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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Gichtaufzüge.
muss. Ist die Förderschale im höchsten Stande angelangt, so wird
der Zufluss des Windes geschlossen; soll Niedergang eintreten, so hebt
man das Ventil S, die im Cylinder eingeschlossene Luft entweicht
durch den Auslass V ins Freie, und das eigene Uebergewicht des
Cylinders sammt der etwa darauf befindlichen Last (entleerte Gicht-
karren u. s. w.) bewirkt den Niedergang. Durch mehr oder minder voll-
[Abbildung] Fig. 144.
ständiges Oeffnen des Auslassventiles lässt
sich die Zeitdauer des Niederganges un-
schwer regeln.

Damit die Förderschale nicht schwanke,
ist der Luftcylinder zwischen Rollen K K
und ausserdem zwischen den Leitstangen
L L geführt.

Das Wasser rings um den Cylinder
herum dient als Liderungsmaterial, wo-
durch die Reibungswiderstände auf ein sehr
kleines Maass zurückgeführt werden.

Der Gang eines solchen pneumatischen
Aufzuges ist ein ausserordentlich sanfter,
Stösse sind vollständig vermieden und Un-
glücksfälle fast unmöglich; denn wenn auch
wirklich ein Reissen der Seile stattfinden
sollte, an welchen die Gegengewichte hän-
gen, so kann, da der Cylinder immerhin
mit verdichteter Luft gefüllt bleibt, ein
plötzliches Niederstürzen der Förderschale
doch nicht dadurch herbeigeführt werden.

Mit dem hydraulischen Aufzuge aber
theilt der beschriebene pneumatische den
Uebelstand, dass die Anlage eines Schachtes
erforderlich ist, dessen Herstellungskosten
mit der Förderhöhe in beträchtlichem Maasse
zunehmen; und in kalten Klimaten kann
während des Winters die Eisbildung auf
dem Wasser mancherlei Unzuträglichkeiten mit sich führen.

Häufiger als die soeben beschriebene Form eines pneumatischen
Aufzuges ist aus diesen Gründen eine von Gjers in den sechziger
Jahren eingeführte Construction 1) in Anwendung gekommen, bei welcher
die Anwendung des unterirdischen Schachtes und des Wassers ganz
wegfällt. Fig. 145 und 146 zeigen die Einrichtung desselben. a ist
ein gusseiserner, aus mehreren genau zusammenpassenden, sorgfältig
ausgebohrten, kürzeren Stücken zusammengesetzter Cylinder, in welchem
der Kolben b auf und nieder beweglich ist. Durch vier über Rollen c c
geführte Seile ist mit dem Kolben die Plattform d verbunden, so dass
diese steigt, wenn jener sinkt und umgekehrt. Das Gewicht des Kolbens
pflegt so bemessen zu sein, dass das Gewicht der Plattform nebst dem
Gewichte der Gichtwagen und einem Theile von dem Gewichte der
Wagenladung dadurch ausgeglichen wird, und die Plattform steigt in

1) Engineering 1872, p. 343.

Die Gichtaufzüge.
muss. Ist die Förderschale im höchsten Stande angelangt, so wird
der Zufluss des Windes geschlossen; soll Niedergang eintreten, so hebt
man das Ventil S, die im Cylinder eingeschlossene Luft entweicht
durch den Auslass V ins Freie, und das eigene Uebergewicht des
Cylinders sammt der etwa darauf befindlichen Last (entleerte Gicht-
karren u. s. w.) bewirkt den Niedergang. Durch mehr oder minder voll-
[Abbildung] Fig. 144.
ständiges Oeffnen des Auslassventiles lässt
sich die Zeitdauer des Niederganges un-
schwer regeln.

Damit die Förderschale nicht schwanke,
ist der Luftcylinder zwischen Rollen K K
und ausserdem zwischen den Leitstangen
L L geführt.

Das Wasser rings um den Cylinder
herum dient als Liderungsmaterial, wo-
durch die Reibungswiderstände auf ein sehr
kleines Maass zurückgeführt werden.

Der Gang eines solchen pneumatischen
Aufzuges ist ein ausserordentlich sanfter,
Stösse sind vollständig vermieden und Un-
glücksfälle fast unmöglich; denn wenn auch
wirklich ein Reissen der Seile stattfinden
sollte, an welchen die Gegengewichte hän-
gen, so kann, da der Cylinder immerhin
mit verdichteter Luft gefüllt bleibt, ein
plötzliches Niederstürzen der Förderschale
doch nicht dadurch herbeigeführt werden.

Mit dem hydraulischen Aufzuge aber
theilt der beschriebene pneumatische den
Uebelstand, dass die Anlage eines Schachtes
erforderlich ist, dessen Herstellungskosten
mit der Förderhöhe in beträchtlichem Maasse
zunehmen; und in kalten Klimaten kann
während des Winters die Eisbildung auf
dem Wasser mancherlei Unzuträglichkeiten mit sich führen.

Häufiger als die soeben beschriebene Form eines pneumatischen
Aufzuges ist aus diesen Gründen eine von Gjers in den sechziger
Jahren eingeführte Construction 1) in Anwendung gekommen, bei welcher
die Anwendung des unterirdischen Schachtes und des Wassers ganz
wegfällt. Fig. 145 und 146 zeigen die Einrichtung desselben. a ist
ein gusseiserner, aus mehreren genau zusammenpassenden, sorgfältig
ausgebohrten, kürzeren Stücken zusammengesetzter Cylinder, in welchem
der Kolben b auf und nieder beweglich ist. Durch vier über Rollen c c
geführte Seile ist mit dem Kolben die Plattform d verbunden, so dass
diese steigt, wenn jener sinkt und umgekehrt. Das Gewicht des Kolbens
pflegt so bemessen zu sein, dass das Gewicht der Plattform nebst dem
Gewichte der Gichtwagen und einem Theile von dem Gewichte der
Wagenladung dadurch ausgeglichen wird, und die Plattform steigt in

1) Engineering 1872, p. 343.
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[456/0516] Die Gichtaufzüge. muss. Ist die Förderschale im höchsten Stande angelangt, so wird der Zufluss des Windes geschlossen; soll Niedergang eintreten, so hebt man das Ventil S, die im Cylinder eingeschlossene Luft entweicht durch den Auslass V ins Freie, und das eigene Uebergewicht des Cylinders sammt der etwa darauf befindlichen Last (entleerte Gicht- karren u. s. w.) bewirkt den Niedergang. Durch mehr oder minder voll- [Abbildung Fig. 144.] ständiges Oeffnen des Auslassventiles lässt sich die Zeitdauer des Niederganges un- schwer regeln. Damit die Förderschale nicht schwanke, ist der Luftcylinder zwischen Rollen K K und ausserdem zwischen den Leitstangen L L geführt. Das Wasser rings um den Cylinder herum dient als Liderungsmaterial, wo- durch die Reibungswiderstände auf ein sehr kleines Maass zurückgeführt werden. Der Gang eines solchen pneumatischen Aufzuges ist ein ausserordentlich sanfter, Stösse sind vollständig vermieden und Un- glücksfälle fast unmöglich; denn wenn auch wirklich ein Reissen der Seile stattfinden sollte, an welchen die Gegengewichte hän- gen, so kann, da der Cylinder immerhin mit verdichteter Luft gefüllt bleibt, ein plötzliches Niederstürzen der Förderschale doch nicht dadurch herbeigeführt werden. Mit dem hydraulischen Aufzuge aber theilt der beschriebene pneumatische den Uebelstand, dass die Anlage eines Schachtes erforderlich ist, dessen Herstellungskosten mit der Förderhöhe in beträchtlichem Maasse zunehmen; und in kalten Klimaten kann während des Winters die Eisbildung auf dem Wasser mancherlei Unzuträglichkeiten mit sich führen. Häufiger als die soeben beschriebene Form eines pneumatischen Aufzuges ist aus diesen Gründen eine von Gjers in den sechziger Jahren eingeführte Construction 1) in Anwendung gekommen, bei welcher die Anwendung des unterirdischen Schachtes und des Wassers ganz wegfällt. Fig. 145 und 146 zeigen die Einrichtung desselben. a ist ein gusseiserner, aus mehreren genau zusammenpassenden, sorgfältig ausgebohrten, kürzeren Stücken zusammengesetzter Cylinder, in welchem der Kolben b auf und nieder beweglich ist. Durch vier über Rollen c c geführte Seile ist mit dem Kolben die Plattform d verbunden, so dass diese steigt, wenn jener sinkt und umgekehrt. Das Gewicht des Kolbens pflegt so bemessen zu sein, dass das Gewicht der Plattform nebst dem Gewichte der Gichtwagen und einem Theile von dem Gewichte der Wagenladung dadurch ausgeglichen wird, und die Plattform steigt in 1) Engineering 1872, p. 343.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/516>, abgerufen am 01.06.2024.