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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofenprocess.
bedürfen, um verschlackt zu werden. Letzteres Erz wird demnach im
Hochofen längere Zeit als ersteres im ungeschmolzenen Zustande der
reducirenden Einwirkung des Gasstromes ausgesetzt bleiben; die ent-
stehende Schlacke ist eisenärmer, das Maass der directen Reduction
(S. 222) geringer.

Die chemische durchschnittliche Zusammensetzung der gesammten
schlackenbildenden Bestandtheile besitzt für die Bildungstemperatur der
Schlacke insofern Wichtigkeit, als diese immerhin von der Schmelz-
temperatur abhängig bleibt. Ueber die Beziehungen zwischen chemi-
scher Zusammensetzung und Schmelztemperatur der Schlacke wurden
auf S. 150--153 bereits die bis jetzt vorliegenden Beobachtungs- und
Erfahrungsresultate mitgetheilt.

Schinz fand bei Versuchen im Kleinen, bei welchen quarzhaltige
Erzstücke in verschiedenen Temperaturen der Einwirkung kohlenoxyd-
haltiger Gasgemenge ausgesetzt wurden, dass bei Abwesenheit von
Kalk schon bei 800°C. Eisensilikat im weich gewordenen Zustande
sich durch die Erze vertheilte; bei Anwesenheit von Kalk war dies
weniger der Fall, der Kalk verschwand zum Theil und durchdrang
die Erzstücke, diese aufschwellend, ohne ihre Form zu verändern, und
die so durchdrungenen Erze waren porös und leicht zerdrückbar. 1)

Erhard und Schertel fanden die Entstehungstemperatur einer
Hochofenschlacke, welche 50 % Si O2, 17 % Al2 O3, 30 % Ca O, 3 % Fe O
enthielt, bei 1392°C., die Schmelztemperatur der fertigen Schlacke bei
1166°C. 2); im Hochofen jedoch wird die Entstehungstemperatur inso-
fern gewöhnlich eine andere sein, als hier anfänglich Körper mit in
die Schlacke eingehen -- Eisenoxydul, Manganoxydul u. a. m. --,
welche erst bei dem weiteren Verlaufe des Processes zum Theil wieder
aus derselben abgeschieden werden. Die zuerst entstehende Schlacke
hat demnach eine andere Zusammensetzung als die aus dem Hoch-
ofen hervorgehende Endschlacke, und ihre Entstehungstemperatur wird
oft nicht unerheblich tiefer liegen, als wenn sie bereits ebenso wie bei
Beendigung des Processes zusammengesetzt wäre.

Aus demselben Grunde wird bei Verhüttung kalkerdereicher, basi-
scher Beschickungen die Schlackenbildung durchschnittlich erst in einer
höheren Temperatur erfolgen als bei Verhüttung kalkerdearmer mit
grösserem Kieselsäuregehalte; denn wenn auch vielleicht die Entstehungs-
und Schmelztemperatur derjenigen Schlacke, wie sie zuletzt aus dem
Hochofen hervorgeht, in beiden Fällen die nämliche ist, so ist doch
bei jener basischen Beschickung die Neigung der schlackengebenden
Bestandtheile geringer, unreducirte Metalloxyde (Eisenoxydul, Mangan-
oxydul) aufzulösen, und weniger als bei kieselsäurereicher Beschickung
wird die Entstehungstemperatur der sich bildenden Schlacke durch die
Aufnahme jener ebenfalls basischen Körper erniedrigt werden.

Eben deshalb tritt auch eine vorzeitige Verschlackung von unredu-
cirtem Eisen weniger leicht bei basischer als bei kieselsäurereicher Be-
schickung ein.

1) Dokumente betreffend den Hochofen, S. 78.
2) Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr
1879, S. 168.

Der Hochofenprocess.
bedürfen, um verschlackt zu werden. Letzteres Erz wird demnach im
Hochofen längere Zeit als ersteres im ungeschmolzenen Zustande der
reducirenden Einwirkung des Gasstromes ausgesetzt bleiben; die ent-
stehende Schlacke ist eisenärmer, das Maass der directen Reduction
(S. 222) geringer.

Die chemische durchschnittliche Zusammensetzung der gesammten
schlackenbildenden Bestandtheile besitzt für die Bildungstemperatur der
Schlacke insofern Wichtigkeit, als diese immerhin von der Schmelz-
temperatur abhängig bleibt. Ueber die Beziehungen zwischen chemi-
scher Zusammensetzung und Schmelztemperatur der Schlacke wurden
auf S. 150—153 bereits die bis jetzt vorliegenden Beobachtungs- und
Erfahrungsresultate mitgetheilt.

Schinz fand bei Versuchen im Kleinen, bei welchen quarzhaltige
Erzstücke in verschiedenen Temperaturen der Einwirkung kohlenoxyd-
haltiger Gasgemenge ausgesetzt wurden, dass bei Abwesenheit von
Kalk schon bei 800°C. Eisensilikat im weich gewordenen Zustande
sich durch die Erze vertheilte; bei Anwesenheit von Kalk war dies
weniger der Fall, der Kalk verschwand zum Theil und durchdrang
die Erzstücke, diese aufschwellend, ohne ihre Form zu verändern, und
die so durchdrungenen Erze waren porös und leicht zerdrückbar. 1)

Erhard und Schertel fanden die Entstehungstemperatur einer
Hochofenschlacke, welche 50 % Si O2, 17 % Al2 O3, 30 % Ca O, 3 % Fe O
enthielt, bei 1392°C., die Schmelztemperatur der fertigen Schlacke bei
1166°C. 2); im Hochofen jedoch wird die Entstehungstemperatur inso-
fern gewöhnlich eine andere sein, als hier anfänglich Körper mit in
die Schlacke eingehen — Eisenoxydul, Manganoxydul u. a. m. —,
welche erst bei dem weiteren Verlaufe des Processes zum Theil wieder
aus derselben abgeschieden werden. Die zuerst entstehende Schlacke
hat demnach eine andere Zusammensetzung als die aus dem Hoch-
ofen hervorgehende Endschlacke, und ihre Entstehungstemperatur wird
oft nicht unerheblich tiefer liegen, als wenn sie bereits ebenso wie bei
Beendigung des Processes zusammengesetzt wäre.

Aus demselben Grunde wird bei Verhüttung kalkerdereicher, basi-
scher Beschickungen die Schlackenbildung durchschnittlich erst in einer
höheren Temperatur erfolgen als bei Verhüttung kalkerdearmer mit
grösserem Kieselsäuregehalte; denn wenn auch vielleicht die Entstehungs-
und Schmelztemperatur derjenigen Schlacke, wie sie zuletzt aus dem
Hochofen hervorgeht, in beiden Fällen die nämliche ist, so ist doch
bei jener basischen Beschickung die Neigung der schlackengebenden
Bestandtheile geringer, unreducirte Metalloxyde (Eisenoxydul, Mangan-
oxydul) aufzulösen, und weniger als bei kieselsäurereicher Beschickung
wird die Entstehungstemperatur der sich bildenden Schlacke durch die
Aufnahme jener ebenfalls basischen Körper erniedrigt werden.

Eben deshalb tritt auch eine vorzeitige Verschlackung von unredu-
cirtem Eisen weniger leicht bei basischer als bei kieselsäurereicher Be-
schickung ein.

1) Dokumente betreffend den Hochofen, S. 78.
2) Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr
1879, S. 168.
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[464/0524] Der Hochofenprocess. bedürfen, um verschlackt zu werden. Letzteres Erz wird demnach im Hochofen längere Zeit als ersteres im ungeschmolzenen Zustande der reducirenden Einwirkung des Gasstromes ausgesetzt bleiben; die ent- stehende Schlacke ist eisenärmer, das Maass der directen Reduction (S. 222) geringer. Die chemische durchschnittliche Zusammensetzung der gesammten schlackenbildenden Bestandtheile besitzt für die Bildungstemperatur der Schlacke insofern Wichtigkeit, als diese immerhin von der Schmelz- temperatur abhängig bleibt. Ueber die Beziehungen zwischen chemi- scher Zusammensetzung und Schmelztemperatur der Schlacke wurden auf S. 150—153 bereits die bis jetzt vorliegenden Beobachtungs- und Erfahrungsresultate mitgetheilt. Schinz fand bei Versuchen im Kleinen, bei welchen quarzhaltige Erzstücke in verschiedenen Temperaturen der Einwirkung kohlenoxyd- haltiger Gasgemenge ausgesetzt wurden, dass bei Abwesenheit von Kalk schon bei 800°C. Eisensilikat im weich gewordenen Zustande sich durch die Erze vertheilte; bei Anwesenheit von Kalk war dies weniger der Fall, der Kalk verschwand zum Theil und durchdrang die Erzstücke, diese aufschwellend, ohne ihre Form zu verändern, und die so durchdrungenen Erze waren porös und leicht zerdrückbar. 1) Erhard und Schertel fanden die Entstehungstemperatur einer Hochofenschlacke, welche 50 % Si O2, 17 % Al2 O3, 30 % Ca O, 3 % Fe O enthielt, bei 1392°C., die Schmelztemperatur der fertigen Schlacke bei 1166°C. 2); im Hochofen jedoch wird die Entstehungstemperatur inso- fern gewöhnlich eine andere sein, als hier anfänglich Körper mit in die Schlacke eingehen — Eisenoxydul, Manganoxydul u. a. m. —, welche erst bei dem weiteren Verlaufe des Processes zum Theil wieder aus derselben abgeschieden werden. Die zuerst entstehende Schlacke hat demnach eine andere Zusammensetzung als die aus dem Hoch- ofen hervorgehende Endschlacke, und ihre Entstehungstemperatur wird oft nicht unerheblich tiefer liegen, als wenn sie bereits ebenso wie bei Beendigung des Processes zusammengesetzt wäre. Aus demselben Grunde wird bei Verhüttung kalkerdereicher, basi- scher Beschickungen die Schlackenbildung durchschnittlich erst in einer höheren Temperatur erfolgen als bei Verhüttung kalkerdearmer mit grösserem Kieselsäuregehalte; denn wenn auch vielleicht die Entstehungs- und Schmelztemperatur derjenigen Schlacke, wie sie zuletzt aus dem Hochofen hervorgeht, in beiden Fällen die nämliche ist, so ist doch bei jener basischen Beschickung die Neigung der schlackengebenden Bestandtheile geringer, unreducirte Metalloxyde (Eisenoxydul, Mangan- oxydul) aufzulösen, und weniger als bei kieselsäurereicher Beschickung wird die Entstehungstemperatur der sich bildenden Schlacke durch die Aufnahme jener ebenfalls basischen Körper erniedrigt werden. Eben deshalb tritt auch eine vorzeitige Verschlackung von unredu- cirtem Eisen weniger leicht bei basischer als bei kieselsäurereicher Be- schickung ein. 1) Dokumente betreffend den Hochofen, S. 78. 2) Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr 1879, S. 168.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/524>, abgerufen am 26.06.2024.