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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofen.

Je enger und höher das Gestell ist, desto leichter wird man eine
hohe Temperatur daselbst erzielen können; aber desto grösser ist auch
die Gasspannung im Gestelle und desto grösser die erforderliche Arbeit
zur Verdichtung des einzublasenden Windes. Mit voller Berechtigung
hat man deshalb ein allzu enges und hohes Gestell einem Hemmschuh
verglichen, welcher einem Wagen auf ebener Strasse angelegt wird 1);
man erhöht entweder die erforderliche Arbeit zur Fortbewegung des
Wagens, d. i. zum Betriebe des Hochofens, oder man verlangsamt die
Bewegungsgeschwindigkeit, d. h. man verringert die Leistungsfähigkeit
des Hochofens. Seitdem man daher durch Erhitzung des Gebläsewindes
ein anderes bewährtes Mittel gefunden hat, eine hohe Temperatur vor
und unmittelbar über den Formen des Ofens hervorzubringen, sind
jene übermässig engen und hohen Gestelle, welche man noch um die
Mitte dieses Jahrhunderts für Graueisendarstellung als unerlässlich zu
betrachten pflegte, fast ganz verschwunden; man begnügt sich, dem
Gestell einen Durchmesser zu geben, welcher das Vordringen des Windes
bis zur Ofenachse ermöglicht, und beschränkt die Höhe auf ein ge-
ringeres Maass als früher. Ob durch Anwendung eines eigentlichen
Gestelles bei Anwendung heissen Windes ein wirklicher Vortheil er-
reicht wird, bleibt immerhin etwas zweifelhaft; denn die Erfahrung
lehrt, dass sehr bald der obere Theil des Gestelles wie der untere
Theil der Rast wegzuschmelzen pflegen, wie es durch die punktirten
Linien in Fig. 53 angedeutet ist, und der Ofen infolge dieses Vor-
ganges eine Form annimmt, welche der in Fig. 52 skizzirten sehr ähn-
lich ist, ohne dass in den meisten Fällen eine Verschlechterung des
Ofenganges dabei zu beobachten wäre.

Alle scharfen Uebergänge in dem Ofenprofile werden naturgemäss
Veranlassung zu Ungleichmässigkeiten in dem Niedergange der Schmelz-
materialien geben können. Auf der Erwägung dieses Umstandes be-
ruht die Anwendung einer Hochofenform, wie sie durch Fig. 54 dar-
gestellt ist. Als vermittelndes Glied zwischen Rast und Schacht ist
ein Cylinder eingeschaltet, dessen Höhe bei einigen Oefen nur wenige
Decimeter beträgt, bei anderen dagegen einen beträchtlichen Theil der
Gesammthöhe ausmacht. Da dieser Cylinder, wie der Kohlensack der
bisher besprochenen Ofenformen, den weitesten Theil des ganzen Ofens
bildet, so pflegt man ihn ebenfalls als Kohlensack zu bezeichnen.

In weiterer Verfolgung des Bestrebens, scharfe Uebergänge in den
Linien des Ofenprofiles zu vermeiden, gelangt man dahin, das Profil
curvenförmig zu construiren (Fig. 55), eine Methode, welche jedenfalls
häufiger in Anwendung wäre, wenn nicht die Herstellung der für den
Aufbau eines solchen Ofens erforderlichen passenden Steine mit etwas
grösseren Schwierigkeiten als bei gradliniger Begrenzung verknüpft wäre.

Eine allmähliche Zusammenziehung des Ofenschachtes nach der
Gicht zu, wie sie bei den bisher besprochenen Ofenformen Anwendung
findet, erleichtert, wie schon erörtert wurde, das gleichmässige Nieder-
gehen der "Gichten", d. h. der in die Gicht eingeschütteten Materialien,
und zugleich die Bedienung der Gicht selbst. Ein Uebermaass in dieser
Beziehung, d. h. eine zu starke Verengung der Gicht und zu rasche

1) E. Schinz, Studien über den Hochofen, S. 80.
Der Hochofen.

Je enger und höher das Gestell ist, desto leichter wird man eine
hohe Temperatur daselbst erzielen können; aber desto grösser ist auch
die Gasspannung im Gestelle und desto grösser die erforderliche Arbeit
zur Verdichtung des einzublasenden Windes. Mit voller Berechtigung
hat man deshalb ein allzu enges und hohes Gestell einem Hemmschuh
verglichen, welcher einem Wagen auf ebener Strasse angelegt wird 1);
man erhöht entweder die erforderliche Arbeit zur Fortbewegung des
Wagens, d. i. zum Betriebe des Hochofens, oder man verlangsamt die
Bewegungsgeschwindigkeit, d. h. man verringert die Leistungsfähigkeit
des Hochofens. Seitdem man daher durch Erhitzung des Gebläsewindes
ein anderes bewährtes Mittel gefunden hat, eine hohe Temperatur vor
und unmittelbar über den Formen des Ofens hervorzubringen, sind
jene übermässig engen und hohen Gestelle, welche man noch um die
Mitte dieses Jahrhunderts für Graueisendarstellung als unerlässlich zu
betrachten pflegte, fast ganz verschwunden; man begnügt sich, dem
Gestell einen Durchmesser zu geben, welcher das Vordringen des Windes
bis zur Ofenachse ermöglicht, und beschränkt die Höhe auf ein ge-
ringeres Maass als früher. Ob durch Anwendung eines eigentlichen
Gestelles bei Anwendung heissen Windes ein wirklicher Vortheil er-
reicht wird, bleibt immerhin etwas zweifelhaft; denn die Erfahrung
lehrt, dass sehr bald der obere Theil des Gestelles wie der untere
Theil der Rast wegzuschmelzen pflegen, wie es durch die punktirten
Linien in Fig. 53 angedeutet ist, und der Ofen infolge dieses Vor-
ganges eine Form annimmt, welche der in Fig. 52 skizzirten sehr ähn-
lich ist, ohne dass in den meisten Fällen eine Verschlechterung des
Ofenganges dabei zu beobachten wäre.

Alle scharfen Uebergänge in dem Ofenprofile werden naturgemäss
Veranlassung zu Ungleichmässigkeiten in dem Niedergange der Schmelz-
materialien geben können. Auf der Erwägung dieses Umstandes be-
ruht die Anwendung einer Hochofenform, wie sie durch Fig. 54 dar-
gestellt ist. Als vermittelndes Glied zwischen Rast und Schacht ist
ein Cylinder eingeschaltet, dessen Höhe bei einigen Oefen nur wenige
Decimeter beträgt, bei anderen dagegen einen beträchtlichen Theil der
Gesammthöhe ausmacht. Da dieser Cylinder, wie der Kohlensack der
bisher besprochenen Ofenformen, den weitesten Theil des ganzen Ofens
bildet, so pflegt man ihn ebenfalls als Kohlensack zu bezeichnen.

In weiterer Verfolgung des Bestrebens, scharfe Uebergänge in den
Linien des Ofenprofiles zu vermeiden, gelangt man dahin, das Profil
curvenförmig zu construiren (Fig. 55), eine Methode, welche jedenfalls
häufiger in Anwendung wäre, wenn nicht die Herstellung der für den
Aufbau eines solchen Ofens erforderlichen passenden Steine mit etwas
grösseren Schwierigkeiten als bei gradliniger Begrenzung verknüpft wäre.

Eine allmähliche Zusammenziehung des Ofenschachtes nach der
Gicht zu, wie sie bei den bisher besprochenen Ofenformen Anwendung
findet, erleichtert, wie schon erörtert wurde, das gleichmässige Nieder-
gehen der „Gichten“, d. h. der in die Gicht eingeschütteten Materialien,
und zugleich die Bedienung der Gicht selbst. Ein Uebermaass in dieser
Beziehung, d. h. eine zu starke Verengung der Gicht und zu rasche

1) E. Schinz, Studien über den Hochofen, S. 80.
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[324/0370] Der Hochofen. Je enger und höher das Gestell ist, desto leichter wird man eine hohe Temperatur daselbst erzielen können; aber desto grösser ist auch die Gasspannung im Gestelle und desto grösser die erforderliche Arbeit zur Verdichtung des einzublasenden Windes. Mit voller Berechtigung hat man deshalb ein allzu enges und hohes Gestell einem Hemmschuh verglichen, welcher einem Wagen auf ebener Strasse angelegt wird 1); man erhöht entweder die erforderliche Arbeit zur Fortbewegung des Wagens, d. i. zum Betriebe des Hochofens, oder man verlangsamt die Bewegungsgeschwindigkeit, d. h. man verringert die Leistungsfähigkeit des Hochofens. Seitdem man daher durch Erhitzung des Gebläsewindes ein anderes bewährtes Mittel gefunden hat, eine hohe Temperatur vor und unmittelbar über den Formen des Ofens hervorzubringen, sind jene übermässig engen und hohen Gestelle, welche man noch um die Mitte dieses Jahrhunderts für Graueisendarstellung als unerlässlich zu betrachten pflegte, fast ganz verschwunden; man begnügt sich, dem Gestell einen Durchmesser zu geben, welcher das Vordringen des Windes bis zur Ofenachse ermöglicht, und beschränkt die Höhe auf ein ge- ringeres Maass als früher. Ob durch Anwendung eines eigentlichen Gestelles bei Anwendung heissen Windes ein wirklicher Vortheil er- reicht wird, bleibt immerhin etwas zweifelhaft; denn die Erfahrung lehrt, dass sehr bald der obere Theil des Gestelles wie der untere Theil der Rast wegzuschmelzen pflegen, wie es durch die punktirten Linien in Fig. 53 angedeutet ist, und der Ofen infolge dieses Vor- ganges eine Form annimmt, welche der in Fig. 52 skizzirten sehr ähn- lich ist, ohne dass in den meisten Fällen eine Verschlechterung des Ofenganges dabei zu beobachten wäre. Alle scharfen Uebergänge in dem Ofenprofile werden naturgemäss Veranlassung zu Ungleichmässigkeiten in dem Niedergange der Schmelz- materialien geben können. Auf der Erwägung dieses Umstandes be- ruht die Anwendung einer Hochofenform, wie sie durch Fig. 54 dar- gestellt ist. Als vermittelndes Glied zwischen Rast und Schacht ist ein Cylinder eingeschaltet, dessen Höhe bei einigen Oefen nur wenige Decimeter beträgt, bei anderen dagegen einen beträchtlichen Theil der Gesammthöhe ausmacht. Da dieser Cylinder, wie der Kohlensack der bisher besprochenen Ofenformen, den weitesten Theil des ganzen Ofens bildet, so pflegt man ihn ebenfalls als Kohlensack zu bezeichnen. In weiterer Verfolgung des Bestrebens, scharfe Uebergänge in den Linien des Ofenprofiles zu vermeiden, gelangt man dahin, das Profil curvenförmig zu construiren (Fig. 55), eine Methode, welche jedenfalls häufiger in Anwendung wäre, wenn nicht die Herstellung der für den Aufbau eines solchen Ofens erforderlichen passenden Steine mit etwas grösseren Schwierigkeiten als bei gradliniger Begrenzung verknüpft wäre. Eine allmähliche Zusammenziehung des Ofenschachtes nach der Gicht zu, wie sie bei den bisher besprochenen Ofenformen Anwendung findet, erleichtert, wie schon erörtert wurde, das gleichmässige Nieder- gehen der „Gichten“, d. h. der in die Gicht eingeschütteten Materialien, und zugleich die Bedienung der Gicht selbst. Ein Uebermaass in dieser Beziehung, d. h. eine zu starke Verengung der Gicht und zu rasche 1) E. Schinz, Studien über den Hochofen, S. 80.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/370>, abgerufen am 19.05.2024.