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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofen.

Durch dieses einfache Mittel wird noch ein anderer Vortheil er-
reicht.

Infolge der Reibung, welche die niederrückende Schmelzsäule an
den Wänden des Ofens erleidet, findet ein Voreilen der einzelnen
Stücke nach der Achse des Ofens hin statt; die Bewegung ist hier
rascher als an den Wänden und die einzelnen Stücke liegen dichter
auf einander. Besonders werden die specifisch schwereren Bestandtheile
der Schmelzsäule, also die Erze und Zuschläge, nach der Achse hin
drängen, während die Brennstoffe, je weiter nach unten, um so mehr
nach den Wänden des Ofens hingeschoben werden. Die Gase aber
werden infolge dieser ungleichmässigen Vertheilung der Bestandtheile
der Schmelzsäule denjenigen Weg wählen, wo sich ihnen die gering-
sten Widerstände entgegenstellen: sie werden das Bestreben haben, an
den Ofenwänden aufzusteigen, wo die Schmelzsäule am wenigsten dicht
liegt. Je stärker sie diesem Bestreben Folge geben können, desto mehr
werden die in der Mitte des Ofenquerschnittes sich anhäufenden Erze
ihrer Einwirkung entzogen werden, desto grössere Mengen unredu-
cirten Eisens werden in den Schmelzraum des Ofens gelangen und hier
durch festen Kohlenstoff reducirt werden müssen. Offenbar wird diesem
für die Brennstoffausnutzung im Hochofen nachtheiligen Bestreben der
Gase entgegen gewirkt werden, wenn man die Verbrennung, d. h. die
Entwicklung der Gase, auf einen engeren Querschnitt rings um die
Ofenachse her beschränkt und von hier aus den Ofen sich erweitern
lässt, so dass die Gase erst allmählich bei ihrem Aufsteigen nach dem
Umfange hin gelangen können.

Wollte man nun aber jene oberhalb der Formebene stattfindende
Erweiterung des Ofens bis zur Gicht hin sich fortsetzen lassen, so
würden andere Nachtheile dadurch entstehen. Die Gicht würde einen
sehr grossen Durchmesser erhalten und die gleichmässige Vertheilung
der aufzuschüttenden Schmelzmaterialien würde dadurch erschwert wer-
den; die schon erwähnte Reibung der letzteren an den Ofenwänden
aber würde durch die Trichterform des Ofenschachtes erheblich ver-
stärkt werden und die geschilderten nachtheiligen Einflüsse derselben
auf den Verlauf der Reduction würden in noch empfindlicherer Weise
hervortreten. Man begnügt sich daher, den Ofenschacht bis zu einem
Theile der ganzen Ofenhöhe sich erweitern zu lassen, von hier aus
nach der Gicht aber zur Innehaltung des normalen Gichtdurchmessers
allmählich wieder zu verengen.

Auf diese Weise entsteht die in Fig. 51 skizzirte Urform der Hoch-
öfen, welche schon vor Jahrhunderten auf Grund empirischer Versuche
eingeführt wurde und noch jetzt bei verschiedenen Hochöfen -- z. B.
in den östreichischen Alpen für Weisseisendarstellung -- in Anwendung
ist: zwei Kegel, welche mit ihren breiten Grundflächen an einander
stossen. Die Ebene a b, in welcher der Ofen seinen grössten Durch-
messer besitzt, heisst der Kohlensack.

Der gleichmässigste Niedergang der Schmelzmaterialien wird statt-
finden, wenn die Höhenlage des Kohlensacks eine solche ist, dass von
hier aus abwärts die mit der Vergasung der Brennstoffe und Schmelzung
der Erze Hand in Hand gehende Verkleinerung des Rauminhaltes der
aufgegichteten Schmelzmaterialien beginnt.

Der Hochofen.

Durch dieses einfache Mittel wird noch ein anderer Vortheil er-
reicht.

Infolge der Reibung, welche die niederrückende Schmelzsäule an
den Wänden des Ofens erleidet, findet ein Voreilen der einzelnen
Stücke nach der Achse des Ofens hin statt; die Bewegung ist hier
rascher als an den Wänden und die einzelnen Stücke liegen dichter
auf einander. Besonders werden die specifisch schwereren Bestandtheile
der Schmelzsäule, also die Erze und Zuschläge, nach der Achse hin
drängen, während die Brennstoffe, je weiter nach unten, um so mehr
nach den Wänden des Ofens hingeschoben werden. Die Gase aber
werden infolge dieser ungleichmässigen Vertheilung der Bestandtheile
der Schmelzsäule denjenigen Weg wählen, wo sich ihnen die gering-
sten Widerstände entgegenstellen: sie werden das Bestreben haben, an
den Ofenwänden aufzusteigen, wo die Schmelzsäule am wenigsten dicht
liegt. Je stärker sie diesem Bestreben Folge geben können, desto mehr
werden die in der Mitte des Ofenquerschnittes sich anhäufenden Erze
ihrer Einwirkung entzogen werden, desto grössere Mengen unredu-
cirten Eisens werden in den Schmelzraum des Ofens gelangen und hier
durch festen Kohlenstoff reducirt werden müssen. Offenbar wird diesem
für die Brennstoffausnutzung im Hochofen nachtheiligen Bestreben der
Gase entgegen gewirkt werden, wenn man die Verbrennung, d. h. die
Entwicklung der Gase, auf einen engeren Querschnitt rings um die
Ofenachse her beschränkt und von hier aus den Ofen sich erweitern
lässt, so dass die Gase erst allmählich bei ihrem Aufsteigen nach dem
Umfange hin gelangen können.

Wollte man nun aber jene oberhalb der Formebene stattfindende
Erweiterung des Ofens bis zur Gicht hin sich fortsetzen lassen, so
würden andere Nachtheile dadurch entstehen. Die Gicht würde einen
sehr grossen Durchmesser erhalten und die gleichmässige Vertheilung
der aufzuschüttenden Schmelzmaterialien würde dadurch erschwert wer-
den; die schon erwähnte Reibung der letzteren an den Ofenwänden
aber würde durch die Trichterform des Ofenschachtes erheblich ver-
stärkt werden und die geschilderten nachtheiligen Einflüsse derselben
auf den Verlauf der Reduction würden in noch empfindlicherer Weise
hervortreten. Man begnügt sich daher, den Ofenschacht bis zu einem
Theile der ganzen Ofenhöhe sich erweitern zu lassen, von hier aus
nach der Gicht aber zur Innehaltung des normalen Gichtdurchmessers
allmählich wieder zu verengen.

Auf diese Weise entsteht die in Fig. 51 skizzirte Urform der Hoch-
öfen, welche schon vor Jahrhunderten auf Grund empirischer Versuche
eingeführt wurde und noch jetzt bei verschiedenen Hochöfen — z. B.
in den östreichischen Alpen für Weisseisendarstellung — in Anwendung
ist: zwei Kegel, welche mit ihren breiten Grundflächen an einander
stossen. Die Ebene a b, in welcher der Ofen seinen grössten Durch-
messer besitzt, heisst der Kohlensack.

Der gleichmässigste Niedergang der Schmelzmaterialien wird statt-
finden, wenn die Höhenlage des Kohlensacks eine solche ist, dass von
hier aus abwärts die mit der Vergasung der Brennstoffe und Schmelzung
der Erze Hand in Hand gehende Verkleinerung des Rauminhaltes der
aufgegichteten Schmelzmaterialien beginnt.

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[322/0368] Der Hochofen. Durch dieses einfache Mittel wird noch ein anderer Vortheil er- reicht. Infolge der Reibung, welche die niederrückende Schmelzsäule an den Wänden des Ofens erleidet, findet ein Voreilen der einzelnen Stücke nach der Achse des Ofens hin statt; die Bewegung ist hier rascher als an den Wänden und die einzelnen Stücke liegen dichter auf einander. Besonders werden die specifisch schwereren Bestandtheile der Schmelzsäule, also die Erze und Zuschläge, nach der Achse hin drängen, während die Brennstoffe, je weiter nach unten, um so mehr nach den Wänden des Ofens hingeschoben werden. Die Gase aber werden infolge dieser ungleichmässigen Vertheilung der Bestandtheile der Schmelzsäule denjenigen Weg wählen, wo sich ihnen die gering- sten Widerstände entgegenstellen: sie werden das Bestreben haben, an den Ofenwänden aufzusteigen, wo die Schmelzsäule am wenigsten dicht liegt. Je stärker sie diesem Bestreben Folge geben können, desto mehr werden die in der Mitte des Ofenquerschnittes sich anhäufenden Erze ihrer Einwirkung entzogen werden, desto grössere Mengen unredu- cirten Eisens werden in den Schmelzraum des Ofens gelangen und hier durch festen Kohlenstoff reducirt werden müssen. Offenbar wird diesem für die Brennstoffausnutzung im Hochofen nachtheiligen Bestreben der Gase entgegen gewirkt werden, wenn man die Verbrennung, d. h. die Entwicklung der Gase, auf einen engeren Querschnitt rings um die Ofenachse her beschränkt und von hier aus den Ofen sich erweitern lässt, so dass die Gase erst allmählich bei ihrem Aufsteigen nach dem Umfange hin gelangen können. Wollte man nun aber jene oberhalb der Formebene stattfindende Erweiterung des Ofens bis zur Gicht hin sich fortsetzen lassen, so würden andere Nachtheile dadurch entstehen. Die Gicht würde einen sehr grossen Durchmesser erhalten und die gleichmässige Vertheilung der aufzuschüttenden Schmelzmaterialien würde dadurch erschwert wer- den; die schon erwähnte Reibung der letzteren an den Ofenwänden aber würde durch die Trichterform des Ofenschachtes erheblich ver- stärkt werden und die geschilderten nachtheiligen Einflüsse derselben auf den Verlauf der Reduction würden in noch empfindlicherer Weise hervortreten. Man begnügt sich daher, den Ofenschacht bis zu einem Theile der ganzen Ofenhöhe sich erweitern zu lassen, von hier aus nach der Gicht aber zur Innehaltung des normalen Gichtdurchmessers allmählich wieder zu verengen. Auf diese Weise entsteht die in Fig. 51 skizzirte Urform der Hoch- öfen, welche schon vor Jahrhunderten auf Grund empirischer Versuche eingeführt wurde und noch jetzt bei verschiedenen Hochöfen — z. B. in den östreichischen Alpen für Weisseisendarstellung — in Anwendung ist: zwei Kegel, welche mit ihren breiten Grundflächen an einander stossen. Die Ebene a b, in welcher der Ofen seinen grössten Durch- messer besitzt, heisst der Kohlensack. Der gleichmässigste Niedergang der Schmelzmaterialien wird statt- finden, wenn die Höhenlage des Kohlensacks eine solche ist, dass von hier aus abwärts die mit der Vergasung der Brennstoffe und Schmelzung der Erze Hand in Hand gehende Verkleinerung des Rauminhaltes der aufgegichteten Schmelzmaterialien beginnt.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/368>, abgerufen am 28.11.2024.