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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Härte und Härtbarkeit.
steigerung hervorrufen, gleiche Mengen des ersteren aber in dieser
Beziehung bedeutend kräftiger wirken als des letzteren. Unter den
selteneren Körpern, die mitunter absichtlich der durch sie bewirkten
Härtesteigerung halber mit dem Eisen legirt werden, besitzen Chrom
und Wolfram eine grössere Wichtigkeit; und zwar legirt man Chrom
in Gewichtsmengen bis zu 1 Proc., Wolfram bis zu 8 Proc. mit dem
Eisen (S. 262 und 263).

Diejenige Härte, welche das gegossene oder das in Rothgluth be-
arbeitete und dann an der Luft abgekühlte schmiedbare Eisen besitzt,
also seine eigentliche normale Härte, nennt man die Naturhärte
desselben. Diese Naturhärte lässt sich in mehr oder minder starkem
Maasse steigern, wenn das Eisen im kalten Zustande anhaltend be-
arbeitet, einer Formveränderung unterworfen wird; zweitens auch, wenn
man dasselbe, insbesondere die kohlenstoffreicheren Sorten, auf eine
Temperatur von etwa 500 Grad C. (dunkle Rothgluth) erhitzt und dann
rasch abkühlt, z. B. durch Eintauchen in Wasser.

Die erstere Eigenschaft, die Zunahme der Härte bei stattfindender
Formveränderung im kalten Zustande, theilt das Eisen mit allen übrigen
Metallen; aber das Maass dieser Härtesteigerung durch die nämliche
Formveränderung zeigt wieder bei verschiedenen Metallen sowohl als
bei den verschiedenen Eisensorten beachtenswerthe Abweichungen. Im
Allgemeinen nimmt die Härte um so rascher zu, je grösser sie bereits
im unbearbeiteten Metalle war; und da durch Legirung mit anderen
Körpern stets die Härte eines reinen Metalls gesteigert wird, so tritt
jene durch Bearbeitung hervorgerufene Härtesteigerung auch deut-
licher in Legirungen als in reinen Metallen, deutlicher in kohlenstoff-,
mangan-, chrom- oder wolframhaltigem Eisen als in reinem Eisen
hervor.

Diese Härtezunahme der Metalle bei der Bearbeitung im kalten
Zustande verdient alle Beachtung. Mit ihr geht, wie unten noch aus-
führlicher erörtert werden wird, eine Steigerung der Sprödigkeit Hand
in Hand, und infolge hiervon würde eine fernere Bearbeitung über-
haupt sehr bald unmöglich werden, wenn nicht glücklicherweise durch
ein sehr einfaches Mittel die Möglichkeit gegeben wäre, die gesteigerte
Härte und Sprödigkeit auf ihr ursprüngliches Maass wieder zurück-
zuführen: ein Ausglühen des hart gewordenen Metalles. Welche Tempe-
ratur hierbei anzuwenden ist, richtet sich nach der Beschaffenheit des
Metalles; bei den verschiedenen Eisensorten und den meisten in hoher
Temperatur schmelzenden Metallen ist Rothgluth die geeignetste.

Die Härtungsfähigkeit der kohlenstoffreicheren Sorten schmied-
baren Eisens ist schon mehrfach als das wesentlichste Unterscheidungs-
merkmal des Stahles vom kohlenstoffarmen Schmiedeeisen bezeichnet
worden. Bei übrigens reinem Eisen liegt die Grenze der deutlichen
Härtbarkeit und somit die Grenze zwischen Stahl und Schmiedeeisen
bei einem Kohlenstoffgehalte von etwa 0.6 Proc.; jedoch zeigt auch in
dieser Beziehung das Flusseisen einen Unterschied vom Schweisseisen,
indem es leichter als dieses auch bei niedrigem Kohlenstoffgehalte
Härtung erkennen lässt.

Einen gleichen Einfluss auf die Härtungsfähigkeit wie Kohle übt
Mangan, jedoch schwächer als diese (S. 255); auch Chrom und Wolfram

Die Härte und Härtbarkeit.
steigerung hervorrufen, gleiche Mengen des ersteren aber in dieser
Beziehung bedeutend kräftiger wirken als des letzteren. Unter den
selteneren Körpern, die mitunter absichtlich der durch sie bewirkten
Härtesteigerung halber mit dem Eisen legirt werden, besitzen Chrom
und Wolfram eine grössere Wichtigkeit; und zwar legirt man Chrom
in Gewichtsmengen bis zu 1 Proc., Wolfram bis zu 8 Proc. mit dem
Eisen (S. 262 und 263).

Diejenige Härte, welche das gegossene oder das in Rothgluth be-
arbeitete und dann an der Luft abgekühlte schmiedbare Eisen besitzt,
also seine eigentliche normale Härte, nennt man die Naturhärte
desselben. Diese Naturhärte lässt sich in mehr oder minder starkem
Maasse steigern, wenn das Eisen im kalten Zustande anhaltend be-
arbeitet, einer Formveränderung unterworfen wird; zweitens auch, wenn
man dasselbe, insbesondere die kohlenstoffreicheren Sorten, auf eine
Temperatur von etwa 500 Grad C. (dunkle Rothgluth) erhitzt und dann
rasch abkühlt, z. B. durch Eintauchen in Wasser.

Die erstere Eigenschaft, die Zunahme der Härte bei stattfindender
Formveränderung im kalten Zustande, theilt das Eisen mit allen übrigen
Metallen; aber das Maass dieser Härtesteigerung durch die nämliche
Formveränderung zeigt wieder bei verschiedenen Metallen sowohl als
bei den verschiedenen Eisensorten beachtenswerthe Abweichungen. Im
Allgemeinen nimmt die Härte um so rascher zu, je grösser sie bereits
im unbearbeiteten Metalle war; und da durch Legirung mit anderen
Körpern stets die Härte eines reinen Metalls gesteigert wird, so tritt
jene durch Bearbeitung hervorgerufene Härtesteigerung auch deut-
licher in Legirungen als in reinen Metallen, deutlicher in kohlenstoff-,
mangan-, chrom- oder wolframhaltigem Eisen als in reinem Eisen
hervor.

Diese Härtezunahme der Metalle bei der Bearbeitung im kalten
Zustande verdient alle Beachtung. Mit ihr geht, wie unten noch aus-
führlicher erörtert werden wird, eine Steigerung der Sprödigkeit Hand
in Hand, und infolge hiervon würde eine fernere Bearbeitung über-
haupt sehr bald unmöglich werden, wenn nicht glücklicherweise durch
ein sehr einfaches Mittel die Möglichkeit gegeben wäre, die gesteigerte
Härte und Sprödigkeit auf ihr ursprüngliches Maass wieder zurück-
zuführen: ein Ausglühen des hart gewordenen Metalles. Welche Tempe-
ratur hierbei anzuwenden ist, richtet sich nach der Beschaffenheit des
Metalles; bei den verschiedenen Eisensorten und den meisten in hoher
Temperatur schmelzenden Metallen ist Rothgluth die geeignetste.

Die Härtungsfähigkeit der kohlenstoffreicheren Sorten schmied-
baren Eisens ist schon mehrfach als das wesentlichste Unterscheidungs-
merkmal des Stahles vom kohlenstoffarmen Schmiedeeisen bezeichnet
worden. Bei übrigens reinem Eisen liegt die Grenze der deutlichen
Härtbarkeit und somit die Grenze zwischen Stahl und Schmiedeeisen
bei einem Kohlenstoffgehalte von etwa 0.6 Proc.; jedoch zeigt auch in
dieser Beziehung das Flusseisen einen Unterschied vom Schweisseisen,
indem es leichter als dieses auch bei niedrigem Kohlenstoffgehalte
Härtung erkennen lässt.

Einen gleichen Einfluss auf die Härtungsfähigkeit wie Kohle übt
Mangan, jedoch schwächer als diese (S. 255); auch Chrom und Wolfram

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[645/0713] Die Härte und Härtbarkeit. steigerung hervorrufen, gleiche Mengen des ersteren aber in dieser Beziehung bedeutend kräftiger wirken als des letzteren. Unter den selteneren Körpern, die mitunter absichtlich der durch sie bewirkten Härtesteigerung halber mit dem Eisen legirt werden, besitzen Chrom und Wolfram eine grössere Wichtigkeit; und zwar legirt man Chrom in Gewichtsmengen bis zu 1 Proc., Wolfram bis zu 8 Proc. mit dem Eisen (S. 262 und 263). Diejenige Härte, welche das gegossene oder das in Rothgluth be- arbeitete und dann an der Luft abgekühlte schmiedbare Eisen besitzt, also seine eigentliche normale Härte, nennt man die Naturhärte desselben. Diese Naturhärte lässt sich in mehr oder minder starkem Maasse steigern, wenn das Eisen im kalten Zustande anhaltend be- arbeitet, einer Formveränderung unterworfen wird; zweitens auch, wenn man dasselbe, insbesondere die kohlenstoffreicheren Sorten, auf eine Temperatur von etwa 500 Grad C. (dunkle Rothgluth) erhitzt und dann rasch abkühlt, z. B. durch Eintauchen in Wasser. Die erstere Eigenschaft, die Zunahme der Härte bei stattfindender Formveränderung im kalten Zustande, theilt das Eisen mit allen übrigen Metallen; aber das Maass dieser Härtesteigerung durch die nämliche Formveränderung zeigt wieder bei verschiedenen Metallen sowohl als bei den verschiedenen Eisensorten beachtenswerthe Abweichungen. Im Allgemeinen nimmt die Härte um so rascher zu, je grösser sie bereits im unbearbeiteten Metalle war; und da durch Legirung mit anderen Körpern stets die Härte eines reinen Metalls gesteigert wird, so tritt jene durch Bearbeitung hervorgerufene Härtesteigerung auch deut- licher in Legirungen als in reinen Metallen, deutlicher in kohlenstoff-, mangan-, chrom- oder wolframhaltigem Eisen als in reinem Eisen hervor. Diese Härtezunahme der Metalle bei der Bearbeitung im kalten Zustande verdient alle Beachtung. Mit ihr geht, wie unten noch aus- führlicher erörtert werden wird, eine Steigerung der Sprödigkeit Hand in Hand, und infolge hiervon würde eine fernere Bearbeitung über- haupt sehr bald unmöglich werden, wenn nicht glücklicherweise durch ein sehr einfaches Mittel die Möglichkeit gegeben wäre, die gesteigerte Härte und Sprödigkeit auf ihr ursprüngliches Maass wieder zurück- zuführen: ein Ausglühen des hart gewordenen Metalles. Welche Tempe- ratur hierbei anzuwenden ist, richtet sich nach der Beschaffenheit des Metalles; bei den verschiedenen Eisensorten und den meisten in hoher Temperatur schmelzenden Metallen ist Rothgluth die geeignetste. Die Härtungsfähigkeit der kohlenstoffreicheren Sorten schmied- baren Eisens ist schon mehrfach als das wesentlichste Unterscheidungs- merkmal des Stahles vom kohlenstoffarmen Schmiedeeisen bezeichnet worden. Bei übrigens reinem Eisen liegt die Grenze der deutlichen Härtbarkeit und somit die Grenze zwischen Stahl und Schmiedeeisen bei einem Kohlenstoffgehalte von etwa 0.6 Proc.; jedoch zeigt auch in dieser Beziehung das Flusseisen einen Unterschied vom Schweisseisen, indem es leichter als dieses auch bei niedrigem Kohlenstoffgehalte Härtung erkennen lässt. Einen gleichen Einfluss auf die Härtungsfähigkeit wie Kohle übt Mangan, jedoch schwächer als diese (S. 255); auch Chrom und Wolfram

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/713>, abgerufen am 01.06.2024.