Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Herdfrischen.
niedergeschmolzen zu werden. Befand sich noch flüssiges Eisen am
Boden, so wird die Bodenplatte durch darunter geleitetes Wasser ge-
kühlt, wodurch das Eisen zum Erstarren kommt und zum Aufbrechen
tauglich wird.

Das jetzt niederschmelzende und zuerst am Boden anlangende
Eisen wird, noch während das Einschmelzen des übrigen Eisens statt-
findet, abermals aufgebrochen und wieder nach oben auf das noch
ungeschmolzene Eisen gebracht, um ein drittes Mal niedergeschmolzen
zu werden, und dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis das
aufgebrochene Eisen eine zusammengeschweisste, mehr oder minder poröse
Masse bildet, aus der auch nach längerer Zeit kein flüssiges Eisen
mehr aussaigert. Mit diesem Zeitpunkte ist die zweite Periode, das
Aufbrechen, beendet, welche ebenfalls etwa 30 Minuten Zeit zu be-
anspruchen pflegt. Die Entkohlung des Eisens ist jetzt soweit fort-
geschritten, dass dasselbe stahlartige Beschaffenheit besitzt. Dieses wieder-
holte Aufbrechen des Eisens in kleinen Mengen, welches eine umfang-
reiche Durcharbeitung desselben ermöglicht, trägt nicht wenig zur
Erlangung einer gleichmässigen Beschaffenheit bei und bildet einen
wesentlichen Vortheil der Lancashiremethode. Es kommt hierbei in
Betracht, dass gerade die am wenigsten gaaren Theile des Eisens am
raschesten schmelzen und deshalb auch am häufigsten wieder auf-
gebrochen und aufs Neue vor die Form gebracht werden.

Es folgt nun die dritte Periode, das Luppenmachen oder Gaar-
frischen. Das Eisen wird jetzt, ohne durchgebrochen zu werden, in
einem einzigen Klumpen emporgebracht und in hoher Temperatur,
welche durch starke Windpressung und, wo es angeht, Erhitzung des
Windes erzeugt wird, niedergeschmolzen. Für diese Arbeit sind 15 bis
30 Minuten erforderlich. Hat der Arbeiter sich mit der Brechstange
überzeugt, dass alles Eisen richtig am Boden angekommen, flüssiges
Eisen nirgends mehr vorhanden ist, die einzelnen, etwa zerstreut ge-
wesenen Brocken gut zusammengeschweisst sind, so wird der Wind
abgestellt, die Luppe ausgebrochen und der Herd für ein neues Frischen
in Bereitschaft gesetzt.

Die erhaltene Luppe wird unter einem Hammer gezängt und dann
in zwei oder mehr Stücke zertheilt, welche nunmehr den Schweissöfen
überwiesen werden.

Der ganze Process von Einsatz zu Einsatz beansprucht etwa
2 Stunden Zeit. Ein Feuer liefert wöchentlich, je nach der Grösse des
Einsatzes 6, 8--15 t; der Verbrauch an Holzkohlen per 1000 kg Luppen-
eisen beträgt 800--1000 kg, der Abbrand (Verringerung des Eisen-
gewichtes) durchschnittlich 13 Proc. vom Gewichte des verarbeiteten
Roheisens. Für die Ausführung der verschiedenen Arbeiten sind per
Schicht drei bis vier Arbeiter erforderlich.


Schwieriger als die Herstellung kohlenstoffarmen Schmiedeeisens
ist die Herstellung von Stahl durch Herdfrischen. Während es
bei der Schmiedeeisenerzeugung nur darauf ankommt, durch wieder-
holtes Aufbrechen nach und nach alle noch roheren Theile des Ein-
satzes der Oxydationswirkung auszusetzen, bis der Kohlenstoff bis auf

Das Herdfrischen.
niedergeschmolzen zu werden. Befand sich noch flüssiges Eisen am
Boden, so wird die Bodenplatte durch darunter geleitetes Wasser ge-
kühlt, wodurch das Eisen zum Erstarren kommt und zum Aufbrechen
tauglich wird.

Das jetzt niederschmelzende und zuerst am Boden anlangende
Eisen wird, noch während das Einschmelzen des übrigen Eisens statt-
findet, abermals aufgebrochen und wieder nach oben auf das noch
ungeschmolzene Eisen gebracht, um ein drittes Mal niedergeschmolzen
zu werden, und dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis das
aufgebrochene Eisen eine zusammengeschweisste, mehr oder minder poröse
Masse bildet, aus der auch nach längerer Zeit kein flüssiges Eisen
mehr aussaigert. Mit diesem Zeitpunkte ist die zweite Periode, das
Aufbrechen, beendet, welche ebenfalls etwa 30 Minuten Zeit zu be-
anspruchen pflegt. Die Entkohlung des Eisens ist jetzt soweit fort-
geschritten, dass dasselbe stahlartige Beschaffenheit besitzt. Dieses wieder-
holte Aufbrechen des Eisens in kleinen Mengen, welches eine umfang-
reiche Durcharbeitung desselben ermöglicht, trägt nicht wenig zur
Erlangung einer gleichmässigen Beschaffenheit bei und bildet einen
wesentlichen Vortheil der Lancashiremethode. Es kommt hierbei in
Betracht, dass gerade die am wenigsten gaaren Theile des Eisens am
raschesten schmelzen und deshalb auch am häufigsten wieder auf-
gebrochen und aufs Neue vor die Form gebracht werden.

Es folgt nun die dritte Periode, das Luppenmachen oder Gaar-
frischen. Das Eisen wird jetzt, ohne durchgebrochen zu werden, in
einem einzigen Klumpen emporgebracht und in hoher Temperatur,
welche durch starke Windpressung und, wo es angeht, Erhitzung des
Windes erzeugt wird, niedergeschmolzen. Für diese Arbeit sind 15 bis
30 Minuten erforderlich. Hat der Arbeiter sich mit der Brechstange
überzeugt, dass alles Eisen richtig am Boden angekommen, flüssiges
Eisen nirgends mehr vorhanden ist, die einzelnen, etwa zerstreut ge-
wesenen Brocken gut zusammengeschweisst sind, so wird der Wind
abgestellt, die Luppe ausgebrochen und der Herd für ein neues Frischen
in Bereitschaft gesetzt.

Die erhaltene Luppe wird unter einem Hammer gezängt und dann
in zwei oder mehr Stücke zertheilt, welche nunmehr den Schweissöfen
überwiesen werden.

Der ganze Process von Einsatz zu Einsatz beansprucht etwa
2 Stunden Zeit. Ein Feuer liefert wöchentlich, je nach der Grösse des
Einsatzes 6, 8—15 t; der Verbrauch an Holzkohlen per 1000 kg Luppen-
eisen beträgt 800—1000 kg, der Abbrand (Verringerung des Eisen-
gewichtes) durchschnittlich 13 Proc. vom Gewichte des verarbeiteten
Roheisens. Für die Ausführung der verschiedenen Arbeiten sind per
Schicht drei bis vier Arbeiter erforderlich.


Schwieriger als die Herstellung kohlenstoffarmen Schmiedeeisens
ist die Herstellung von Stahl durch Herdfrischen. Während es
bei der Schmiedeeisenerzeugung nur darauf ankommt, durch wieder-
holtes Aufbrechen nach und nach alle noch roheren Theile des Ein-
satzes der Oxydationswirkung auszusetzen, bis der Kohlenstoff bis auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0837" n="765"/><fw place="top" type="header">Das Herdfrischen.</fw><lb/>
niedergeschmolzen zu werden. Befand sich noch flüssiges Eisen am<lb/>
Boden, so wird die Bodenplatte durch darunter geleitetes Wasser ge-<lb/>
kühlt, wodurch das Eisen zum Erstarren kommt und zum Aufbrechen<lb/>
tauglich wird.</p><lb/>
              <p>Das jetzt niederschmelzende und zuerst am Boden anlangende<lb/>
Eisen wird, noch während das Einschmelzen des übrigen Eisens statt-<lb/>
findet, abermals aufgebrochen und wieder nach oben auf das noch<lb/>
ungeschmolzene Eisen gebracht, um ein drittes Mal niedergeschmolzen<lb/>
zu werden, und dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis das<lb/>
aufgebrochene Eisen eine zusammengeschweisste, mehr oder minder poröse<lb/>
Masse bildet, aus der auch nach längerer Zeit kein flüssiges Eisen<lb/>
mehr aussaigert. Mit diesem Zeitpunkte ist die zweite Periode, das<lb/>
Aufbrechen, beendet, welche ebenfalls etwa 30 Minuten Zeit zu be-<lb/>
anspruchen pflegt. Die Entkohlung des Eisens ist jetzt soweit fort-<lb/>
geschritten, dass dasselbe stahlartige Beschaffenheit besitzt. Dieses wieder-<lb/>
holte Aufbrechen des Eisens in kleinen Mengen, welches eine umfang-<lb/>
reiche Durcharbeitung desselben ermöglicht, trägt nicht wenig zur<lb/>
Erlangung einer gleichmässigen Beschaffenheit bei und bildet einen<lb/>
wesentlichen Vortheil der Lancashiremethode. Es kommt hierbei in<lb/>
Betracht, dass gerade die am wenigsten gaaren Theile des Eisens am<lb/>
raschesten schmelzen und deshalb auch am häufigsten wieder auf-<lb/>
gebrochen und aufs Neue vor die Form gebracht werden.</p><lb/>
              <p>Es folgt nun die dritte Periode, das Luppenmachen oder Gaar-<lb/>
frischen. Das Eisen wird jetzt, ohne durchgebrochen zu werden, in<lb/>
einem einzigen Klumpen emporgebracht und in hoher Temperatur,<lb/>
welche durch starke Windpressung und, wo es angeht, Erhitzung des<lb/>
Windes erzeugt wird, niedergeschmolzen. Für diese Arbeit sind 15 bis<lb/>
30 Minuten erforderlich. Hat der Arbeiter sich mit der Brechstange<lb/>
überzeugt, dass alles Eisen richtig am Boden angekommen, flüssiges<lb/>
Eisen nirgends mehr vorhanden ist, die einzelnen, etwa zerstreut ge-<lb/>
wesenen Brocken gut zusammengeschweisst sind, so wird der Wind<lb/>
abgestellt, die Luppe ausgebrochen und der Herd für ein neues Frischen<lb/>
in Bereitschaft gesetzt.</p><lb/>
              <p>Die erhaltene Luppe wird unter einem Hammer gezängt und dann<lb/>
in zwei oder mehr Stücke zertheilt, welche nunmehr den Schweissöfen<lb/>
überwiesen werden.</p><lb/>
              <p>Der ganze Process von Einsatz zu Einsatz beansprucht etwa<lb/>
2 Stunden Zeit. Ein Feuer liefert wöchentlich, je nach der Grösse des<lb/>
Einsatzes 6, 8&#x2014;15 t; der Verbrauch an Holzkohlen per 1000 kg Luppen-<lb/>
eisen beträgt 800&#x2014;1000 kg, der Abbrand (Verringerung des Eisen-<lb/>
gewichtes) durchschnittlich 13 Proc. vom Gewichte des verarbeiteten<lb/>
Roheisens. Für die Ausführung der verschiedenen Arbeiten sind per<lb/>
Schicht drei bis vier Arbeiter erforderlich.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <p>Schwieriger als die Herstellung kohlenstoffarmen Schmiedeeisens<lb/>
ist die <hi rendition="#g">Herstellung von Stahl</hi> durch Herdfrischen. Während es<lb/>
bei der Schmiedeeisenerzeugung nur darauf ankommt, durch wieder-<lb/>
holtes Aufbrechen nach und nach alle noch roheren Theile des Ein-<lb/>
satzes der Oxydationswirkung auszusetzen, bis der Kohlenstoff bis auf<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[765/0837] Das Herdfrischen. niedergeschmolzen zu werden. Befand sich noch flüssiges Eisen am Boden, so wird die Bodenplatte durch darunter geleitetes Wasser ge- kühlt, wodurch das Eisen zum Erstarren kommt und zum Aufbrechen tauglich wird. Das jetzt niederschmelzende und zuerst am Boden anlangende Eisen wird, noch während das Einschmelzen des übrigen Eisens statt- findet, abermals aufgebrochen und wieder nach oben auf das noch ungeschmolzene Eisen gebracht, um ein drittes Mal niedergeschmolzen zu werden, und dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis das aufgebrochene Eisen eine zusammengeschweisste, mehr oder minder poröse Masse bildet, aus der auch nach längerer Zeit kein flüssiges Eisen mehr aussaigert. Mit diesem Zeitpunkte ist die zweite Periode, das Aufbrechen, beendet, welche ebenfalls etwa 30 Minuten Zeit zu be- anspruchen pflegt. Die Entkohlung des Eisens ist jetzt soweit fort- geschritten, dass dasselbe stahlartige Beschaffenheit besitzt. Dieses wieder- holte Aufbrechen des Eisens in kleinen Mengen, welches eine umfang- reiche Durcharbeitung desselben ermöglicht, trägt nicht wenig zur Erlangung einer gleichmässigen Beschaffenheit bei und bildet einen wesentlichen Vortheil der Lancashiremethode. Es kommt hierbei in Betracht, dass gerade die am wenigsten gaaren Theile des Eisens am raschesten schmelzen und deshalb auch am häufigsten wieder auf- gebrochen und aufs Neue vor die Form gebracht werden. Es folgt nun die dritte Periode, das Luppenmachen oder Gaar- frischen. Das Eisen wird jetzt, ohne durchgebrochen zu werden, in einem einzigen Klumpen emporgebracht und in hoher Temperatur, welche durch starke Windpressung und, wo es angeht, Erhitzung des Windes erzeugt wird, niedergeschmolzen. Für diese Arbeit sind 15 bis 30 Minuten erforderlich. Hat der Arbeiter sich mit der Brechstange überzeugt, dass alles Eisen richtig am Boden angekommen, flüssiges Eisen nirgends mehr vorhanden ist, die einzelnen, etwa zerstreut ge- wesenen Brocken gut zusammengeschweisst sind, so wird der Wind abgestellt, die Luppe ausgebrochen und der Herd für ein neues Frischen in Bereitschaft gesetzt. Die erhaltene Luppe wird unter einem Hammer gezängt und dann in zwei oder mehr Stücke zertheilt, welche nunmehr den Schweissöfen überwiesen werden. Der ganze Process von Einsatz zu Einsatz beansprucht etwa 2 Stunden Zeit. Ein Feuer liefert wöchentlich, je nach der Grösse des Einsatzes 6, 8—15 t; der Verbrauch an Holzkohlen per 1000 kg Luppen- eisen beträgt 800—1000 kg, der Abbrand (Verringerung des Eisen- gewichtes) durchschnittlich 13 Proc. vom Gewichte des verarbeiteten Roheisens. Für die Ausführung der verschiedenen Arbeiten sind per Schicht drei bis vier Arbeiter erforderlich. Schwieriger als die Herstellung kohlenstoffarmen Schmiedeeisens ist die Herstellung von Stahl durch Herdfrischen. Während es bei der Schmiedeeisenerzeugung nur darauf ankommt, durch wieder- holtes Aufbrechen nach und nach alle noch roheren Theile des Ein- satzes der Oxydationswirkung auszusetzen, bis der Kohlenstoff bis auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/837
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 765. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/837>, abgerufen am 02.06.2024.