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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Wärmebilanz des Hochofens.

Die Aufstellung einer solchen Wärmebilanz zu verschiedenen Zeiten
und unter verschiedenen Betriebsverhältnissen besitzt nicht allein theore-
tisches Interesse. Wie der Geschäftsmann über den Stand seines Ge-
schäfts, über die Ursachen, welche Mindererträge oder Verluste in dem
einen Falle, reichere Erträge in dem andern Falle herbeiführten, erst
einen klaren Ueberblick erhält, indem er die stattgehabten Einnahmen
und Ausgaben, nach Conten oder Titeln geordnet, in der Bilanz ein-
ander gegenübergestellt und nun die Beträge, welche jene Conten unter
verschiedenen Verhältnissen erreichten, vergleicht, so erhält auch der
Eisenhüttenmann durch die Wärmebilanz seines Hochofens erst ziffern-
mässige Belege für die Ursachen der Abweichungen in dem Brenn-
stoffverbrauche zu verschiedenen Zeiten oder unter verschiedenen Ver-
hältnissen. Die Wärmebilanz zeigt ihm in solcher Weise den Weg,
ungünstig wirkende Einflüsse zu beseitigen, oder bewahrt ihn in anderen
Fällen vor erfolglosen Versuchen.

Für die Aufstellung der Wärmebilanz ist, wie für die Erkennung
der Vorgänge im Ofen, die Analyse der sämmtlichen Materialien und
Erzeugnisse und die Kenntniss von den gegenseitigen Gewichtsverhält-
nissen erforderlich, in welchen dieselben verbraucht und gewonnen
werden; ausserdem bedarf man der Werthe für die Wärmemengen,
welche bei der Oxydation der einzelnen in Betracht kommenden Körper
gewonnen, bei der Reduction verbraucht werden und auf S. 20--23
aufgeführt wurden; findet eine Zerlegung von Carbonaten oder anderer
chemischer Verbindungen statt, so muss die hierfür erforderliche Wärme
berücksichtigt werden; ferner muss die specifische Wärme des Gebläse-
windes und der Gichtgase sowie die Temperatur bekannt sein, mit
welcher der erstere dem Ofen zugeführt wird und die letzteren denselben
verlassen; und endlich müssen die Wärmemengen ermittelt werden,
welche von dem Roheisen und den Schlacken beim Verlassen des Ofens
mitgenommen werden.

Die hierfür erforderlichen Ziffern, soweit sie nicht schon in Früherem
mitgetheilt wurden, sind folgende.

Zerlegungswärme der Carbonate. Kohlensaurer Kalk (Kalk-
stein) erfordert nach Thomsen, um in Kalk und Kohlensäure zerlegt
zu werden, per 1 kg des ursprünglichen Materials 425 W.-E. 1) Da
1 Gewichtstheil Calciumcarbonat 0.56 Ca O und 0.44 C O2 enthält, so beträgt
der Wärmeverbrauch, um 1 kg Kohlensäure auszutreiben, 943 W.-E.

Ueber die Zerlegungswärme des kohlensauren Eisens (Spatheisen-
steins u. s. w.) liegen bislang leider keine Ermittelungen vor; wo dieser
Fall vorkommt, wird man deshalb vorläufig einen gleichen Wärmever-
brauch per Gewichtseinheit ausgetriebener Kohlensäure wie bei der Zer-
legung des Kalksteins annehmen müssen.

Auch die Zerlegungswärme der Hydrate des Eisens ist
mit Sicherheit nicht bekannt. Die verhältnissmässig geringe Neigung des

1) Wagner's Jahresbericht für chemische Technologie 1880, S. 397. Schinz
fand, indem er Kohlensäure in gelöschten Kalk einleitete, welcher in Wasser sich
befand, nur eine Wärmeentwickelung von 251 W.-E. per 1 kg Kohlensäure, welche
von dem Kalke aufgenommen wurde, scheint hierbei aber den Wärmeverbrauch zur
Zerlegung des vorhandenen Hydrats unberücksichtigt gelassen zu haben.
Die Wärmebilanz des Hochofens.

Die Aufstellung einer solchen Wärmebilanz zu verschiedenen Zeiten
und unter verschiedenen Betriebsverhältnissen besitzt nicht allein theore-
tisches Interesse. Wie der Geschäftsmann über den Stand seines Ge-
schäfts, über die Ursachen, welche Mindererträge oder Verluste in dem
einen Falle, reichere Erträge in dem andern Falle herbeiführten, erst
einen klaren Ueberblick erhält, indem er die stattgehabten Einnahmen
und Ausgaben, nach Conten oder Titeln geordnet, in der Bilanz ein-
ander gegenübergestellt und nun die Beträge, welche jene Conten unter
verschiedenen Verhältnissen erreichten, vergleicht, so erhält auch der
Eisenhüttenmann durch die Wärmebilanz seines Hochofens erst ziffern-
mässige Belege für die Ursachen der Abweichungen in dem Brenn-
stoffverbrauche zu verschiedenen Zeiten oder unter verschiedenen Ver-
hältnissen. Die Wärmebilanz zeigt ihm in solcher Weise den Weg,
ungünstig wirkende Einflüsse zu beseitigen, oder bewahrt ihn in anderen
Fällen vor erfolglosen Versuchen.

Für die Aufstellung der Wärmebilanz ist, wie für die Erkennung
der Vorgänge im Ofen, die Analyse der sämmtlichen Materialien und
Erzeugnisse und die Kenntniss von den gegenseitigen Gewichtsverhält-
nissen erforderlich, in welchen dieselben verbraucht und gewonnen
werden; ausserdem bedarf man der Werthe für die Wärmemengen,
welche bei der Oxydation der einzelnen in Betracht kommenden Körper
gewonnen, bei der Reduction verbraucht werden und auf S. 20—23
aufgeführt wurden; findet eine Zerlegung von Carbonaten oder anderer
chemischer Verbindungen statt, so muss die hierfür erforderliche Wärme
berücksichtigt werden; ferner muss die specifische Wärme des Gebläse-
windes und der Gichtgase sowie die Temperatur bekannt sein, mit
welcher der erstere dem Ofen zugeführt wird und die letzteren denselben
verlassen; und endlich müssen die Wärmemengen ermittelt werden,
welche von dem Roheisen und den Schlacken beim Verlassen des Ofens
mitgenommen werden.

Die hierfür erforderlichen Ziffern, soweit sie nicht schon in Früherem
mitgetheilt wurden, sind folgende.

Zerlegungswärme der Carbonate. Kohlensaurer Kalk (Kalk-
stein) erfordert nach Thomsen, um in Kalk und Kohlensäure zerlegt
zu werden, per 1 kg des ursprünglichen Materials 425 W.-E. 1) Da
1 Gewichtstheil Calciumcarbonat 0.56 Ca O und 0.44 C O2 enthält, so beträgt
der Wärmeverbrauch, um 1 kg Kohlensäure auszutreiben, 943 W.-E.

Ueber die Zerlegungswärme des kohlensauren Eisens (Spatheisen-
steins u. s. w.) liegen bislang leider keine Ermittelungen vor; wo dieser
Fall vorkommt, wird man deshalb vorläufig einen gleichen Wärmever-
brauch per Gewichtseinheit ausgetriebener Kohlensäure wie bei der Zer-
legung des Kalksteins annehmen müssen.

Auch die Zerlegungswärme der Hydrate des Eisens ist
mit Sicherheit nicht bekannt. Die verhältnissmässig geringe Neigung des

1) Wagner’s Jahresbericht für chemische Technologie 1880, S. 397. Schinz
fand, indem er Kohlensäure in gelöschten Kalk einleitete, welcher in Wasser sich
befand, nur eine Wärmeentwickelung von 251 W.-E. per 1 kg Kohlensäure, welche
von dem Kalke aufgenommen wurde, scheint hierbei aber den Wärmeverbrauch zur
Zerlegung des vorhandenen Hydrats unberücksichtigt gelassen zu haben.
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[495/0555] Die Wärmebilanz des Hochofens. Die Aufstellung einer solchen Wärmebilanz zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Betriebsverhältnissen besitzt nicht allein theore- tisches Interesse. Wie der Geschäftsmann über den Stand seines Ge- schäfts, über die Ursachen, welche Mindererträge oder Verluste in dem einen Falle, reichere Erträge in dem andern Falle herbeiführten, erst einen klaren Ueberblick erhält, indem er die stattgehabten Einnahmen und Ausgaben, nach Conten oder Titeln geordnet, in der Bilanz ein- ander gegenübergestellt und nun die Beträge, welche jene Conten unter verschiedenen Verhältnissen erreichten, vergleicht, so erhält auch der Eisenhüttenmann durch die Wärmebilanz seines Hochofens erst ziffern- mässige Belege für die Ursachen der Abweichungen in dem Brenn- stoffverbrauche zu verschiedenen Zeiten oder unter verschiedenen Ver- hältnissen. Die Wärmebilanz zeigt ihm in solcher Weise den Weg, ungünstig wirkende Einflüsse zu beseitigen, oder bewahrt ihn in anderen Fällen vor erfolglosen Versuchen. Für die Aufstellung der Wärmebilanz ist, wie für die Erkennung der Vorgänge im Ofen, die Analyse der sämmtlichen Materialien und Erzeugnisse und die Kenntniss von den gegenseitigen Gewichtsverhält- nissen erforderlich, in welchen dieselben verbraucht und gewonnen werden; ausserdem bedarf man der Werthe für die Wärmemengen, welche bei der Oxydation der einzelnen in Betracht kommenden Körper gewonnen, bei der Reduction verbraucht werden und auf S. 20—23 aufgeführt wurden; findet eine Zerlegung von Carbonaten oder anderer chemischer Verbindungen statt, so muss die hierfür erforderliche Wärme berücksichtigt werden; ferner muss die specifische Wärme des Gebläse- windes und der Gichtgase sowie die Temperatur bekannt sein, mit welcher der erstere dem Ofen zugeführt wird und die letzteren denselben verlassen; und endlich müssen die Wärmemengen ermittelt werden, welche von dem Roheisen und den Schlacken beim Verlassen des Ofens mitgenommen werden. Die hierfür erforderlichen Ziffern, soweit sie nicht schon in Früherem mitgetheilt wurden, sind folgende. Zerlegungswärme der Carbonate. Kohlensaurer Kalk (Kalk- stein) erfordert nach Thomsen, um in Kalk und Kohlensäure zerlegt zu werden, per 1 kg des ursprünglichen Materials 425 W.-E. 1) Da 1 Gewichtstheil Calciumcarbonat 0.56 Ca O und 0.44 C O2 enthält, so beträgt der Wärmeverbrauch, um 1 kg Kohlensäure auszutreiben, 943 W.-E. Ueber die Zerlegungswärme des kohlensauren Eisens (Spatheisen- steins u. s. w.) liegen bislang leider keine Ermittelungen vor; wo dieser Fall vorkommt, wird man deshalb vorläufig einen gleichen Wärmever- brauch per Gewichtseinheit ausgetriebener Kohlensäure wie bei der Zer- legung des Kalksteins annehmen müssen. Auch die Zerlegungswärme der Hydrate des Eisens ist mit Sicherheit nicht bekannt. Die verhältnissmässig geringe Neigung des 1) Wagner’s Jahresbericht für chemische Technologie 1880, S. 397. Schinz fand, indem er Kohlensäure in gelöschten Kalk einleitete, welcher in Wasser sich befand, nur eine Wärmeentwickelung von 251 W.-E. per 1 kg Kohlensäure, welche von dem Kalke aufgenommen wurde, scheint hierbei aber den Wärmeverbrauch zur Zerlegung des vorhandenen Hydrats unberücksichtigt gelassen zu haben.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/555>, abgerufen am 11.06.2024.