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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Eisen und Schwefel.
Einflüsse des Schwefelgehaltes auf die Eigenschaften des Eisens.

Dass durch einen Schwefelgehalt der Sättigungsgrad des Eisens für
Kohle wie die Fähigkeit desselben, Kohlenstoff graphitisch auszuscheiden,
abgemindert werde, wurde bereits auf S. 233 erwähnt. Bei der Roh-
eisendarstellung befördert also ein Schwefelgehalt, sofern
er einigermaassen beträchtlich ist, die Entstehung kohlen-
stoffarmen weissen Eisens
. Hinsichtlich der Grösse des Gesammt-
kohlenstoffgehaltes wirkt mithin der Schwefel in demselben Sinne als
Silicium, hinsichtlich des Graphitgehaltes aber umgekehrt als dieses.
Schon wenige Zehntel Procent Schwefel im Roheisen genügen, diesen
Einfluss deutlich erkennen zu lassen.

Die Schmelztemperatur des Eisens sinkt durch Aufnahme von
Schwefel; geschmolzenes schwefelreiches Roheisen zeigt jedoch eine dick-
flüssige Beschaffenheit und besitzt die Eigenschaft, mit Löchern und
Blasen im Innern zu erstarren, die eine Folge von Gasbildung sind.
Aus dem Eisen selbst entweicht vermuthlich Schwefelkohlenstoff, bei
der Berührung desselben mit feuchten Körpern (Formsand) wird Schwefel-
wasserstoff entwickelt.

Die Festigkeit des Eisens in der Kälte wird durch einen Schwefel-
gehalt, welcher nicht erheblich über 0.1 Proc. hinausgeht, nicht merk-
lich beeinträchtigt. Manche Eisenhüttenleute glauben sogar eine Steige-
rung der Festigkeit gegossenen Eisens durch einen Schwefelgehalt be-
obachtet zu haben, und wie Akerman berichtet, giebt man dem zum
Geschützgusse bestimmten Roheisen von Finspong absichtlich 0.1 bis
0.15 Proc. Schwefel. Akerman fügt allerdings hinzu, dass die Ein-
wirkung des Schwefels hierbei möglicherweise die sei, die Aufnahme
eines allzu reichlichen Kohlenstoffgehaltes zu verhindern; denn ein sehr
festes Eisen darf keinen höheren Gehalt an gebundener Kohle als höch-
stens 1.8 Proc. besitzen.

Erhitzt man aber schmiedbares Eisen, welches eine gewisse Menge
Schwefel enthält, zu dunkler Rothgluth, so verliert es in dieser Tempe-
ratur seinen Zusammenhang, bekommt beim Schmieden (Walzen etc.)
Risse oder fällt gar in Brocken aus einander. Diese durch einen Schwefel-
gehalt hervorgerufene Eigenschaft des Eisens heisst Rothbruch und
das betreffende Eisen wird rothbrüchiges Eisen genannt.

Es ist klar, dass nicht allein die Verarbeitung schmiedbaren Eisens
durch den Rothbruch ausserordentlich erschwert wird, sondern dass
auch die Festigkeit des erkalteten, vorher in Rothgluth bearbeiteten
Eisens darunter leiden kann. Bei der Bearbeitung entstehen Querrisse
im Eisen, sogenannte unganze Stellen, welche nicht immer dem Auge
sofort erkennbar sind und später den Bruch herbeiführen.

Glücklicherweise ist dieser Einfluss des Schwefels nicht in allen
Temperaturen der nämliche. Am deutlichsten zeigt er sich, wie erwähnt,
in dunkler Rothgluth, in heller Rothgluth ist er geringer. Manche Eisen-
sorten, welche in dunkler Rothgluth kaum bearbeitbar sein und nur
unganze Schmiedestücke geben würden, lassen sich demnach zu brauch-
baren Erzeugnissen verarbeiten, wenn man die Vorsicht gebraucht,
die Bearbeitung in höherer Temperatur -- heller Rothgluth -- vor-
zunehmen und zu vollenden. Bei sehr beträchtlichem Schwefelgehalte

Eisen und Schwefel.
Einflüsse des Schwefelgehaltes auf die Eigenschaften des Eisens.

Dass durch einen Schwefelgehalt der Sättigungsgrad des Eisens für
Kohle wie die Fähigkeit desselben, Kohlenstoff graphitisch auszuscheiden,
abgemindert werde, wurde bereits auf S. 233 erwähnt. Bei der Roh-
eisendarstellung befördert also ein Schwefelgehalt, sofern
er einigermaassen beträchtlich ist, die Entstehung kohlen-
stoffarmen weissen Eisens
. Hinsichtlich der Grösse des Gesammt-
kohlenstoffgehaltes wirkt mithin der Schwefel in demselben Sinne als
Silicium, hinsichtlich des Graphitgehaltes aber umgekehrt als dieses.
Schon wenige Zehntel Procent Schwefel im Roheisen genügen, diesen
Einfluss deutlich erkennen zu lassen.

Die Schmelztemperatur des Eisens sinkt durch Aufnahme von
Schwefel; geschmolzenes schwefelreiches Roheisen zeigt jedoch eine dick-
flüssige Beschaffenheit und besitzt die Eigenschaft, mit Löchern und
Blasen im Innern zu erstarren, die eine Folge von Gasbildung sind.
Aus dem Eisen selbst entweicht vermuthlich Schwefelkohlenstoff, bei
der Berührung desselben mit feuchten Körpern (Formsand) wird Schwefel-
wasserstoff entwickelt.

Die Festigkeit des Eisens in der Kälte wird durch einen Schwefel-
gehalt, welcher nicht erheblich über 0.1 Proc. hinausgeht, nicht merk-
lich beeinträchtigt. Manche Eisenhüttenleute glauben sogar eine Steige-
rung der Festigkeit gegossenen Eisens durch einen Schwefelgehalt be-
obachtet zu haben, und wie Akerman berichtet, giebt man dem zum
Geschützgusse bestimmten Roheisen von Finspong absichtlich 0.1 bis
0.15 Proc. Schwefel. Åkerman fügt allerdings hinzu, dass die Ein-
wirkung des Schwefels hierbei möglicherweise die sei, die Aufnahme
eines allzu reichlichen Kohlenstoffgehaltes zu verhindern; denn ein sehr
festes Eisen darf keinen höheren Gehalt an gebundener Kohle als höch-
stens 1.8 Proc. besitzen.

Erhitzt man aber schmiedbares Eisen, welches eine gewisse Menge
Schwefel enthält, zu dunkler Rothgluth, so verliert es in dieser Tempe-
ratur seinen Zusammenhang, bekommt beim Schmieden (Walzen etc.)
Risse oder fällt gar in Brocken aus einander. Diese durch einen Schwefel-
gehalt hervorgerufene Eigenschaft des Eisens heisst Rothbruch und
das betreffende Eisen wird rothbrüchiges Eisen genannt.

Es ist klar, dass nicht allein die Verarbeitung schmiedbaren Eisens
durch den Rothbruch ausserordentlich erschwert wird, sondern dass
auch die Festigkeit des erkalteten, vorher in Rothgluth bearbeiteten
Eisens darunter leiden kann. Bei der Bearbeitung entstehen Querrisse
im Eisen, sogenannte unganze Stellen, welche nicht immer dem Auge
sofort erkennbar sind und später den Bruch herbeiführen.

Glücklicherweise ist dieser Einfluss des Schwefels nicht in allen
Temperaturen der nämliche. Am deutlichsten zeigt er sich, wie erwähnt,
in dunkler Rothgluth, in heller Rothgluth ist er geringer. Manche Eisen-
sorten, welche in dunkler Rothgluth kaum bearbeitbar sein und nur
unganze Schmiedestücke geben würden, lassen sich demnach zu brauch-
baren Erzeugnissen verarbeiten, wenn man die Vorsicht gebraucht,
die Bearbeitung in höherer Temperatur — heller Rothgluth — vor-
zunehmen und zu vollenden. Bei sehr beträchtlichem Schwefelgehalte

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[251/0297] Eisen und Schwefel. Einflüsse des Schwefelgehaltes auf die Eigenschaften des Eisens. Dass durch einen Schwefelgehalt der Sättigungsgrad des Eisens für Kohle wie die Fähigkeit desselben, Kohlenstoff graphitisch auszuscheiden, abgemindert werde, wurde bereits auf S. 233 erwähnt. Bei der Roh- eisendarstellung befördert also ein Schwefelgehalt, sofern er einigermaassen beträchtlich ist, die Entstehung kohlen- stoffarmen weissen Eisens. Hinsichtlich der Grösse des Gesammt- kohlenstoffgehaltes wirkt mithin der Schwefel in demselben Sinne als Silicium, hinsichtlich des Graphitgehaltes aber umgekehrt als dieses. Schon wenige Zehntel Procent Schwefel im Roheisen genügen, diesen Einfluss deutlich erkennen zu lassen. Die Schmelztemperatur des Eisens sinkt durch Aufnahme von Schwefel; geschmolzenes schwefelreiches Roheisen zeigt jedoch eine dick- flüssige Beschaffenheit und besitzt die Eigenschaft, mit Löchern und Blasen im Innern zu erstarren, die eine Folge von Gasbildung sind. Aus dem Eisen selbst entweicht vermuthlich Schwefelkohlenstoff, bei der Berührung desselben mit feuchten Körpern (Formsand) wird Schwefel- wasserstoff entwickelt. Die Festigkeit des Eisens in der Kälte wird durch einen Schwefel- gehalt, welcher nicht erheblich über 0.1 Proc. hinausgeht, nicht merk- lich beeinträchtigt. Manche Eisenhüttenleute glauben sogar eine Steige- rung der Festigkeit gegossenen Eisens durch einen Schwefelgehalt be- obachtet zu haben, und wie Akerman berichtet, giebt man dem zum Geschützgusse bestimmten Roheisen von Finspong absichtlich 0.1 bis 0.15 Proc. Schwefel. Åkerman fügt allerdings hinzu, dass die Ein- wirkung des Schwefels hierbei möglicherweise die sei, die Aufnahme eines allzu reichlichen Kohlenstoffgehaltes zu verhindern; denn ein sehr festes Eisen darf keinen höheren Gehalt an gebundener Kohle als höch- stens 1.8 Proc. besitzen. Erhitzt man aber schmiedbares Eisen, welches eine gewisse Menge Schwefel enthält, zu dunkler Rothgluth, so verliert es in dieser Tempe- ratur seinen Zusammenhang, bekommt beim Schmieden (Walzen etc.) Risse oder fällt gar in Brocken aus einander. Diese durch einen Schwefel- gehalt hervorgerufene Eigenschaft des Eisens heisst Rothbruch und das betreffende Eisen wird rothbrüchiges Eisen genannt. Es ist klar, dass nicht allein die Verarbeitung schmiedbaren Eisens durch den Rothbruch ausserordentlich erschwert wird, sondern dass auch die Festigkeit des erkalteten, vorher in Rothgluth bearbeiteten Eisens darunter leiden kann. Bei der Bearbeitung entstehen Querrisse im Eisen, sogenannte unganze Stellen, welche nicht immer dem Auge sofort erkennbar sind und später den Bruch herbeiführen. Glücklicherweise ist dieser Einfluss des Schwefels nicht in allen Temperaturen der nämliche. Am deutlichsten zeigt er sich, wie erwähnt, in dunkler Rothgluth, in heller Rothgluth ist er geringer. Manche Eisen- sorten, welche in dunkler Rothgluth kaum bearbeitbar sein und nur unganze Schmiedestücke geben würden, lassen sich demnach zu brauch- baren Erzeugnissen verarbeiten, wenn man die Vorsicht gebraucht, die Bearbeitung in höherer Temperatur — heller Rothgluth — vor- zunehmen und zu vollenden. Bei sehr beträchtlichem Schwefelgehalte

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/297>, abgerufen am 23.11.2024.