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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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II. Abschnitt II. Fragment.
Ein Mensch, schwanigten Halses -- und vornehmlich (was weit sicherer und bestimmbarer ist) mit
einem flach vorgebogenen Profile -- und blondem Haare -- wird auf dieselbe Weise empfindlich
und stolz seyn. --

Der Hirschhals hat im Baue seines Körpers sehr viel ähnliches mit dem Hirschen selbst;
der Hals ist schmal, lang, und in der Mitte kaum gebogen. Er trägt den Kopf aufwärts, wie 5.
auf der ersten Tafel. Jch habe keines gesehen. Sie werden zum Laufen und Jagen gebraucht,
wozu sie der Bau ihres Körpers vorzüglich geschickt macht.

Der Sauhals -- Man sehe seine Figur 3. auf der I. und II. Tafel, und 1. auf der III.
Tafel. Der Hals ist oben und unten gleich breit; der Kopf hängt dran herunter. Sein Profil
hat eine in der Mitte eingebogne Nase. Die Ohren sind lang, dick und herunterhängend; die Au-
gen klein und häßlich; die Nasenlöcher klein; das Maul grob; der ganze Kopf plump, mit langen,
rauhen Haaren bewachsen. Diese Pferde sind sehr ungelehrig, träg und boshaft. "Jch ritt,
schreibt mir mein Freund, "einen vierjährigen Wallach, braun von Farbe; ein Sauhals. Der
"Kopf war lang; die Nase eingebogen; die Nasenlöcher klein; das Maul plump; die Augen sehr
"klein und häßlich; die Ohren lang, dick und herunterhängend; der ganze Kopf mit groben, lan-
"gen Haaren bewachsen, ungelehrig, träg und äußerst boshaft. Wo es seinen Reuter an eine
"Mauer, einen Stein, oder Baum andrücken konnte, da that's es gewiß. Wenn man's zum Lau-
"fen anhielt, bäumte es sich in die Höhe, und suchte seinen Reuter abzuschütteln, oder sich umzu-
"werfen. Aller angewandten Mühe, Schläge und guter Worte ungeachtet, war es nach einer
"halbjährigen Uebung um nichts besser, sondern blieb halsstarrig und unbiegsam." Jch überlasse
es jedem, die Anwendung von dieser Bemerkung auf Menschengesichter zu machen.

Hier einige wahre Porträte von Pferden; -- von schlechten wohl viele, wenige von schö-
nen -- von ganz vortrefflichen keines.

Zween

II. Abſchnitt II. Fragment.
Ein Menſch, ſchwanigten Halſes — und vornehmlich (was weit ſicherer und beſtimmbarer iſt) mit
einem flach vorgebogenen Profile — und blondem Haare — wird auf dieſelbe Weiſe empfindlich
und ſtolz ſeyn. —

Der Hirſchhals hat im Baue ſeines Koͤrpers ſehr viel aͤhnliches mit dem Hirſchen ſelbſt;
der Hals iſt ſchmal, lang, und in der Mitte kaum gebogen. Er traͤgt den Kopf aufwaͤrts, wie 5.
auf der erſten Tafel. Jch habe keines geſehen. Sie werden zum Laufen und Jagen gebraucht,
wozu ſie der Bau ihres Koͤrpers vorzuͤglich geſchickt macht.

Der Sauhals — Man ſehe ſeine Figur 3. auf der I. und II. Tafel, und 1. auf der III.
Tafel. Der Hals iſt oben und unten gleich breit; der Kopf haͤngt dran herunter. Sein Profil
hat eine in der Mitte eingebogne Naſe. Die Ohren ſind lang, dick und herunterhaͤngend; die Au-
gen klein und haͤßlich; die Naſenloͤcher klein; das Maul grob; der ganze Kopf plump, mit langen,
rauhen Haaren bewachſen. Dieſe Pferde ſind ſehr ungelehrig, traͤg und boshaft. „Jch ritt,
ſchreibt mir mein Freund, „einen vierjaͤhrigen Wallach, braun von Farbe; ein Sauhals. Der
„Kopf war lang; die Naſe eingebogen; die Naſenloͤcher klein; das Maul plump; die Augen ſehr
„klein und haͤßlich; die Ohren lang, dick und herunterhaͤngend; der ganze Kopf mit groben, lan-
„gen Haaren bewachſen, ungelehrig, traͤg und aͤußerſt boshaft. Wo es ſeinen Reuter an eine
„Mauer, einen Stein, oder Baum andruͤcken konnte, da that’s es gewiß. Wenn man’s zum Lau-
„fen anhielt, baͤumte es ſich in die Hoͤhe, und ſuchte ſeinen Reuter abzuſchuͤtteln, oder ſich umzu-
„werfen. Aller angewandten Muͤhe, Schlaͤge und guter Worte ungeachtet, war es nach einer
„halbjaͤhrigen Uebung um nichts beſſer, ſondern blieb halsſtarrig und unbiegſam.“ Jch uͤberlaſſe
es jedem, die Anwendung von dieſer Bemerkung auf Menſchengeſichter zu machen.

Hier einige wahre Portraͤte von Pferden; — von ſchlechten wohl viele, wenige von ſchoͤ-
nen — von ganz vortrefflichen keines.

Zween
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[68/0096] II. Abſchnitt II. Fragment. Ein Menſch, ſchwanigten Halſes — und vornehmlich (was weit ſicherer und beſtimmbarer iſt) mit einem flach vorgebogenen Profile — und blondem Haare — wird auf dieſelbe Weiſe empfindlich und ſtolz ſeyn. — Der Hirſchhals hat im Baue ſeines Koͤrpers ſehr viel aͤhnliches mit dem Hirſchen ſelbſt; der Hals iſt ſchmal, lang, und in der Mitte kaum gebogen. Er traͤgt den Kopf aufwaͤrts, wie 5. auf der erſten Tafel. Jch habe keines geſehen. Sie werden zum Laufen und Jagen gebraucht, wozu ſie der Bau ihres Koͤrpers vorzuͤglich geſchickt macht. Der Sauhals — Man ſehe ſeine Figur 3. auf der I. und II. Tafel, und 1. auf der III. Tafel. Der Hals iſt oben und unten gleich breit; der Kopf haͤngt dran herunter. Sein Profil hat eine in der Mitte eingebogne Naſe. Die Ohren ſind lang, dick und herunterhaͤngend; die Au- gen klein und haͤßlich; die Naſenloͤcher klein; das Maul grob; der ganze Kopf plump, mit langen, rauhen Haaren bewachſen. Dieſe Pferde ſind ſehr ungelehrig, traͤg und boshaft. „Jch ritt, ſchreibt mir mein Freund, „einen vierjaͤhrigen Wallach, braun von Farbe; ein Sauhals. Der „Kopf war lang; die Naſe eingebogen; die Naſenloͤcher klein; das Maul plump; die Augen ſehr „klein und haͤßlich; die Ohren lang, dick und herunterhaͤngend; der ganze Kopf mit groben, lan- „gen Haaren bewachſen, ungelehrig, traͤg und aͤußerſt boshaft. Wo es ſeinen Reuter an eine „Mauer, einen Stein, oder Baum andruͤcken konnte, da that’s es gewiß. Wenn man’s zum Lau- „fen anhielt, baͤumte es ſich in die Hoͤhe, und ſuchte ſeinen Reuter abzuſchuͤtteln, oder ſich umzu- „werfen. Aller angewandten Muͤhe, Schlaͤge und guter Worte ungeachtet, war es nach einer „halbjaͤhrigen Uebung um nichts beſſer, ſondern blieb halsſtarrig und unbiegſam.“ Jch uͤberlaſſe es jedem, die Anwendung von dieſer Bemerkung auf Menſchengeſichter zu machen. Hier einige wahre Portraͤte von Pferden; — von ſchlechten wohl viele, wenige von ſchoͤ- nen — von ganz vortrefflichen keines. Zween

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/96>, abgerufen am 01.05.2024.