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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Betriebsstörungen der Hochöfen.
entstehende Kohlenoxyd aufgebläht und zeigen sich nach dem Erstarren
von Gasblasen durchsetzt, eine Erscheinung, welche besonders deutlich
bei den saigeren Schlacken der mit Holzkohlen auf graues Roheisen
betriebenen Hochöfen hervorzutreten pflegt. Die Schlackenmenge wird
reichlicher, da eine grössere Menge Körper (Eisen, Mangan, Silicium)
unreducirt verschlackt wird; die Schlacke selbst wird durch den grösseren
Eisen- und Manganoxydulgehalt dünnflüssiger, erstarrt aber gewöhn-
lich rasch. Nimmt jedoch die Abkühlung des Ofens zu, so bleibt auch
die erfolgende Schlacke kälter und verliert dann ihre Dünnflüssigkeit.
Ist man mit der äusseren Beschaffenheit (Farbe, Dünnflüssigkeit) der
normalen Schlacke eines Hochofens bei dem Betriebe auf diese oder
jene Roheisensorte vertraut, so geben die bei Rohgang eintretenden
Veränderungen dieser Beschaffenheit ein sehr zuverlässiges Merkmal
für den Beginn des Rohganges.

Sieht man durch die Formen in den Ofen, so gewahrt man bei
Gaargang, sobald sich das Auge an das blendende Licht gewöhnt hat,
die verbrennenden Kohlen und die gleichmässig niedertropfenden flüssigen
Massen. Die Weissgluth deutet auf hohe Temperatur, Ansätze an den
Formen sind wenig bemerkbar und lassen sich ohne Schwierigkeit ent-
fernen. Bei Rohgang verlieren die Formen an Helligkeit, die schmel-
zende Schlacke zeigt sich in unruhiger Bewegung, erzeugt durch die
unter Kohlenoxydgasbildung vor sich gehende Reduction von Eisen
aus derselben. Kommt das unmittelbar über den Formen reducirte,
also noch kohlenstoffarme, schwerschmelzige Eisen in Berührung mit
den kälteren Ofenwandungen, insbesondere mit dem Rüssel der Formen
oder sonstigen gekühlten Theilen, so setzt es sich hier als sogenanntes
Frischeisen fest -- dasselbe ist thatsächlich schmiedbares Eisen --,
Ansätze bildend, welche, wenn sie nicht beseitigt werden, immer mehr
wachsen und Veranlassung zu einer vollständigen Verstopfung des
Ofens geben können. Die Beseitigung dieses zähen, fest an den
Wänden haftenden Frischeisens aber ist weit schwieriger als die Be-
seitigung von entstandenen Schlackenansätzen.

Bei Oefen, welche mit Koks und hocherhitztem Winde betrieben
werden, tritt diese Erscheinung weit weniger bemerkbar hervor als bei
Holzkohlenbetrieb und weniger heissem Winde, besonders, wenn man
in letzteren graues Roheisen darstellt. Eisenhüttenleute, welche noch
den Betrieb mit kaltem Winde gekannt haben, erinnern sich sehr wohl
der ausserordentlich beschwerlichen Arbeit, welche das Losbrechen
dieser Frischeisenansätze veranlasste. Schwere eiserne Stangen --
Rengel -- wurden unter dem Tümpel hinweg in den Ofen geführt,
und durch Stossen und Drücken mit denselben wurde das angesetzte
Eisen entfernt. Seit Einführung der Winderhitzung ist auch bei Holz-
kohlenhochöfen die Arbeit des "Rengelns" seltener und weniger be-
schwerlich geworden; aber die Construction der Oefen mit offener Brust
verdankt, wie schon früher erwähnt wurde, unzweifelhaft dem Umstande
ihre Entstehung, dass bei geschlossener Brust die Entfernung der Frisch-
eisenansätze kaum möglich ist.

Auch das Aeussere der Gichtflamme lässt, sofern der Ofen mit
offener Gicht arbeitet, oft mit grosser Deutlichkeit den Eintritt von Roh-

Die Betriebsstörungen der Hochöfen.
entstehende Kohlenoxyd aufgebläht und zeigen sich nach dem Erstarren
von Gasblasen durchsetzt, eine Erscheinung, welche besonders deutlich
bei den saigeren Schlacken der mit Holzkohlen auf graues Roheisen
betriebenen Hochöfen hervorzutreten pflegt. Die Schlackenmenge wird
reichlicher, da eine grössere Menge Körper (Eisen, Mangan, Silicium)
unreducirt verschlackt wird; die Schlacke selbst wird durch den grösseren
Eisen- und Manganoxydulgehalt dünnflüssiger, erstarrt aber gewöhn-
lich rasch. Nimmt jedoch die Abkühlung des Ofens zu, so bleibt auch
die erfolgende Schlacke kälter und verliert dann ihre Dünnflüssigkeit.
Ist man mit der äusseren Beschaffenheit (Farbe, Dünnflüssigkeit) der
normalen Schlacke eines Hochofens bei dem Betriebe auf diese oder
jene Roheisensorte vertraut, so geben die bei Rohgang eintretenden
Veränderungen dieser Beschaffenheit ein sehr zuverlässiges Merkmal
für den Beginn des Rohganges.

Sieht man durch die Formen in den Ofen, so gewahrt man bei
Gaargang, sobald sich das Auge an das blendende Licht gewöhnt hat,
die verbrennenden Kohlen und die gleichmässig niedertropfenden flüssigen
Massen. Die Weissgluth deutet auf hohe Temperatur, Ansätze an den
Formen sind wenig bemerkbar und lassen sich ohne Schwierigkeit ent-
fernen. Bei Rohgang verlieren die Formen an Helligkeit, die schmel-
zende Schlacke zeigt sich in unruhiger Bewegung, erzeugt durch die
unter Kohlenoxydgasbildung vor sich gehende Reduction von Eisen
aus derselben. Kommt das unmittelbar über den Formen reducirte,
also noch kohlenstoffarme, schwerschmelzige Eisen in Berührung mit
den kälteren Ofenwandungen, insbesondere mit dem Rüssel der Formen
oder sonstigen gekühlten Theilen, so setzt es sich hier als sogenanntes
Frischeisen fest — dasselbe ist thatsächlich schmiedbares Eisen —,
Ansätze bildend, welche, wenn sie nicht beseitigt werden, immer mehr
wachsen und Veranlassung zu einer vollständigen Verstopfung des
Ofens geben können. Die Beseitigung dieses zähen, fest an den
Wänden haftenden Frischeisens aber ist weit schwieriger als die Be-
seitigung von entstandenen Schlackenansätzen.

Bei Oefen, welche mit Koks und hocherhitztem Winde betrieben
werden, tritt diese Erscheinung weit weniger bemerkbar hervor als bei
Holzkohlenbetrieb und weniger heissem Winde, besonders, wenn man
in letzteren graues Roheisen darstellt. Eisenhüttenleute, welche noch
den Betrieb mit kaltem Winde gekannt haben, erinnern sich sehr wohl
der ausserordentlich beschwerlichen Arbeit, welche das Losbrechen
dieser Frischeisenansätze veranlasste. Schwere eiserne Stangen —
Rengel — wurden unter dem Tümpel hinweg in den Ofen geführt,
und durch Stossen und Drücken mit denselben wurde das angesetzte
Eisen entfernt. Seit Einführung der Winderhitzung ist auch bei Holz-
kohlenhochöfen die Arbeit des „Rengelns“ seltener und weniger be-
schwerlich geworden; aber die Construction der Oefen mit offener Brust
verdankt, wie schon früher erwähnt wurde, unzweifelhaft dem Umstande
ihre Entstehung, dass bei geschlossener Brust die Entfernung der Frisch-
eisenansätze kaum möglich ist.

Auch das Aeussere der Gichtflamme lässt, sofern der Ofen mit
offener Gicht arbeitet, oft mit grosser Deutlichkeit den Eintritt von Roh-

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[517/0577] Die Betriebsstörungen der Hochöfen. entstehende Kohlenoxyd aufgebläht und zeigen sich nach dem Erstarren von Gasblasen durchsetzt, eine Erscheinung, welche besonders deutlich bei den saigeren Schlacken der mit Holzkohlen auf graues Roheisen betriebenen Hochöfen hervorzutreten pflegt. Die Schlackenmenge wird reichlicher, da eine grössere Menge Körper (Eisen, Mangan, Silicium) unreducirt verschlackt wird; die Schlacke selbst wird durch den grösseren Eisen- und Manganoxydulgehalt dünnflüssiger, erstarrt aber gewöhn- lich rasch. Nimmt jedoch die Abkühlung des Ofens zu, so bleibt auch die erfolgende Schlacke kälter und verliert dann ihre Dünnflüssigkeit. Ist man mit der äusseren Beschaffenheit (Farbe, Dünnflüssigkeit) der normalen Schlacke eines Hochofens bei dem Betriebe auf diese oder jene Roheisensorte vertraut, so geben die bei Rohgang eintretenden Veränderungen dieser Beschaffenheit ein sehr zuverlässiges Merkmal für den Beginn des Rohganges. Sieht man durch die Formen in den Ofen, so gewahrt man bei Gaargang, sobald sich das Auge an das blendende Licht gewöhnt hat, die verbrennenden Kohlen und die gleichmässig niedertropfenden flüssigen Massen. Die Weissgluth deutet auf hohe Temperatur, Ansätze an den Formen sind wenig bemerkbar und lassen sich ohne Schwierigkeit ent- fernen. Bei Rohgang verlieren die Formen an Helligkeit, die schmel- zende Schlacke zeigt sich in unruhiger Bewegung, erzeugt durch die unter Kohlenoxydgasbildung vor sich gehende Reduction von Eisen aus derselben. Kommt das unmittelbar über den Formen reducirte, also noch kohlenstoffarme, schwerschmelzige Eisen in Berührung mit den kälteren Ofenwandungen, insbesondere mit dem Rüssel der Formen oder sonstigen gekühlten Theilen, so setzt es sich hier als sogenanntes Frischeisen fest — dasselbe ist thatsächlich schmiedbares Eisen —, Ansätze bildend, welche, wenn sie nicht beseitigt werden, immer mehr wachsen und Veranlassung zu einer vollständigen Verstopfung des Ofens geben können. Die Beseitigung dieses zähen, fest an den Wänden haftenden Frischeisens aber ist weit schwieriger als die Be- seitigung von entstandenen Schlackenansätzen. Bei Oefen, welche mit Koks und hocherhitztem Winde betrieben werden, tritt diese Erscheinung weit weniger bemerkbar hervor als bei Holzkohlenbetrieb und weniger heissem Winde, besonders, wenn man in letzteren graues Roheisen darstellt. Eisenhüttenleute, welche noch den Betrieb mit kaltem Winde gekannt haben, erinnern sich sehr wohl der ausserordentlich beschwerlichen Arbeit, welche das Losbrechen dieser Frischeisenansätze veranlasste. Schwere eiserne Stangen — Rengel — wurden unter dem Tümpel hinweg in den Ofen geführt, und durch Stossen und Drücken mit denselben wurde das angesetzte Eisen entfernt. Seit Einführung der Winderhitzung ist auch bei Holz- kohlenhochöfen die Arbeit des „Rengelns“ seltener und weniger be- schwerlich geworden; aber die Construction der Oefen mit offener Brust verdankt, wie schon früher erwähnt wurde, unzweifelhaft dem Umstande ihre Entstehung, dass bei geschlossener Brust die Entfernung der Frisch- eisenansätze kaum möglich ist. Auch das Aeussere der Gichtflamme lässt, sofern der Ofen mit offener Gicht arbeitet, oft mit grosser Deutlichkeit den Eintritt von Roh-

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/577>, abgerufen am 23.11.2024.