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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Walzwerke. Die Walzenzugsmaschinen.
erfüllten Hauptgebäude der Walzhütte ihren Platz erhielt, ist man seit
jener Zeit, veranlasst durch die bedeutende Dampfverschwendung bei
einer solchen Anlage wie durch die gemachten Fortschritte im Maschi-
nenbau, ziemlich allgemein zu den fast entgegengesetzten Anschauungen
hinsichtlich der Construction der Walzenzugsmaschinen übergegangen;
und der Erfolg hat die Richtigkeit der neueren Grundsätze bestätigt.
Expansion kommt regelmässig, Condensation häufig zur Anwendung.
Woolf'sche und Compounddampfmaschinen haben sich bereits gut
bewährt. Eine einzige grössere Maschine treibt nicht selten mehrere
Walzstrecken; zur Bewegungsübertragung pflegt man Riemen- oder
besser Seiltransmissionen statt der bei kleinen Walzwerken in früherer
Zeit üblichen Getriebe zu benutzen.

Wichtig ist die Bemessung der erforderlichen Leistungsfähigkeit
einer anzulegenden Walzenzugsmaschine. Eine allzu reichliche Ver-
anschlagung der Kraftleistung vertheuert die Anlagekosten und erhöht
den Dampfverbrauch; schlimmer noch ist eine zu geringe Leistung der
Maschine: das Walzen wird verzögert, die Arbeitslöhne u. s. w. werden
gesteigert.

Die gesammte von der Maschine zu leistende Arbeit setzt sich zu-
sammen aus der zum Strecken und Hindurchziehen des Walzstückes
und der zur Ueberwindung der Reibung erforderlichen Arbeit. Erstere
ist von der Beschaffenheit und Temperatur des zu walzenden Materiales
wie von dem Abnahmecoefficienten abhängig; letztere von der Art und
Weise der Lagerung, der Instandhaltung der Lager und dem durch
die Druckschrauben der Ständer ausgeübten Drucke. Wendet man aber,
wie bei allen nur in einer Richtung laufenden Walzwerken, ein Schwung-
rad an, so kommt die von diesem während des Durchganges des Walz-
stückes abgegebene Arbeit von der obigen Summe in Abzug, und die
erforderliche Leistungsfähigkeit der Maschine fällt deshalb, wie schon
früher erwähnt wurde, um so kleiner aus, je grösser die Pausen zwischen
den Durchgängen sind (während deren das Schwungrad Arbeit auf-
speichert) und je grösser das Gewicht des Schwungrades ist.

Es folgt aus diesen Darlegungen, dass eine theoretische Berech-
nung der erforderlichen Leistungsfähigkeit der Betriebsmaschine eines
Walzwerkes allein kaum ausreichend sein wird, ein zuverlässiges Er-
gebniss zu liefern. Man ist gezwungen, sich auf praktische Beobach-
tungen zu stützen.

In neuerer Zeit, wo man, durch äussere Verhältnisse dazu ver-
anlasst, die Leistungsfähigkeit der Walzwerke zur Abminderung der
Selbstkosten der Erzeugnisse mehr und mehr zu vergrössern suchte,
indem man die Geschwindigkeit der Walzen beschleunigte, statt der
Duowalzwerke Triowalzwerke einführte, die Pausen zwischen den Durch-
gängen der Walzstücke abkürzte u. s. f., war man deshalb auch ge-
zwungen, kräftigere Maschinen als früher zum Betriebe zu benutzen.
Für sogenannte Rohschienenwalzwerke, Duo- oder Triowalzwerke zum
ersten Auswalzen des Schweisseisens bestimmt, genügt eine Arbeits-
leistung der Maschine von 50--80 Pferdestärken; Duowalzwerken für
gewöhnlichere Sorten Handelseisen mittlerer Abmessungen (Quadrat-
eisen, Rundeisen u. s. w.), welche etwa 75 Umgänge per Minute machen,
pflegt man 75--100 pferdige Maschinen zu geben; sogenannte Schnell-

Walzwerke. Die Walzenzugsmaschinen.
erfüllten Hauptgebäude der Walzhütte ihren Platz erhielt, ist man seit
jener Zeit, veranlasst durch die bedeutende Dampfverschwendung bei
einer solchen Anlage wie durch die gemachten Fortschritte im Maschi-
nenbau, ziemlich allgemein zu den fast entgegengesetzten Anschauungen
hinsichtlich der Construction der Walzenzugsmaschinen übergegangen;
und der Erfolg hat die Richtigkeit der neueren Grundsätze bestätigt.
Expansion kommt regelmässig, Condensation häufig zur Anwendung.
Woolf’sche und Compounddampfmaschinen haben sich bereits gut
bewährt. Eine einzige grössere Maschine treibt nicht selten mehrere
Walzstrecken; zur Bewegungsübertragung pflegt man Riemen- oder
besser Seiltransmissionen statt der bei kleinen Walzwerken in früherer
Zeit üblichen Getriebe zu benutzen.

Wichtig ist die Bemessung der erforderlichen Leistungsfähigkeit
einer anzulegenden Walzenzugsmaschine. Eine allzu reichliche Ver-
anschlagung der Kraftleistung vertheuert die Anlagekosten und erhöht
den Dampfverbrauch; schlimmer noch ist eine zu geringe Leistung der
Maschine: das Walzen wird verzögert, die Arbeitslöhne u. s. w. werden
gesteigert.

Die gesammte von der Maschine zu leistende Arbeit setzt sich zu-
sammen aus der zum Strecken und Hindurchziehen des Walzstückes
und der zur Ueberwindung der Reibung erforderlichen Arbeit. Erstere
ist von der Beschaffenheit und Temperatur des zu walzenden Materiales
wie von dem Abnahmecoëfficienten abhängig; letztere von der Art und
Weise der Lagerung, der Instandhaltung der Lager und dem durch
die Druckschrauben der Ständer ausgeübten Drucke. Wendet man aber,
wie bei allen nur in einer Richtung laufenden Walzwerken, ein Schwung-
rad an, so kommt die von diesem während des Durchganges des Walz-
stückes abgegebene Arbeit von der obigen Summe in Abzug, und die
erforderliche Leistungsfähigkeit der Maschine fällt deshalb, wie schon
früher erwähnt wurde, um so kleiner aus, je grösser die Pausen zwischen
den Durchgängen sind (während deren das Schwungrad Arbeit auf-
speichert) und je grösser das Gewicht des Schwungrades ist.

Es folgt aus diesen Darlegungen, dass eine theoretische Berech-
nung der erforderlichen Leistungsfähigkeit der Betriebsmaschine eines
Walzwerkes allein kaum ausreichend sein wird, ein zuverlässiges Er-
gebniss zu liefern. Man ist gezwungen, sich auf praktische Beobach-
tungen zu stützen.

In neuerer Zeit, wo man, durch äussere Verhältnisse dazu ver-
anlasst, die Leistungsfähigkeit der Walzwerke zur Abminderung der
Selbstkosten der Erzeugnisse mehr und mehr zu vergrössern suchte,
indem man die Geschwindigkeit der Walzen beschleunigte, statt der
Duowalzwerke Triowalzwerke einführte, die Pausen zwischen den Durch-
gängen der Walzstücke abkürzte u. s. f., war man deshalb auch ge-
zwungen, kräftigere Maschinen als früher zum Betriebe zu benutzen.
Für sogenannte Rohschienenwalzwerke, Duo- oder Triowalzwerke zum
ersten Auswalzen des Schweisseisens bestimmt, genügt eine Arbeits-
leistung der Maschine von 50—80 Pferdestärken; Duowalzwerken für
gewöhnlichere Sorten Handelseisen mittlerer Abmessungen (Quadrat-
eisen, Rundeisen u. s. w.), welche etwa 75 Umgänge per Minute machen,
pflegt man 75—100 pferdige Maschinen zu geben; sogenannte Schnell-

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[737/0809] Walzwerke. Die Walzenzugsmaschinen. erfüllten Hauptgebäude der Walzhütte ihren Platz erhielt, ist man seit jener Zeit, veranlasst durch die bedeutende Dampfverschwendung bei einer solchen Anlage wie durch die gemachten Fortschritte im Maschi- nenbau, ziemlich allgemein zu den fast entgegengesetzten Anschauungen hinsichtlich der Construction der Walzenzugsmaschinen übergegangen; und der Erfolg hat die Richtigkeit der neueren Grundsätze bestätigt. Expansion kommt regelmässig, Condensation häufig zur Anwendung. Woolf’sche und Compounddampfmaschinen haben sich bereits gut bewährt. Eine einzige grössere Maschine treibt nicht selten mehrere Walzstrecken; zur Bewegungsübertragung pflegt man Riemen- oder besser Seiltransmissionen statt der bei kleinen Walzwerken in früherer Zeit üblichen Getriebe zu benutzen. Wichtig ist die Bemessung der erforderlichen Leistungsfähigkeit einer anzulegenden Walzenzugsmaschine. Eine allzu reichliche Ver- anschlagung der Kraftleistung vertheuert die Anlagekosten und erhöht den Dampfverbrauch; schlimmer noch ist eine zu geringe Leistung der Maschine: das Walzen wird verzögert, die Arbeitslöhne u. s. w. werden gesteigert. Die gesammte von der Maschine zu leistende Arbeit setzt sich zu- sammen aus der zum Strecken und Hindurchziehen des Walzstückes und der zur Ueberwindung der Reibung erforderlichen Arbeit. Erstere ist von der Beschaffenheit und Temperatur des zu walzenden Materiales wie von dem Abnahmecoëfficienten abhängig; letztere von der Art und Weise der Lagerung, der Instandhaltung der Lager und dem durch die Druckschrauben der Ständer ausgeübten Drucke. Wendet man aber, wie bei allen nur in einer Richtung laufenden Walzwerken, ein Schwung- rad an, so kommt die von diesem während des Durchganges des Walz- stückes abgegebene Arbeit von der obigen Summe in Abzug, und die erforderliche Leistungsfähigkeit der Maschine fällt deshalb, wie schon früher erwähnt wurde, um so kleiner aus, je grösser die Pausen zwischen den Durchgängen sind (während deren das Schwungrad Arbeit auf- speichert) und je grösser das Gewicht des Schwungrades ist. Es folgt aus diesen Darlegungen, dass eine theoretische Berech- nung der erforderlichen Leistungsfähigkeit der Betriebsmaschine eines Walzwerkes allein kaum ausreichend sein wird, ein zuverlässiges Er- gebniss zu liefern. Man ist gezwungen, sich auf praktische Beobach- tungen zu stützen. In neuerer Zeit, wo man, durch äussere Verhältnisse dazu ver- anlasst, die Leistungsfähigkeit der Walzwerke zur Abminderung der Selbstkosten der Erzeugnisse mehr und mehr zu vergrössern suchte, indem man die Geschwindigkeit der Walzen beschleunigte, statt der Duowalzwerke Triowalzwerke einführte, die Pausen zwischen den Durch- gängen der Walzstücke abkürzte u. s. f., war man deshalb auch ge- zwungen, kräftigere Maschinen als früher zum Betriebe zu benutzen. Für sogenannte Rohschienenwalzwerke, Duo- oder Triowalzwerke zum ersten Auswalzen des Schweisseisens bestimmt, genügt eine Arbeits- leistung der Maschine von 50—80 Pferdestärken; Duowalzwerken für gewöhnlichere Sorten Handelseisen mittlerer Abmessungen (Quadrat- eisen, Rundeisen u. s. w.), welche etwa 75 Umgänge per Minute machen, pflegt man 75—100 pferdige Maschinen zu geben; sogenannte Schnell-

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/809>, abgerufen am 26.06.2024.