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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Von den Temperamenten.
Zweytes Fragment.
Einige Beylagen zur physiognomischen Charakteristik der ge-
wöhnlichen vier Temperamente.
A. Choleriker, Phlegmatiker.

Hier ein Choleriker und Phlegmatiker, von vorne und im Profil anzusehen.

Des IV Ban-
des XXIV Ta-
fel. Choleriker,
Phlegmatiker.

Wieder ein Beweis unsers Satzes, die Temperamente sind auch ohne Farbe, oh-
ne Leben, ohne Blick sogar -- so wenig wir die Bedeutsamkeit des Blickes verwerfen
oder ausschließen wollen, durch bloße Umrisse erkennbar.

Was in dem Gesichte des Cholerikers eckigt ist, ist cholerisch; was fleischig rund ist, im
Phlegmatiker phlegmatisch.

Die Nasenspitze im Profile des Charakters ist für die sehr cholerische Unterlippe zu phlegma-
tisch. Das Auge im Profile des Phlegmatikers, als eines solchen, zu cholerisch.

Die Augenbraunen des Cholerikers, als Cholerikers, hätten stärker, und die Stirne nicht so
zart und feineckigt seyn sollen. Das Vollgesicht des Cholerikers ist überhaupt viel zärter, als das
Profil, und für den Choleriker zu zart. Der Mund ist beynahe ganz sanguinisch. Das Auge ist am
wenigsten für die Cholera ausschließend charakteristisch.

Charakter
[Spaltenumbruch] "Bey melancholischen oder saturninischen, die
"schwer, finster alles eher auf der trübesten Seite anse-
"hen, die Begierde zur tiefsten Sicherheit oder Festig-
"keit und Gründlichkeit; daher die tiefste Anziehungs-
"Eindrückungs- und Festhaltungskraft, unter allem,
"wovon die Erde in ihrem Elemente das stärkste Bild
"ist. Reizbarkeit zu dicht allbefestigender Aus-
"breitung.

"Licht, Salz und Erde und die ihnen ähnlichsten
"Seelenkräfte herrschen mehr bey dem männlichen Ge-
"schlechte. Luft, Wasser und Fettigkeit und ihnen
"antwortende Gemüthskräfte mehr bey dem weiblichen.
[Spaltenumbruch] "Feuer nach eines jeden Art bey beyden vertheilt; bey
"Männern natürlich mehr scharf, blitzgleich, herb an-
"greifend, festglühend; bey Frauenzimmern natürlich
"sanft, mehr öligt, erwärmend -- und entflammend!
"Ecce ex adversis undique temperies."
Jch will nichts zu diesen, wie mich deucht, äußerst
wichtigen und feinen Gedanken eines alten Cosmopo-
liten,
wie er sich in dem mir zugesandten Manuscripte
nennt, hinzu thun. Jch hoffe, daß nachdenkende Le-
ser mit diesem Blatte, als Stoff zum Nachdenken we-
nigstens, zufrieden seyn werden.
Von den Temperamenten.
Zweytes Fragment.
Einige Beylagen zur phyſiognomiſchen Charakteriſtik der ge-
woͤhnlichen vier Temperamente.
A. Choleriker, Phlegmatiker.

Hier ein Choleriker und Phlegmatiker, von vorne und im Profil anzuſehen.

Des IV Ban-
des XXIV Ta-
fel. Choleriker,
Phlegmatiker.

Wieder ein Beweis unſers Satzes, die Temperamente ſind auch ohne Farbe, oh-
ne Leben, ohne Blick ſogar — ſo wenig wir die Bedeutſamkeit des Blickes verwerfen
oder ausſchließen wollen, durch bloße Umriſſe erkennbar.

Was in dem Geſichte des Cholerikers eckigt iſt, iſt choleriſch; was fleiſchig rund iſt, im
Phlegmatiker phlegmatiſch.

Die Naſenſpitze im Profile des Charakters iſt fuͤr die ſehr choleriſche Unterlippe zu phlegma-
tiſch. Das Auge im Profile des Phlegmatikers, als eines ſolchen, zu choleriſch.

Die Augenbraunen des Cholerikers, als Cholerikers, haͤtten ſtaͤrker, und die Stirne nicht ſo
zart und feineckigt ſeyn ſollen. Das Vollgeſicht des Cholerikers iſt uͤberhaupt viel zaͤrter, als das
Profil, und fuͤr den Choleriker zu zart. Der Mund iſt beynahe ganz ſanguiniſch. Das Auge iſt am
wenigſten fuͤr die Cholera ausſchließend charakteriſtiſch.

Charakter
[Spaltenumbruch] „Bey melancholiſchen oder ſaturniniſchen, die
„ſchwer, finſter alles eher auf der truͤbeſten Seite anſe-
„hen, die Begierde zur tiefſten Sicherheit oder Feſtig-
„keit und Gruͤndlichkeit; daher die tiefſte Anziehungs-
Eindruͤckungs- und Feſthaltungskraft, unter allem,
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„iſt. Reizbarkeit zu dicht allbefeſtigender Aus-
„breitung.

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„Seelenkraͤfte herrſchen mehr bey dem maͤnnlichen Ge-
„ſchlechte. Luft, Waſſer und Fettigkeit und ihnen
„antwortende Gemuͤthskraͤfte mehr bey dem weiblichen.
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Maͤnnern natuͤrlich mehr ſcharf, blitzgleich, herb an-
„greifend, feſtgluͤhend; bey Frauenzimmern natuͤrlich
„ſanft, mehr oͤligt, erwaͤrmend — und entflammend!
Ecce ex adverſis undique temperies.
Jch will nichts zu dieſen, wie mich deucht, aͤußerſt
wichtigen und feinen Gedanken eines alten Cosmopo-
liten,
wie er ſich in dem mir zugeſandten Manuſcripte
nennt, hinzu thun. Jch hoffe, daß nachdenkende Le-
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[351/0415] Von den Temperamenten. Zweytes Fragment. Einige Beylagen zur phyſiognomiſchen Charakteriſtik der ge- woͤhnlichen vier Temperamente. A. Choleriker, Phlegmatiker. Hier ein Choleriker und Phlegmatiker, von vorne und im Profil anzuſehen. Wieder ein Beweis unſers Satzes, die Temperamente ſind auch ohne Farbe, oh- ne Leben, ohne Blick ſogar — ſo wenig wir die Bedeutſamkeit des Blickes verwerfen oder ausſchließen wollen, durch bloße Umriſſe erkennbar. Was in dem Geſichte des Cholerikers eckigt iſt, iſt choleriſch; was fleiſchig rund iſt, im Phlegmatiker phlegmatiſch. Die Naſenſpitze im Profile des Charakters iſt fuͤr die ſehr choleriſche Unterlippe zu phlegma- tiſch. Das Auge im Profile des Phlegmatikers, als eines ſolchen, zu choleriſch. Die Augenbraunen des Cholerikers, als Cholerikers, haͤtten ſtaͤrker, und die Stirne nicht ſo zart und feineckigt ſeyn ſollen. Das Vollgeſicht des Cholerikers iſt uͤberhaupt viel zaͤrter, als das Profil, und fuͤr den Choleriker zu zart. Der Mund iſt beynahe ganz ſanguiniſch. Das Auge iſt am wenigſten fuͤr die Cholera ausſchließend charakteriſtiſch. Charakter „Bey melancholiſchen oder ſaturniniſchen, die „ſchwer, finſter alles eher auf der truͤbeſten Seite anſe- „hen, die Begierde zur tiefſten Sicherheit oder Feſtig- „keit und Gruͤndlichkeit; daher die tiefſte Anziehungs- „Eindruͤckungs- und Feſthaltungskraft, unter allem, „wovon die Erde in ihrem Elemente das ſtaͤrkſte Bild „iſt. Reizbarkeit zu dicht allbefeſtigender Aus- „breitung. „Licht, Salz und Erde und die ihnen aͤhnlichſten „Seelenkraͤfte herrſchen mehr bey dem maͤnnlichen Ge- „ſchlechte. Luft, Waſſer und Fettigkeit und ihnen „antwortende Gemuͤthskraͤfte mehr bey dem weiblichen. „Feuer nach eines jeden Art bey beyden vertheilt; bey „Maͤnnern natuͤrlich mehr ſcharf, blitzgleich, herb an- „greifend, feſtgluͤhend; bey Frauenzimmern natuͤrlich „ſanft, mehr oͤligt, erwaͤrmend — und entflammend! „Ecce ex adverſis undique temperies.“ Jch will nichts zu dieſen, wie mich deucht, aͤußerſt wichtigen und feinen Gedanken eines alten Cosmopo- liten, wie er ſich in dem mir zugeſandten Manuſcripte nennt, hinzu thun. Jch hoffe, daß nachdenkende Le- ſer mit dieſem Blatte, als Stoff zum Nachdenken we- nigſtens, zufrieden ſeyn werden.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/415>, abgerufen am 24.11.2024.