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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Beylagen. A. Franzosen.

f) Hier noch ein edles, feines, geniereiches, obgleich nicht zum besten gezeichnetes Gesicht ei-
nes französischen Schweizers. Nichts von dem Luftigen des französischen Nationalcharakters; nicht
das Kaltsteife des Engländers; nicht das Mannichfaltige des Deutschen; nicht das Tiefkluge des
Jtaliäners -- Jn dem, obgleich nicht bestimmt genug gezeichneten, Munde, ist viele Weisheit und
Beredsamkeit. Stirn und Nase sind nicht charakteristisch genug. Das Ganze hat durch die Kraft-
losigkeit der Augen -- (durch Schuld des Zeichners) viel von der Anmuth und dem Geiste verloren,
die auch noch in dieser vierten Copie mit Sicherheit vermuthet werden können.

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B. Jta-
Diese Nase -- nicht fürwitzig forschend -- aber
still ausholend. Dieser etwas gepreßte, gleichsam be-
schnittene Mund -- dieß stumpfe Kinn -- die plan-
machende Bedächtlichkeit im mittelmäßigen Felde ist
[Spaltenumbruch] sichtbar drinn! Aber wo Wärme? wo Liebe? -- Und doch
kann in dieser Form gewiß -- Liebe, treue Liebe wohnen,
aber nicht tiefe Zärtlichkeit -- so wenig als hochwilde,
zerstörende Wut der Leidenschaft.
O o 3
Beylagen. A. Franzoſen.

f) Hier noch ein edles, feines, geniereiches, obgleich nicht zum beſten gezeichnetes Geſicht ei-
nes franzoͤſiſchen Schweizers. Nichts von dem Luftigen des franzoͤſiſchen Nationalcharakters; nicht
das Kaltſteife des Englaͤnders; nicht das Mannichfaltige des Deutſchen; nicht das Tiefkluge des
Jtaliaͤners — Jn dem, obgleich nicht beſtimmt genug gezeichneten, Munde, iſt viele Weisheit und
Beredſamkeit. Stirn und Naſe ſind nicht charakteriſtiſch genug. Das Ganze hat durch die Kraft-
loſigkeit der Augen — (durch Schuld des Zeichners) viel von der Anmuth und dem Geiſte verloren,
die auch noch in dieſer vierten Copie mit Sicherheit vermuthet werden koͤnnen.

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B. Jta-
Dieſe Naſe — nicht fuͤrwitzig forſchend — aber
ſtill ausholend. Dieſer etwas gepreßte, gleichſam be-
ſchnittene Mund — dieß ſtumpfe Kinn — die plan-
machende Bedaͤchtlichkeit im mittelmaͤßigen Felde iſt
[Spaltenumbruch] ſichtbar drinn! Aber wo Waͤrme? wo Liebe? — Und doch
kann in dieſer Form gewiß — Liebe, treue Liebe wohnen,
aber nicht tiefe Zaͤrtlichkeit — ſo wenig als hochwilde,
zerſtoͤrende Wut der Leidenſchaft.
O o 3
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[293/0337] Beylagen. A. Franzoſen. f) Hier noch ein edles, feines, geniereiches, obgleich nicht zum beſten gezeichnetes Geſicht ei- nes franzoͤſiſchen Schweizers. Nichts von dem Luftigen des franzoͤſiſchen Nationalcharakters; nicht das Kaltſteife des Englaͤnders; nicht das Mannichfaltige des Deutſchen; nicht das Tiefkluge des Jtaliaͤners — Jn dem, obgleich nicht beſtimmt genug gezeichneten, Munde, iſt viele Weisheit und Beredſamkeit. Stirn und Naſe ſind nicht charakteriſtiſch genug. Das Ganze hat durch die Kraft- loſigkeit der Augen — (durch Schuld des Zeichners) viel von der Anmuth und dem Geiſte verloren, die auch noch in dieſer vierten Copie mit Sicherheit vermuthet werden koͤnnen. [Abbildung] B. Jta- 1) 1) Dieſe Naſe — nicht fuͤrwitzig forſchend — aber ſtill ausholend. Dieſer etwas gepreßte, gleichſam be- ſchnittene Mund — dieß ſtumpfe Kinn — die plan- machende Bedaͤchtlichkeit im mittelmaͤßigen Felde iſt ſichtbar drinn! Aber wo Waͤrme? wo Liebe? — Und doch kann in dieſer Form gewiß — Liebe, treue Liebe wohnen, aber nicht tiefe Zaͤrtlichkeit — ſo wenig als hochwilde, zerſtoͤrende Wut der Leidenſchaft. O o 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/337>, abgerufen am 24.11.2024.