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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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IV. Abschnitt. II. Fragment.

Jch lege noch einige unausgesuchte Grundlinien vor; ob vielleicht ein mathematischer Kopf
erweckt werden möchte, die Verhältnisse der Stirnumrisse durch Tangenten und Triangel aufzusu-
chen -- und wenn das nicht geschieht -- ob es gleich gewiß bald geschehen wird -- daß wenigstens
auch dem unmathematischen Leser -- die Verschiedenheit und Meßbarkeit der menschlichen Stirnen
einleuchtend und gewiß werde. Eine unzählige Menge von Rissen ist freylich nöthig, um allgemei-
ne Regeln auszufinden.

[Abbildung]

Unter den vier Stirnen dieses Blattes ist gewiß N weitaus die verständigste, die stärkste,
sich über alle Vorurtheile schwacher und starker Menschen hinauszusetzen, und dennoch von der scheue-
sten Unberedsamkeit. Sie wird wenig schaffen; aber über alles geschaffene richtig urtheilen -- und
nur das Beste wählen und schnell wählen.

R b ist nicht so verständig, als F, und kann's nie werden. Sie ist von einem Manne über
40. und die vorüberstehende N von einem Jünglinge von 20 Jahren. -- Man betrachte die erstaun-
liche Verschiedenheit! Des Jünglings ist über 6. Zoll, des Mannes nicht 5. Zoll im Diameter.

[Abbildung]

Die Stirn F hat sehr viel Verstand, ohne Geschmack und Biegsamkeit. Stillen, einfachen
Charakters -- eher finster als heiter. G ist ein Gemisch von weibischem und heftigem Wesen.

Beyde
IV. Abſchnitt. II. Fragment.

Jch lege noch einige unausgeſuchte Grundlinien vor; ob vielleicht ein mathematiſcher Kopf
erweckt werden moͤchte, die Verhaͤltniſſe der Stirnumriſſe durch Tangenten und Triangel aufzuſu-
chen — und wenn das nicht geſchieht — ob es gleich gewiß bald geſchehen wird — daß wenigſtens
auch dem unmathematiſchen Leſer — die Verſchiedenheit und Meßbarkeit der menſchlichen Stirnen
einleuchtend und gewiß werde. Eine unzaͤhlige Menge von Riſſen iſt freylich noͤthig, um allgemei-
ne Regeln auszufinden.

[Abbildung]

Unter den vier Stirnen dieſes Blattes iſt gewiß N weitaus die verſtaͤndigſte, die ſtaͤrkſte,
ſich uͤber alle Vorurtheile ſchwacher und ſtarker Menſchen hinauszuſetzen, und dennoch von der ſcheue-
ſten Unberedſamkeit. Sie wird wenig ſchaffen; aber uͤber alles geſchaffene richtig urtheilen — und
nur das Beſte waͤhlen und ſchnell waͤhlen.

R b iſt nicht ſo verſtaͤndig, als F, und kann’s nie werden. Sie iſt von einem Manne uͤber
40. und die voruͤberſtehende N von einem Juͤnglinge von 20 Jahren. — Man betrachte die erſtaun-
liche Verſchiedenheit! Des Juͤnglings iſt uͤber 6. Zoll, des Mannes nicht 5. Zoll im Diameter.

[Abbildung]

Die Stirn F hat ſehr viel Verſtand, ohne Geſchmack und Biegſamkeit. Stillen, einfachen
Charakters — eher finſter als heiter. G iſt ein Gemiſch von weibiſchem und heftigem Weſen.

Beyde
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[242/0276] IV. Abſchnitt. II. Fragment. Jch lege noch einige unausgeſuchte Grundlinien vor; ob vielleicht ein mathematiſcher Kopf erweckt werden moͤchte, die Verhaͤltniſſe der Stirnumriſſe durch Tangenten und Triangel aufzuſu- chen — und wenn das nicht geſchieht — ob es gleich gewiß bald geſchehen wird — daß wenigſtens auch dem unmathematiſchen Leſer — die Verſchiedenheit und Meßbarkeit der menſchlichen Stirnen einleuchtend und gewiß werde. Eine unzaͤhlige Menge von Riſſen iſt freylich noͤthig, um allgemei- ne Regeln auszufinden. [Abbildung] Unter den vier Stirnen dieſes Blattes iſt gewiß N weitaus die verſtaͤndigſte, die ſtaͤrkſte, ſich uͤber alle Vorurtheile ſchwacher und ſtarker Menſchen hinauszuſetzen, und dennoch von der ſcheue- ſten Unberedſamkeit. Sie wird wenig ſchaffen; aber uͤber alles geſchaffene richtig urtheilen — und nur das Beſte waͤhlen und ſchnell waͤhlen. R b iſt nicht ſo verſtaͤndig, als F, und kann’s nie werden. Sie iſt von einem Manne uͤber 40. und die voruͤberſtehende N von einem Juͤnglinge von 20 Jahren. — Man betrachte die erſtaun- liche Verſchiedenheit! Des Juͤnglings iſt uͤber 6. Zoll, des Mannes nicht 5. Zoll im Diameter. [Abbildung] Die Stirn F hat ſehr viel Verſtand, ohne Geſchmack und Biegſamkeit. Stillen, einfachen Charakters — eher finſter als heiter. G iſt ein Gemiſch von weibiſchem und heftigem Weſen. Beyde

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/276>, abgerufen am 22.11.2024.