Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.X. Abschnitt. I. Fragment. ist; das Unsichtbare! Nicht vergängliche Glückseligkeit, unvergängliche -- Siehe -- da ihreWelt; ihre Nahrung; ihre Liebe! Leser -- ich vergesse nicht, daß ich physiognomische Fragmente schreibe, zur Beförde- Religion -- Bedürfniß höherer Unsichtbarkeiten, und Glaube an solche; Reli- Religion ist also immer Glaube, oder Vergegenwärtigung unsichtbarer höherer Jn so fern also immer Würde, Hoheit der menschlichen Natur. Glaubensfähigkeit -- worauf
X. Abſchnitt. I. Fragment. iſt; das Unſichtbare! Nicht vergaͤngliche Gluͤckſeligkeit, unvergaͤngliche — Siehe — da ihreWelt; ihre Nahrung; ihre Liebe! Leſer — ich vergeſſe nicht, daß ich phyſiognomiſche Fragmente ſchreibe, zur Befoͤrde- Religion — Beduͤrfniß hoͤherer Unſichtbarkeiten, und Glaube an ſolche; Reli- Religion iſt alſo immer Glaube, oder Vergegenwaͤrtigung unſichtbarer hoͤherer Jn ſo fern alſo immer Wuͤrde, Hoheit der menſchlichen Natur. Glaubensfaͤhigkeit — worauf
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X. Abſchnitt. I. Fragment.
iſt; das Unſichtbare! Nicht vergaͤngliche Gluͤckſeligkeit, unvergaͤngliche — Siehe — da ihre
Welt; ihre Nahrung; ihre Liebe!
Leſer — ich vergeſſe nicht, daß ich phyſiognomiſche Fragmente ſchreibe, zur Befoͤrde-
rung der Menſchenkenntniß und Menſchenliebe. Was ich geſagt habe, und noch ſagen wer-
de — fuͤhrt uns genau zu dem Ziele, wohin wir zu kommen gedenken — alſo duldet meine ſchein-
bare Ausſchweifung ein wenig — und wie koͤnnt’s große Ausſchweifung ſeyn, wenn ich auch, ohne
beſondere Einlenkung auf die Phyſiognomik, bloß um des Anlaſſes willen auf dieſer herrlichen,
ausſichtreichen Hoͤhe gern mit euch verweile, das heißt: ein Paar Seiten mit — Betrachtungen
der Religion — ich will doch nicht hoffen — verderbe — nein, nur fuͤlle!
Religion — Beduͤrfniß hoͤherer Unſichtbarkeiten, und Glaube an ſolche; Reli-
gion, immer Sinn, Gefuͤhl, Genie fuͤrs Unſichtbare, Hoͤhere, Uebermenſchliche, Ueberirrdi-
ſche, Religion immer Glaube. Auch wenn ſie Aberglaube iſt. Auch wenn ſie Schwaͤrmerey
iſt — Aberglauben — Glauben an nicht exiſtirende Weſen — an nicht auf uns wuͤrken-
de Unſichtbarkeiten. Kranke Religion. Religion ohne Vernunft. Schwaͤrmerey — Glauben
an Taͤuſchungen, ſtatt Erfahrungen aus der unſichtbaren Welt. Religion ohne Erfahrung.
Aechte, wahre Religion .. Was? Glaube an wuͤrklich exiſtirende Unſichtbarkeiten, deren
Einfluß man ſinnlich erfahren hat, oder erfahren kann. Glaube an unſichtbare hoͤhere
Weſen, der ſo feſt iſt, wie der Glaube an uns ſelber, und ſo gewiß, wie unſere Exi-
ſtenz — weil er ſich auf Erfahrungen gruͤndet, die ſo wenig taͤuſchen konnten, als uns das Ge-
fuͤhl unſerer Exiſtenz taͤuſchen kann — das iſt — Religion, reine, geſunde Religion.
Religion iſt alſo immer Glaube, oder Vergegenwaͤrtigung unſichtbarer hoͤherer
Dinge, wie wenn ſie ſichtbar waͤren.
Jn ſo fern alſo immer Wuͤrde, Hoheit der menſchlichen Natur. Glaubensfaͤhigkeit —
an hoͤhere Unſichtbarkeiten. Wenn ich ungluͤcklich genug waͤre, keinen Gott zu glauben — dieſe
ſo uͤberthieriſche Faͤhigkeit der menſchlichen Natur muͤßte mir ehrwuͤrdig und heilig ſeyn; und muͤß-
te mich, wenn ich maͤnnlichen, feſten Trittes fortſchloͤſſe — zur allervernuͤnftigſten Ueberzeugung
fuͤhren — „Es muß eben um dieſer Glaubensfaͤhigkeit willen — eine unſichtbare Welt geben,
worauf
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