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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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Künstler.
Neuntes Fragment.
D. Deutsche Künstler. Zwölf Umrisse.
Des III. Ban-
des LV. Tafel.
D.

Hier eine Menge der merkwürdigsten deutschen Künstler zusammengereihet, um dem
wohl beobachtenden Leser das Charakteristische, theils der Künstlerey, theils der
Deutschheit der Kunst -- anschaulicher zu machen. Es sind Copieen von verschiedenen, meist
von den Künstlern selbst verfertigten Originalen -- Freylich nur Umrisse, und ins Kleine gebracht.

Erhabne Kunst -- Kunstgefühl, Gefühl fürs schönste, edelste der Natur hatten wenige
von diesen zwölfen -- am meisten hat es der zwölfte, Kneller, der aber mehr Engländer, als
Deutscher war. Er hat auch auf diesem Blatte weit aus die edelste Physiognomie, obgleich sie
weit unedler ist, als die im Originale, wovon sie genommen ist. --

Fleiß, Treue, Bemerkung, Pünktlichkeit in ungleichem Grade sind auffallende Eigen-
schaften dieser Gesichter.

Die allerdeutscheste Reihe ist 1, 2, 3, Schaupp, Ridinger, Blendinger.
4. Bodennehr hat erstaunlich viel gemein Künstlerisches.
5. Steinschneider Dorsch hat im Munde mehr Geschmack.
6. Rugendas -- dieser herrliche Pferd- und Schlachtenmahler hat wenigstens in seinen Au-
gen nichts von der Kühnheit seines Pinsels -- höchstens etwas im Mund und in der offnen, Fal-
tenlosen Stirne.
7. Kupezky hat wohl am meisten Deutschheit, Freyheit, Wahrheit. Unaussprechliche
Wahrheit hat dieß Gesicht -- doch haben's nicht alle seine Arbeiten. Seine Jdeale gar nicht. Aber
seine gemeine deutsche Naturen, mit denen er so ganz innig sympathisirte. Das Trutzige, Frey-
deutsche, gerade weg redende, wegwürkende -- ist vortrefflich auf diesem Gesichte ausgedrückt.
8. Gottfried Roth scheint wenig Fleiß und Reinlichkeit in seinem Gesicht und Charakter
zu haben.
9. Weigel, ein gerades, ordentliches, verständiges, treues, gesetztes Gesicht.
10. Er-
A a 2
Kuͤnſtler.
Neuntes Fragment.
D. Deutſche Kuͤnſtler. Zwoͤlf Umriſſe.
Des III. Ban-
des LV. Tafel.
D.

Hier eine Menge der merkwuͤrdigſten deutſchen Kuͤnſtler zuſammengereihet, um dem
wohl beobachtenden Leſer das Charakteriſtiſche, theils der Kuͤnſtlerey, theils der
Deutſchheit der Kunſt — anſchaulicher zu machen. Es ſind Copieen von verſchiedenen, meiſt
von den Kuͤnſtlern ſelbſt verfertigten Originalen — Freylich nur Umriſſe, und ins Kleine gebracht.

Erhabne Kunſt — Kunſtgefuͤhl, Gefuͤhl fuͤrs ſchoͤnſte, edelſte der Natur hatten wenige
von dieſen zwoͤlfen — am meiſten hat es der zwoͤlfte, Kneller, der aber mehr Englaͤnder, als
Deutſcher war. Er hat auch auf dieſem Blatte weit aus die edelſte Phyſiognomie, obgleich ſie
weit unedler iſt, als die im Originale, wovon ſie genommen iſt. —

Fleiß, Treue, Bemerkung, Puͤnktlichkeit in ungleichem Grade ſind auffallende Eigen-
ſchaften dieſer Geſichter.

Die allerdeutſcheſte Reihe iſt 1, 2, 3, Schaupp, Ridinger, Blendinger.
4. Bodennehr hat erſtaunlich viel gemein Kuͤnſtleriſches.
5. Steinſchneider Dorſch hat im Munde mehr Geſchmack.
6. Rugendas — dieſer herrliche Pferd- und Schlachtenmahler hat wenigſtens in ſeinen Au-
gen nichts von der Kuͤhnheit ſeines Pinſels — hoͤchſtens etwas im Mund und in der offnen, Fal-
tenloſen Stirne.
7. Kupezky hat wohl am meiſten Deutſchheit, Freyheit, Wahrheit. Unausſprechliche
Wahrheit hat dieß Geſicht — doch haben’s nicht alle ſeine Arbeiten. Seine Jdeale gar nicht. Aber
ſeine gemeine deutſche Naturen, mit denen er ſo ganz innig ſympathiſirte. Das Trutzige, Frey-
deutſche, gerade weg redende, wegwuͤrkende — iſt vortrefflich auf dieſem Geſichte ausgedruͤckt.
8. Gottfried Roth ſcheint wenig Fleiß und Reinlichkeit in ſeinem Geſicht und Charakter
zu haben.
9. Weigel, ein gerades, ordentliches, verſtaͤndiges, treues, geſetztes Geſicht.
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[187/0313] Kuͤnſtler. Neuntes Fragment. D. Deutſche Kuͤnſtler. Zwoͤlf Umriſſe. Hier eine Menge der merkwuͤrdigſten deutſchen Kuͤnſtler zuſammengereihet, um dem wohl beobachtenden Leſer das Charakteriſtiſche, theils der Kuͤnſtlerey, theils der Deutſchheit der Kunſt — anſchaulicher zu machen. Es ſind Copieen von verſchiedenen, meiſt von den Kuͤnſtlern ſelbſt verfertigten Originalen — Freylich nur Umriſſe, und ins Kleine gebracht. Erhabne Kunſt — Kunſtgefuͤhl, Gefuͤhl fuͤrs ſchoͤnſte, edelſte der Natur hatten wenige von dieſen zwoͤlfen — am meiſten hat es der zwoͤlfte, Kneller, der aber mehr Englaͤnder, als Deutſcher war. Er hat auch auf dieſem Blatte weit aus die edelſte Phyſiognomie, obgleich ſie weit unedler iſt, als die im Originale, wovon ſie genommen iſt. — Fleiß, Treue, Bemerkung, Puͤnktlichkeit in ungleichem Grade ſind auffallende Eigen- ſchaften dieſer Geſichter. Die allerdeutſcheſte Reihe iſt 1, 2, 3, Schaupp, Ridinger, Blendinger. 4. Bodennehr hat erſtaunlich viel gemein Kuͤnſtleriſches. 5. Steinſchneider Dorſch hat im Munde mehr Geſchmack. 6. Rugendas — dieſer herrliche Pferd- und Schlachtenmahler hat wenigſtens in ſeinen Au- gen nichts von der Kuͤhnheit ſeines Pinſels — hoͤchſtens etwas im Mund und in der offnen, Fal- tenloſen Stirne. 7. Kupezky hat wohl am meiſten Deutſchheit, Freyheit, Wahrheit. Unausſprechliche Wahrheit hat dieß Geſicht — doch haben’s nicht alle ſeine Arbeiten. Seine Jdeale gar nicht. Aber ſeine gemeine deutſche Naturen, mit denen er ſo ganz innig ſympathiſirte. Das Trutzige, Frey- deutſche, gerade weg redende, wegwuͤrkende — iſt vortrefflich auf dieſem Geſichte ausgedruͤckt. 8. Gottfried Roth ſcheint wenig Fleiß und Reinlichkeit in ſeinem Geſicht und Charakter zu haben. 9. Weigel, ein gerades, ordentliches, verſtaͤndiges, treues, geſetztes Geſicht. 10. Er- A a 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/313>, abgerufen am 22.11.2024.