So wahr diese Nase nicht unähnlich ist, nicht unähnlich seyn kann, und so wahr Borro- mäus kein gemeiner unbedeutender Mann war -- So eine Nase wirst du nicht an einem einzi- gen gemeinen, unwürksamen, drang- und thatenlosen Menschen finden. Weniger religios -- und noch zehnmal kraftreicher, ständiger, erhabner, aber dann auch bis zur Furchtbarkeit und Erdrückung er- haben -- wäre diese Physiognomie, wenn die höchste Wölbung der Nase nicht beynah auf die Mit- te, sondern höher hinauf käme, oder, wenn vom höchsten Punkte dieser Wölbung die Linie des Um- risses beynah ohne Höhlung fortgienge -- welches aber bey dieser gebognen, zartgewölbten, scharf sich rundenden Stirne nicht möglich wäre -- Das Ohr will ich mir wohl merken. Diese schöne Bestimmtheit, diese schlanke Schweifung, diese Freyheit!
Auch ist sichtbar in diesem großen und herrlichen Gesichte das italiänische Nationale -- wie -- überdämmert mit der redlichsten, aber nicht lichthellesten Religion!
[Abbildung]
Zwölftes
L l 2
Religioſe.
So wahr dieſe Naſe nicht unaͤhnlich iſt, nicht unaͤhnlich ſeyn kann, und ſo wahr Borro- maͤus kein gemeiner unbedeutender Mann war — So eine Naſe wirſt du nicht an einem einzi- gen gemeinen, unwuͤrkſamen, drang- und thatenloſen Menſchen finden. Weniger religios — und noch zehnmal kraftreicher, ſtaͤndiger, erhabner, aber dann auch bis zur Furchtbarkeit und Erdruͤckung er- haben — waͤre dieſe Phyſiognomie, wenn die hoͤchſte Woͤlbung der Naſe nicht beynah auf die Mit- te, ſondern hoͤher hinauf kaͤme, oder, wenn vom hoͤchſten Punkte dieſer Woͤlbung die Linie des Um- riſſes beynah ohne Hoͤhlung fortgienge — welches aber bey dieſer gebognen, zartgewoͤlbten, ſcharf ſich rundenden Stirne nicht moͤglich waͤre — Das Ohr will ich mir wohl merken. Dieſe ſchoͤne Beſtimmtheit, dieſe ſchlanke Schweifung, dieſe Freyheit!
Auch iſt ſichtbar in dieſem großen und herrlichen Geſichte das italiaͤniſche Nationale — wie — uͤberdaͤmmert mit der redlichſten, aber nicht lichthelleſten Religion!
[Abbildung]
Zwoͤlftes
L l 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0433"n="267"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Religioſe.</hi></hi></fw><lb/><p>So wahr dieſe Naſe nicht unaͤhnlich iſt, nicht unaͤhnlich ſeyn kann, und ſo wahr <hirendition="#fr">Borro-<lb/>
maͤus</hi> kein gemeiner unbedeutender Mann war — So eine Naſe wirſt du nicht an einem einzi-<lb/>
gen gemeinen, unwuͤrkſamen, drang- und thatenloſen Menſchen finden. Weniger religios — und noch<lb/>
zehnmal kraftreicher, ſtaͤndiger, erhabner, aber dann auch bis zur Furchtbarkeit und Erdruͤckung er-<lb/>
haben — waͤre dieſe Phyſiognomie, wenn die hoͤchſte Woͤlbung der Naſe nicht beynah auf die Mit-<lb/>
te, ſondern hoͤher hinauf kaͤme, oder, wenn vom hoͤchſten Punkte dieſer Woͤlbung die Linie des Um-<lb/>
riſſes beynah ohne Hoͤhlung fortgienge — welches aber bey dieſer gebognen, zartgewoͤlbten, ſcharf<lb/>ſich rundenden Stirne nicht moͤglich waͤre — Das Ohr will ich mir wohl merken. Dieſe ſchoͤne<lb/>
Beſtimmtheit, dieſe ſchlanke Schweifung, dieſe Freyheit!</p><lb/><p>Auch iſt ſichtbar in dieſem großen und herrlichen Geſichte das italiaͤniſche <hirendition="#fr">Nationale</hi>—<lb/>
wie — uͤberdaͤmmert mit der redlichſten, aber nicht lichthelleſten Religion!</p><lb/><figure/></div><fwplace="bottom"type="sig">L l 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Zwoͤlftes</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[267/0433]
Religioſe.
So wahr dieſe Naſe nicht unaͤhnlich iſt, nicht unaͤhnlich ſeyn kann, und ſo wahr Borro-
maͤus kein gemeiner unbedeutender Mann war — So eine Naſe wirſt du nicht an einem einzi-
gen gemeinen, unwuͤrkſamen, drang- und thatenloſen Menſchen finden. Weniger religios — und noch
zehnmal kraftreicher, ſtaͤndiger, erhabner, aber dann auch bis zur Furchtbarkeit und Erdruͤckung er-
haben — waͤre dieſe Phyſiognomie, wenn die hoͤchſte Woͤlbung der Naſe nicht beynah auf die Mit-
te, ſondern hoͤher hinauf kaͤme, oder, wenn vom hoͤchſten Punkte dieſer Woͤlbung die Linie des Um-
riſſes beynah ohne Hoͤhlung fortgienge — welches aber bey dieſer gebognen, zartgewoͤlbten, ſcharf
ſich rundenden Stirne nicht moͤglich waͤre — Das Ohr will ich mir wohl merken. Dieſe ſchoͤne
Beſtimmtheit, dieſe ſchlanke Schweifung, dieſe Freyheit!
Auch iſt ſichtbar in dieſem großen und herrlichen Geſichte das italiaͤniſche Nationale —
wie — uͤberdaͤmmert mit der redlichſten, aber nicht lichthelleſten Religion!
[Abbildung]
Zwoͤlftes
L l 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/433>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.