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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Universalwalzwerke.
artig mehr und mehr abnimmt. Solche Walzen heissen Staffel- oder
Stufenwalzen. Da der Seitendruck in den Kalibern fehlt, kann
zwar das Strecken rasch vorwärts gehen, die Ränder des Eisens aber
werden nur unvollkommen ausgebildet.


Wenn es bei der Herstellung stabförmiger Eisensorten auf genaue
Innehaltung bestimmter Querschnittsabmessungen ankommt, so ist der
Umstand in Betracht zu ziehen, dass das glühende Eisen, nachdem es
das letzte Kaliber verlassen hat, sich abkühlt und demnach zusammen-
zieht. Man muss also den Abmessungen des letzten Kalibers so viel
zugeben, als dieser Zusammenziehung, d. h. dem Schwind- oder
Schrumpfmaasse des Eisens entspricht. Diese Schwindung jedoch
ist nicht in allen Fällen gleich gross; sie ist abhängig von der Be-
schaffenheit der Eisensorte, welche gewalzt wird, und von der Tempe-
ratur, mit welcher der Eisenstab die Walzen verlässt, und pflegt
1/50--1/64 der linearen Abmessungen zu betragen.

Im Uebrigen können auch Zufälligkeiten die Schwindung beein-
flussen. Wenn das Walzwerk nach längerem Stillstande angelassen
wird, sind die Walzen kalt und wirken stark abkühlend auf den hin-
durchgehenden Stab; bei länger fortgesetzter Benutzung erwärmen sie
sich 1), auch der Stab kommt demnach wärmer aus dem letzten Kaliber
heraus und schwindet stärker als im Anfange. Dass auch die physika-
lischen Eigenschaften, die Härte, Festigkeit, Zähigkeit u. s. w. durch
diesen Unterschied in der Temperatur des Walzstückes beeinflusst
werden müssen, ergiebt sich aus dem über diese Einflüsse der Tempe-
ratur früher Gesagten von selbst.

e) Die Universalwalzwerke.

Wenn man bei einem Walzwerke ausser einem Paar horizontaler
Walzen mit entlasteter, verstellbarer Oberwalze auch ein Paar vertikaler
unmittelbar vor oder hinter den ersteren anordnet, deren Abstand von
einander ebenfalls verstellbar ist, und welche die Seitenflächen des hin-
durchgehenden Walzstückes bearbeiten, so lassen sich mit Hilfe dieser
zwei Paar Walzen offenbar Eisenstäbe von sehr verschiedenen Quer-
schnittsabmessungen herstellen, ohne dass die Anwendung besonderer
Kaliber dafür erforderlich wäre.

Eine derartige Einrichtung, d. h. eine Vereinigung zweier Walzen-
paare mit horizontalen und vertikalen Achsen, bildet die Haupteigen-
thümlichkeit fast aller sogenannter Universalwalzwerke, deren erstes
durch Daelen in Hoerde in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts
erbaut wurde und welche seitdem eine ziemlich verbreitete Anwendung
gefunden haben. Naturgemäss eignen sich dieselben besonders gut zur
Herstellung von Flacheisenstäben, und die ursprüngliche Bestimmung
derselben war die Anfertigung jener vorzugsweise in der Dampfkessel-

1) Walzen für gröbere Eisensorten pflegt man zwar durch hinüber rieselndes
Wasser zu kühlen, ohne dass jedoch dadurch eine Anwärmung derselben völlig ver-
hindert würde.

Die Universalwalzwerke.
artig mehr und mehr abnimmt. Solche Walzen heissen Staffel- oder
Stufenwalzen. Da der Seitendruck in den Kalibern fehlt, kann
zwar das Strecken rasch vorwärts gehen, die Ränder des Eisens aber
werden nur unvollkommen ausgebildet.


Wenn es bei der Herstellung stabförmiger Eisensorten auf genaue
Innehaltung bestimmter Querschnittsabmessungen ankommt, so ist der
Umstand in Betracht zu ziehen, dass das glühende Eisen, nachdem es
das letzte Kaliber verlassen hat, sich abkühlt und demnach zusammen-
zieht. Man muss also den Abmessungen des letzten Kalibers so viel
zugeben, als dieser Zusammenziehung, d. h. dem Schwind- oder
Schrumpfmaasse des Eisens entspricht. Diese Schwindung jedoch
ist nicht in allen Fällen gleich gross; sie ist abhängig von der Be-
schaffenheit der Eisensorte, welche gewalzt wird, und von der Tempe-
ratur, mit welcher der Eisenstab die Walzen verlässt, und pflegt
1/50—1/64 der linearen Abmessungen zu betragen.

Im Uebrigen können auch Zufälligkeiten die Schwindung beein-
flussen. Wenn das Walzwerk nach längerem Stillstande angelassen
wird, sind die Walzen kalt und wirken stark abkühlend auf den hin-
durchgehenden Stab; bei länger fortgesetzter Benutzung erwärmen sie
sich 1), auch der Stab kommt demnach wärmer aus dem letzten Kaliber
heraus und schwindet stärker als im Anfange. Dass auch die physika-
lischen Eigenschaften, die Härte, Festigkeit, Zähigkeit u. s. w. durch
diesen Unterschied in der Temperatur des Walzstückes beeinflusst
werden müssen, ergiebt sich aus dem über diese Einflüsse der Tempe-
ratur früher Gesagten von selbst.

e) Die Universalwalzwerke.

Wenn man bei einem Walzwerke ausser einem Paar horizontaler
Walzen mit entlasteter, verstellbarer Oberwalze auch ein Paar vertikaler
unmittelbar vor oder hinter den ersteren anordnet, deren Abstand von
einander ebenfalls verstellbar ist, und welche die Seitenflächen des hin-
durchgehenden Walzstückes bearbeiten, so lassen sich mit Hilfe dieser
zwei Paar Walzen offenbar Eisenstäbe von sehr verschiedenen Quer-
schnittsabmessungen herstellen, ohne dass die Anwendung besonderer
Kaliber dafür erforderlich wäre.

Eine derartige Einrichtung, d. h. eine Vereinigung zweier Walzen-
paare mit horizontalen und vertikalen Achsen, bildet die Haupteigen-
thümlichkeit fast aller sogenannter Universalwalzwerke, deren erstes
durch Daelen in Hoerde in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts
erbaut wurde und welche seitdem eine ziemlich verbreitete Anwendung
gefunden haben. Naturgemäss eignen sich dieselben besonders gut zur
Herstellung von Flacheisenstäben, und die ursprüngliche Bestimmung
derselben war die Anfertigung jener vorzugsweise in der Dampfkessel-

1) Walzen für gröbere Eisensorten pflegt man zwar durch hinüber rieselndes
Wasser zu kühlen, ohne dass jedoch dadurch eine Anwärmung derselben völlig ver-
hindert würde.
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[733/0805] Die Universalwalzwerke. artig mehr und mehr abnimmt. Solche Walzen heissen Staffel- oder Stufenwalzen. Da der Seitendruck in den Kalibern fehlt, kann zwar das Strecken rasch vorwärts gehen, die Ränder des Eisens aber werden nur unvollkommen ausgebildet. Wenn es bei der Herstellung stabförmiger Eisensorten auf genaue Innehaltung bestimmter Querschnittsabmessungen ankommt, so ist der Umstand in Betracht zu ziehen, dass das glühende Eisen, nachdem es das letzte Kaliber verlassen hat, sich abkühlt und demnach zusammen- zieht. Man muss also den Abmessungen des letzten Kalibers so viel zugeben, als dieser Zusammenziehung, d. h. dem Schwind- oder Schrumpfmaasse des Eisens entspricht. Diese Schwindung jedoch ist nicht in allen Fällen gleich gross; sie ist abhängig von der Be- schaffenheit der Eisensorte, welche gewalzt wird, und von der Tempe- ratur, mit welcher der Eisenstab die Walzen verlässt, und pflegt 1/50—1/64 der linearen Abmessungen zu betragen. Im Uebrigen können auch Zufälligkeiten die Schwindung beein- flussen. Wenn das Walzwerk nach längerem Stillstande angelassen wird, sind die Walzen kalt und wirken stark abkühlend auf den hin- durchgehenden Stab; bei länger fortgesetzter Benutzung erwärmen sie sich 1), auch der Stab kommt demnach wärmer aus dem letzten Kaliber heraus und schwindet stärker als im Anfange. Dass auch die physika- lischen Eigenschaften, die Härte, Festigkeit, Zähigkeit u. s. w. durch diesen Unterschied in der Temperatur des Walzstückes beeinflusst werden müssen, ergiebt sich aus dem über diese Einflüsse der Tempe- ratur früher Gesagten von selbst. e) Die Universalwalzwerke. Wenn man bei einem Walzwerke ausser einem Paar horizontaler Walzen mit entlasteter, verstellbarer Oberwalze auch ein Paar vertikaler unmittelbar vor oder hinter den ersteren anordnet, deren Abstand von einander ebenfalls verstellbar ist, und welche die Seitenflächen des hin- durchgehenden Walzstückes bearbeiten, so lassen sich mit Hilfe dieser zwei Paar Walzen offenbar Eisenstäbe von sehr verschiedenen Quer- schnittsabmessungen herstellen, ohne dass die Anwendung besonderer Kaliber dafür erforderlich wäre. Eine derartige Einrichtung, d. h. eine Vereinigung zweier Walzen- paare mit horizontalen und vertikalen Achsen, bildet die Haupteigen- thümlichkeit fast aller sogenannter Universalwalzwerke, deren erstes durch Daelen in Hoerde in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts erbaut wurde und welche seitdem eine ziemlich verbreitete Anwendung gefunden haben. Naturgemäss eignen sich dieselben besonders gut zur Herstellung von Flacheisenstäben, und die ursprüngliche Bestimmung derselben war die Anfertigung jener vorzugsweise in der Dampfkessel- 1) Walzen für gröbere Eisensorten pflegt man zwar durch hinüber rieselndes Wasser zu kühlen, ohne dass jedoch dadurch eine Anwärmung derselben völlig ver- hindert würde.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/805>, abgerufen am 25.11.2024.