass diese Darstellung einmal vollständig<lb/>
aufhören werde.</p></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Die Tiegel und Schmelzöfen.</hi></head><lb/><p>Man benutzt Tiegel, deren Form mit der gewöhnlichen und all-<lb/>
gemein bekannten Form aller für Metallschmelzen benutzten Tiegel<lb/>
übereinstimmt. Die Grösse der Tiegel pflegt, abweichend nach der Ver-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[842/0922]
Die Darstellung des Flusseisens.
und Brennstoff, auch die Haltbarkeit der Tiegel um so grössere Gefahr
läuft, je höher die Temperatur ist, so pflegt man das Verfahren auf
die Erzeugung eigentlichen Stahles zu beschränken, dessen Schmelz-
temperatur niedriger liegt als diejenige des kohlenstoffärmeren Eisens;
Gussstahl, welcher seiner Zusammensetzung nach etwa auf der Grenze
zwischen wirklichem Stahl und nicht deutlich härtbarem Eisen stehen
dürfte (Kohlenstoffgehalt etwa 0.3 Proc.), wird allerdings nicht selten
erzeugt.
Der Tiegelgussstahl bildet die älteste aller Sorten Flussstahl und
die einzige, deren Erfindung schon aus dem vorigen Jahrhunderte
stammt. Wie man erzählt, wurde ein in der Gegend von Sheffield
wohnender Uhrmacher, Namens Benjamin Huntsman, welcher um
die Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte, auf die Idee der Gussstahl-
erzeugung durch die Schwierigkeiten geführt, welche ihm die Be-
schaffenheit der aus Schweissstahl gefertigten feinen Uhrfedern bereitete.
Kleine unganze Stellen, eingemengte Schlackenkörnchen oder der-
gleichen machten viele solche Uhrfedern unbrauchbar; so verfiel er auf
den Gedanken, durch Schmelzen den Stahl gleichförmiger zu machen.
Noch heute betreiben die Nachkommen Huntsman’s die Tiegelguss-
stahldarstellung, und auch in den meisten deutschen Eisenhandlungen
bildet der sogenannte Huntsmanstahl einen besonders für Werkzeuge
zur Metallbearbeitung geschätzten Verkaufsgegenstand.
Lange Zeit beschränkte sich jedoch das Verfahren auf die Dar-
stellung kleiner, zum Ausschmieden bestimmter Blöcke, deren Grösse
durch den Inhalt des einzelnen Tiegels bestimmt war. Der Firma
Fr. Krupp in Essen gelang es zuerst, durch Vereinigung des Inhaltes
zahlreicher Tiegel in einer einzigen Gussform schwerere Blöcke dar-
zustellen und diese Blöcke durch Anwendung ausreichend kräftiger
Dampfhämmer zu verdichten. Hierdurch erst war dem Tiegelgussstahle,
welcher bis dahin fast nur für Werkzeuge, Federn und ähnliche Gegen-
stände geringeren Gewichtes Verwendung gefunden hatte, ein weiteres
Feld der Verwendung eröffnet (Geschütze, Maschinentheile u. s. w.);
die Benutzung desselben zum Formguss gelang zuerst der Bochumer
Gussstahlfabrik, wie schon oben erwähnt wurde.
Durch neuere Methoden der Flussstahldarstellung, welche in weniger
kostspieliger Weise ein ähnliches Erzeugniss liefern, ist die Verwendung
des Tiegelgussstahles auf manchen Gebieten eingeschränkt worden, wo
er noch vor zwei Jahrzehnten die Alleinherrschaft besass; dennoch
bildet auch heute noch seine Darstellung ein wichtiges Glied der ge-
sammten Eisenerzeugung, und aus Gründen, die unten bei Be-
sprechung seiner Eigenschaften ausführlichere Erörterung finden werden,
ist auch nicht zu erwarten, dass diese Darstellung einmal vollständig
aufhören werde.
Die Tiegel und Schmelzöfen.
Man benutzt Tiegel, deren Form mit der gewöhnlichen und all-
gemein bekannten Form aller für Metallschmelzen benutzten Tiegel
übereinstimmt. Die Grösse der Tiegel pflegt, abweichend nach der Ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 842. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/922>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.