Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Eisens; die Festigkeit des Gusseisens ist bedeutend geringer, seine
Zähigkeit pflegt fast gleich Null zu sein (vergl. S. 296--298).

Auch bei den verschiedenen Gattungen des schmiedbaren Eisens
zeigt sich dieser Einfluss mechanisch eingemengter fremder Körper.
Schweisseisen ist von Schlacke durchsetzt, Flusseisen ist schlackenfrei;
daher besitzt bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung
Flusseisen eine grössere Festigkeit und grössere Zähigkeit
als Schweisseisen
. Der Unterschied in der Festigkeit beider Eisen-
gattungen bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung, insbesondere bei
gleichem Kohlenstoffgehalte, pflegt mindestens 10 Proc. zu betragen,
ist aber häufig noch erheblich grösser.

Enthält das Flusseisen dagegen, wie es nicht selten ist, Mangan
oder Silicium in einigermaassen erheblichen Mengen, so mindern diese
Körper seine Zähigkeit, obschon sie die Festigkeit erhöhen. In den
kohlenstoffarmen Sorten des Schweisseisens kommen dieselben nicht
vor; und in solchem Falle kann bei gleichem Kohlenstoffgehalte das
Schweisseisen zäher sein als Flusseisen.

Wie früher erörtert wurde, entsteht das sogenannte sehnige Gefüge
nur in phosphor- und kohlenstoffarmem, überhaupt von chemisch ge-
bundenen Körpern (mit Ausnahme des Schwefels) möglichst freiem
Eisen, insbesondere dem Schweisseisen. Solches Eisen aber zeichnet
sich eben wegen seiner Reinheit von legirten fremden Körpern durch
grosse Zähigkeit und wegen seiner Reinheit von Phosphor durch eine
im Verhältniss zu seiner grossen Zähigkeit immerhin nicht unbedeutende
Festigkeit aus. Aus diesem Grunde pflegt man sehniges Gefüge des
schmiedbaren Eisens, besonders des Schweisseisens, als das Merkmal
grosser Zähigkeit bei entsprechender Festigkeit zu betrachten. Dass
aber solches sehnige Eisen in der Querrichtung durchschnittlich eine
geringere Festigkeit besitzt, als in der Richtung der Sehnen, dabei zum
Aufsplittern geneigt und deshalb weniger gut brauchbar ist, wo es in
dieser Hinsicht beansprucht wird, ergiebt sich aus dem über Sehne-
bildung früher Gesagten.

Folgende Beispiele von Festigkeits-Versuchsergebnissen mögen die
Beziehungen zwischen chemischer Zusammensetzung und Festigkeit
(beziehentlich Zähigkeit, Elasticität), sowie den Unterschied in dem Maasse
dieser Eigenschaften beim Schweisseisen und Flusseisen veranschau-
lichen. Sämmtliche Ziffern beziehen sich auf gewöhnlich, d. h. in der
Wärme, bearbeitetes (gestrecktes), nicht gehärtetes Eisen und geben die
Festigkeit u. s. w. desselben bei gewöhnlicher Temperatur an. Hinsicht-
lich der Längenausdehnung, welche die geprüften Stäbe erfuhren, muss
auf den Umstand aufmerksam gemacht werden, dass eine Benutzung
derselben als vergleichender Maassstab der Zähigkeit nur dann mög-
lich ist, wenn dieselbe auf die gleiche ursprüngliche Länge bezogen
wurde. In der Nähe der Bruchstelle ist diese Längenausdehnung am
beträchtlichsten; von da an nimmt sie mehr und mehr ab. Je grösser
also die ursprüngliche Länge war, deren Ausdehnung gemessen wurde,
ein desto niedrigeres Verhältniss der stattgehabten Ausdehnung zu der
Gesammtlänge wird sich ergeben. Wo daher in den benutzten Ver-
öffentlichungen die ursprüngliche Länge, auf welche die Ausdehnung

Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Eisens; die Festigkeit des Gusseisens ist bedeutend geringer, seine
Zähigkeit pflegt fast gleich Null zu sein (vergl. S. 296—298).

Auch bei den verschiedenen Gattungen des schmiedbaren Eisens
zeigt sich dieser Einfluss mechanisch eingemengter fremder Körper.
Schweisseisen ist von Schlacke durchsetzt, Flusseisen ist schlackenfrei;
daher besitzt bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung
Flusseisen eine grössere Festigkeit und grössere Zähigkeit
als Schweisseisen
. Der Unterschied in der Festigkeit beider Eisen-
gattungen bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung, insbesondere bei
gleichem Kohlenstoffgehalte, pflegt mindestens 10 Proc. zu betragen,
ist aber häufig noch erheblich grösser.

Enthält das Flusseisen dagegen, wie es nicht selten ist, Mangan
oder Silicium in einigermaassen erheblichen Mengen, so mindern diese
Körper seine Zähigkeit, obschon sie die Festigkeit erhöhen. In den
kohlenstoffarmen Sorten des Schweisseisens kommen dieselben nicht
vor; und in solchem Falle kann bei gleichem Kohlenstoffgehalte das
Schweisseisen zäher sein als Flusseisen.

Wie früher erörtert wurde, entsteht das sogenannte sehnige Gefüge
nur in phosphor- und kohlenstoffarmem, überhaupt von chemisch ge-
bundenen Körpern (mit Ausnahme des Schwefels) möglichst freiem
Eisen, insbesondere dem Schweisseisen. Solches Eisen aber zeichnet
sich eben wegen seiner Reinheit von legirten fremden Körpern durch
grosse Zähigkeit und wegen seiner Reinheit von Phosphor durch eine
im Verhältniss zu seiner grossen Zähigkeit immerhin nicht unbedeutende
Festigkeit aus. Aus diesem Grunde pflegt man sehniges Gefüge des
schmiedbaren Eisens, besonders des Schweisseisens, als das Merkmal
grosser Zähigkeit bei entsprechender Festigkeit zu betrachten. Dass
aber solches sehnige Eisen in der Querrichtung durchschnittlich eine
geringere Festigkeit besitzt, als in der Richtung der Sehnen, dabei zum
Aufsplittern geneigt und deshalb weniger gut brauchbar ist, wo es in
dieser Hinsicht beansprucht wird, ergiebt sich aus dem über Sehne-
bildung früher Gesagten.

Folgende Beispiele von Festigkeits-Versuchsergebnissen mögen die
Beziehungen zwischen chemischer Zusammensetzung und Festigkeit
(beziehentlich Zähigkeit, Elasticität), sowie den Unterschied in dem Maasse
dieser Eigenschaften beim Schweisseisen und Flusseisen veranschau-
lichen. Sämmtliche Ziffern beziehen sich auf gewöhnlich, d. h. in der
Wärme, bearbeitetes (gestrecktes), nicht gehärtetes Eisen und geben die
Festigkeit u. s. w. desselben bei gewöhnlicher Temperatur an. Hinsicht-
lich der Längenausdehnung, welche die geprüften Stäbe erfuhren, muss
auf den Umstand aufmerksam gemacht werden, dass eine Benutzung
derselben als vergleichender Maassstab der Zähigkeit nur dann mög-
lich ist, wenn dieselbe auf die gleiche ursprüngliche Länge bezogen
wurde. In der Nähe der Bruchstelle ist diese Längenausdehnung am
beträchtlichsten; von da an nimmt sie mehr und mehr ab. Je grösser
also die ursprüngliche Länge war, deren Ausdehnung gemessen wurde,
ein desto niedrigeres Verhältniss der stattgehabten Ausdehnung zu der
Gesammtlänge wird sich ergeben. Wo daher in den benutzten Ver-
öffentlichungen die ursprüngliche Länge, auf welche die Ausdehnung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0720" n="652"/><fw place="top" type="header">Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.</fw><lb/>
Eisens; die Festigkeit des Gusseisens ist bedeutend geringer, seine<lb/>
Zähigkeit pflegt fast gleich Null zu sein (vergl. S. 296&#x2014;298).</p><lb/>
            <p>Auch bei den verschiedenen Gattungen des schmiedbaren Eisens<lb/>
zeigt sich dieser Einfluss mechanisch eingemengter fremder Körper.<lb/>
Schweisseisen ist von Schlacke durchsetzt, Flusseisen ist schlackenfrei;<lb/><hi rendition="#g">daher besitzt bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung<lb/>
Flusseisen eine grössere Festigkeit und grössere Zähigkeit<lb/>
als Schweisseisen</hi>. Der Unterschied in der Festigkeit beider Eisen-<lb/>
gattungen bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung, insbesondere bei<lb/>
gleichem Kohlenstoffgehalte, pflegt mindestens 10 Proc. zu betragen,<lb/>
ist aber häufig noch erheblich grösser.</p><lb/>
            <p>Enthält das Flusseisen dagegen, wie es nicht selten ist, Mangan<lb/>
oder Silicium in einigermaassen erheblichen Mengen, so mindern diese<lb/>
Körper seine Zähigkeit, obschon sie die Festigkeit erhöhen. In den<lb/>
kohlenstoffarmen Sorten des Schweisseisens kommen dieselben nicht<lb/>
vor; und in solchem Falle kann bei gleichem Kohlenstoffgehalte das<lb/>
Schweisseisen zäher sein als Flusseisen.</p><lb/>
            <p>Wie früher erörtert wurde, entsteht das sogenannte sehnige Gefüge<lb/>
nur in phosphor- und kohlenstoffarmem, überhaupt von chemisch ge-<lb/>
bundenen Körpern (mit Ausnahme des Schwefels) möglichst freiem<lb/>
Eisen, insbesondere dem Schweisseisen. Solches Eisen aber zeichnet<lb/>
sich eben wegen seiner Reinheit von legirten fremden Körpern durch<lb/>
grosse Zähigkeit und wegen seiner Reinheit von Phosphor durch eine<lb/>
im Verhältniss zu seiner grossen Zähigkeit immerhin nicht unbedeutende<lb/>
Festigkeit aus. Aus diesem Grunde pflegt man sehniges Gefüge des<lb/>
schmiedbaren Eisens, besonders des Schweisseisens, als das Merkmal<lb/>
grosser Zähigkeit bei entsprechender Festigkeit zu betrachten. Dass<lb/>
aber solches sehnige Eisen in der Querrichtung durchschnittlich eine<lb/>
geringere Festigkeit besitzt, als in der Richtung der Sehnen, dabei zum<lb/>
Aufsplittern geneigt und deshalb weniger gut brauchbar ist, wo es in<lb/>
dieser Hinsicht beansprucht wird, ergiebt sich aus dem über Sehne-<lb/>
bildung früher Gesagten.</p><lb/>
            <p>Folgende Beispiele von Festigkeits-Versuchsergebnissen mögen die<lb/>
Beziehungen zwischen chemischer Zusammensetzung und Festigkeit<lb/>
(beziehentlich Zähigkeit, Elasticität), sowie den Unterschied in dem Maasse<lb/>
dieser Eigenschaften beim Schweisseisen und Flusseisen veranschau-<lb/>
lichen. Sämmtliche Ziffern beziehen sich auf gewöhnlich, d. h. in der<lb/>
Wärme, bearbeitetes (gestrecktes), nicht gehärtetes Eisen und geben die<lb/>
Festigkeit u. s. w. desselben bei gewöhnlicher Temperatur an. Hinsicht-<lb/>
lich der Längenausdehnung, welche die geprüften Stäbe erfuhren, muss<lb/>
auf den Umstand aufmerksam gemacht werden, dass eine Benutzung<lb/>
derselben als vergleichender Maassstab der Zähigkeit nur dann mög-<lb/>
lich ist, wenn dieselbe auf die gleiche ursprüngliche Länge bezogen<lb/>
wurde. In der Nähe der Bruchstelle ist diese Längenausdehnung am<lb/>
beträchtlichsten; von da an nimmt sie mehr und mehr ab. Je grösser<lb/>
also die ursprüngliche Länge war, deren Ausdehnung gemessen wurde,<lb/>
ein desto niedrigeres Verhältniss der stattgehabten Ausdehnung zu der<lb/>
Gesammtlänge wird sich ergeben. Wo daher in den benutzten Ver-<lb/>
öffentlichungen die ursprüngliche Länge, auf welche die Ausdehnung<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[652/0720] Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens. Eisens; die Festigkeit des Gusseisens ist bedeutend geringer, seine Zähigkeit pflegt fast gleich Null zu sein (vergl. S. 296—298). Auch bei den verschiedenen Gattungen des schmiedbaren Eisens zeigt sich dieser Einfluss mechanisch eingemengter fremder Körper. Schweisseisen ist von Schlacke durchsetzt, Flusseisen ist schlackenfrei; daher besitzt bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung Flusseisen eine grössere Festigkeit und grössere Zähigkeit als Schweisseisen. Der Unterschied in der Festigkeit beider Eisen- gattungen bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung, insbesondere bei gleichem Kohlenstoffgehalte, pflegt mindestens 10 Proc. zu betragen, ist aber häufig noch erheblich grösser. Enthält das Flusseisen dagegen, wie es nicht selten ist, Mangan oder Silicium in einigermaassen erheblichen Mengen, so mindern diese Körper seine Zähigkeit, obschon sie die Festigkeit erhöhen. In den kohlenstoffarmen Sorten des Schweisseisens kommen dieselben nicht vor; und in solchem Falle kann bei gleichem Kohlenstoffgehalte das Schweisseisen zäher sein als Flusseisen. Wie früher erörtert wurde, entsteht das sogenannte sehnige Gefüge nur in phosphor- und kohlenstoffarmem, überhaupt von chemisch ge- bundenen Körpern (mit Ausnahme des Schwefels) möglichst freiem Eisen, insbesondere dem Schweisseisen. Solches Eisen aber zeichnet sich eben wegen seiner Reinheit von legirten fremden Körpern durch grosse Zähigkeit und wegen seiner Reinheit von Phosphor durch eine im Verhältniss zu seiner grossen Zähigkeit immerhin nicht unbedeutende Festigkeit aus. Aus diesem Grunde pflegt man sehniges Gefüge des schmiedbaren Eisens, besonders des Schweisseisens, als das Merkmal grosser Zähigkeit bei entsprechender Festigkeit zu betrachten. Dass aber solches sehnige Eisen in der Querrichtung durchschnittlich eine geringere Festigkeit besitzt, als in der Richtung der Sehnen, dabei zum Aufsplittern geneigt und deshalb weniger gut brauchbar ist, wo es in dieser Hinsicht beansprucht wird, ergiebt sich aus dem über Sehne- bildung früher Gesagten. Folgende Beispiele von Festigkeits-Versuchsergebnissen mögen die Beziehungen zwischen chemischer Zusammensetzung und Festigkeit (beziehentlich Zähigkeit, Elasticität), sowie den Unterschied in dem Maasse dieser Eigenschaften beim Schweisseisen und Flusseisen veranschau- lichen. Sämmtliche Ziffern beziehen sich auf gewöhnlich, d. h. in der Wärme, bearbeitetes (gestrecktes), nicht gehärtetes Eisen und geben die Festigkeit u. s. w. desselben bei gewöhnlicher Temperatur an. Hinsicht- lich der Längenausdehnung, welche die geprüften Stäbe erfuhren, muss auf den Umstand aufmerksam gemacht werden, dass eine Benutzung derselben als vergleichender Maassstab der Zähigkeit nur dann mög- lich ist, wenn dieselbe auf die gleiche ursprüngliche Länge bezogen wurde. In der Nähe der Bruchstelle ist diese Längenausdehnung am beträchtlichsten; von da an nimmt sie mehr und mehr ab. Je grösser also die ursprüngliche Länge war, deren Ausdehnung gemessen wurde, ein desto niedrigeres Verhältniss der stattgehabten Ausdehnung zu der Gesammtlänge wird sich ergeben. Wo daher in den benutzten Ver- öffentlichungen die ursprüngliche Länge, auf welche die Ausdehnung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/720
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/720>, abgerufen am 22.12.2024.