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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Siebentes Fragment.
Vermischte leidenschaftliche Charakter.
A. Ein männlicher Kopf, emporsehend.
Des IV Ban-
des XXXVIII
Tafel. Nach
Raphael. I.

Vermuthlich Joseph in dem Momente: wie sollte ich ein solch Uebel thun, und
wider Gott sündigen?
Kampf und Sieg scheint mir in diesem Gesichte gleich
sichtbar. Dieß Gesicht ist reizend und reizbar. Aber es hat gesunden Sinn für Wahr-
heit, Recht, Ordnung, und -- Religion! Es stemmt sich an den unsichtbaren Zeugen
empor. Es will und kann. Der Mund kämpft; das Auge siegt. Jm Munde scheint angehauch-
ter Hauch der Wollust zu athmen, oder vielmehr den reinen Lippen zu entfliehen -- scheint von dem
Drange der Religion verfolgt und verschlungen zu werden. Der Bogen des Augenliedes ist wie die
Stirne groß und Stärkereich! Es kann siegen durch Kraft, ins Unsichtbare hinaufzublicken.
Schmachten nach Sieg, nach Gottes Zeugen- und Lohnersblick -- das sich loswindet aus dem
schnell angehauchten Schmachten nach sinnlicher Lust -- scheint den Hauptcharakter dieses Gesichtes
auszumachen. Und des nachstehenden weniger Hoffnung, als Sehnsucht. Sehnsucht schwacher,
aber trugloser Redlichkeit, die nicht beobachtet, aber sieht; nicht nimmt, aber empfängt -- Worte
des Lebens.

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B. Ein
E e e 2
Siebentes Fragment.
Vermiſchte leidenſchaftliche Charakter.
A. Ein maͤnnlicher Kopf, emporſehend.
Des IV Ban-
des XXXVIII
Tafel. Nach
Raphael. I.

Vermuthlich Joſeph in dem Momente: wie ſollte ich ein ſolch Uebel thun, und
wider Gott ſuͤndigen?
Kampf und Sieg ſcheint mir in dieſem Geſichte gleich
ſichtbar. Dieß Geſicht iſt reizend und reizbar. Aber es hat geſunden Sinn fuͤr Wahr-
heit, Recht, Ordnung, und — Religion! Es ſtemmt ſich an den unſichtbaren Zeugen
empor. Es will und kann. Der Mund kaͤmpft; das Auge ſiegt. Jm Munde ſcheint angehauch-
ter Hauch der Wolluſt zu athmen, oder vielmehr den reinen Lippen zu entfliehen — ſcheint von dem
Drange der Religion verfolgt und verſchlungen zu werden. Der Bogen des Augenliedes iſt wie die
Stirne groß und Staͤrkereich! Es kann ſiegen durch Kraft, ins Unſichtbare hinaufzublicken.
Schmachten nach Sieg, nach Gottes Zeugen- und Lohnersblick — das ſich loswindet aus dem
ſchnell angehauchten Schmachten nach ſinnlicher Luſt — ſcheint den Hauptcharakter dieſes Geſichtes
auszumachen. Und des nachſtehenden weniger Hoffnung, als Sehnſucht. Sehnſucht ſchwacher,
aber trugloſer Redlichkeit, die nicht beobachtet, aber ſieht; nicht nimmt, aber empfaͤngt — Worte
des Lebens.

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[403/0495] Siebentes Fragment. Vermiſchte leidenſchaftliche Charakter. A. Ein maͤnnlicher Kopf, emporſehend. Vermuthlich Joſeph in dem Momente: wie ſollte ich ein ſolch Uebel thun, und wider Gott ſuͤndigen? Kampf und Sieg ſcheint mir in dieſem Geſichte gleich ſichtbar. Dieß Geſicht iſt reizend und reizbar. Aber es hat geſunden Sinn fuͤr Wahr- heit, Recht, Ordnung, und — Religion! Es ſtemmt ſich an den unſichtbaren Zeugen empor. Es will und kann. Der Mund kaͤmpft; das Auge ſiegt. Jm Munde ſcheint angehauch- ter Hauch der Wolluſt zu athmen, oder vielmehr den reinen Lippen zu entfliehen — ſcheint von dem Drange der Religion verfolgt und verſchlungen zu werden. Der Bogen des Augenliedes iſt wie die Stirne groß und Staͤrkereich! Es kann ſiegen durch Kraft, ins Unſichtbare hinaufzublicken. Schmachten nach Sieg, nach Gottes Zeugen- und Lohnersblick — das ſich loswindet aus dem ſchnell angehauchten Schmachten nach ſinnlicher Luſt — ſcheint den Hauptcharakter dieſes Geſichtes auszumachen. Und des nachſtehenden weniger Hoffnung, als Sehnſucht. Sehnſucht ſchwacher, aber trugloſer Redlichkeit, die nicht beobachtet, aber ſieht; nicht nimmt, aber empfaͤngt — Worte des Lebens. [Abbildung] B. Ein E e e 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/495>, abgerufen am 22.11.2024.