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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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V. Abschnitt. III. Fragment.
Drittes Fragment.
M. b. Zwölf Mundstücke.
Des III. Ban-
des XXVI.
Tafel.

Von allen diesen zwölf Mundstücken nicht Eins, wie's seyn sollte; und ohn' alle
Nüancen von Muskeln und bedeutenden Falten -- und dennoch alle überhaupt we-
nigstens -- nicht ohne Bedeutung.

a) Voll Schmerzen ahndender, beynah weibischer Furcht einer sanften, edeln Seele.
b) Schmachten des bangen Schmerzes nach Trost und Erquickung -- von einem
nicht gemeinen Menschen. Sollt's von einem Christus seyn, elend -- vornehmlich weil die Ober-
lippe ohn' alle Schweifung, wie mit der Scheere geschnitten -- und die Unterlippe platt und
unbestimmt ist --
c) Kalter, staunender Schmerz eines kalten stillen Dulders.
d) Ein guter, dienstfertiger, Fähigkeitreicher, kalttreuer, gerader Mund.
e) Unverzeihlich schief gezeichnet die Oberlippe -- Sonst scheint's, aus der linken Hälfte
der Mittellinie zu schließen, von einem helldenkenden, offnen Kopfe, einem Manne von Beob-
achtung und Geschmacke zu seyn.
f) Jch irre mich sehr, oder dieß ist ein Mund voll ruhig lächelnden Witzes, und sanft ge-
salzener Laune. Ohne Bosheit, ohne stolze Verachtung -- aber auch gewiß ohne feine Zärtlich-
keit und durchdringende Wärme.
g) Ein gescheuter, kluger Mund eines wohlanstelligen Mannes von Geschmack.
h) Obwohl durch die Zeichnung etwas schief, und die Unterlippe zu zirkelbogig -- den-
noch, nach der bloßen Mittellinie zu urtheilen, eines guten, treuen, gelaßnen, weisen
Menschen.
i) Ein
V. Abſchnitt. III. Fragment.
Drittes Fragment.
M. b. Zwoͤlf Mundſtuͤcke.
Des III. Ban-
des XXVI.
Tafel.

Von allen dieſen zwoͤlf Mundſtuͤcken nicht Eins, wie’s ſeyn ſollte; und ohn’ alle
Nuͤançen von Muskeln und bedeutenden Falten — und dennoch alle uͤberhaupt we-
nigſtens — nicht ohne Bedeutung.

a) Voll Schmerzen ahndender, beynah weibiſcher Furcht einer ſanften, edeln Seele.
b) Schmachten des bangen Schmerzes nach Troſt und Erquickung — von einem
nicht gemeinen Menſchen. Sollt’s von einem Chriſtus ſeyn, elend — vornehmlich weil die Ober-
lippe ohn’ alle Schweifung, wie mit der Scheere geſchnitten — und die Unterlippe platt und
unbeſtimmt iſt —
c) Kalter, ſtaunender Schmerz eines kalten ſtillen Dulders.
d) Ein guter, dienſtfertiger, Faͤhigkeitreicher, kalttreuer, gerader Mund.
e) Unverzeihlich ſchief gezeichnet die Oberlippe — Sonſt ſcheint’s, aus der linken Haͤlfte
der Mittellinie zu ſchließen, von einem helldenkenden, offnen Kopfe, einem Manne von Beob-
achtung und Geſchmacke zu ſeyn.
f) Jch irre mich ſehr, oder dieß iſt ein Mund voll ruhig laͤchelnden Witzes, und ſanft ge-
ſalzener Laune. Ohne Bosheit, ohne ſtolze Verachtung — aber auch gewiß ohne feine Zaͤrtlich-
keit und durchdringende Waͤrme.
g) Ein geſcheuter, kluger Mund eines wohlanſtelligen Mannes von Geſchmack.
h) Obwohl durch die Zeichnung etwas ſchief, und die Unterlippe zu zirkelbogig — den-
noch, nach der bloßen Mittellinie zu urtheilen, eines guten, treuen, gelaßnen, weiſen
Menſchen.
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[124/0190] V. Abſchnitt. III. Fragment. Drittes Fragment. M. b. Zwoͤlf Mundſtuͤcke. Von allen dieſen zwoͤlf Mundſtuͤcken nicht Eins, wie’s ſeyn ſollte; und ohn’ alle Nuͤançen von Muskeln und bedeutenden Falten — und dennoch alle uͤberhaupt we- nigſtens — nicht ohne Bedeutung. a) Voll Schmerzen ahndender, beynah weibiſcher Furcht einer ſanften, edeln Seele. b) Schmachten des bangen Schmerzes nach Troſt und Erquickung — von einem nicht gemeinen Menſchen. Sollt’s von einem Chriſtus ſeyn, elend — vornehmlich weil die Ober- lippe ohn’ alle Schweifung, wie mit der Scheere geſchnitten — und die Unterlippe platt und unbeſtimmt iſt — c) Kalter, ſtaunender Schmerz eines kalten ſtillen Dulders. d) Ein guter, dienſtfertiger, Faͤhigkeitreicher, kalttreuer, gerader Mund. e) Unverzeihlich ſchief gezeichnet die Oberlippe — Sonſt ſcheint’s, aus der linken Haͤlfte der Mittellinie zu ſchließen, von einem helldenkenden, offnen Kopfe, einem Manne von Beob- achtung und Geſchmacke zu ſeyn. f) Jch irre mich ſehr, oder dieß iſt ein Mund voll ruhig laͤchelnden Witzes, und ſanft ge- ſalzener Laune. Ohne Bosheit, ohne ſtolze Verachtung — aber auch gewiß ohne feine Zaͤrtlich- keit und durchdringende Waͤrme. g) Ein geſcheuter, kluger Mund eines wohlanſtelligen Mannes von Geſchmack. h) Obwohl durch die Zeichnung etwas ſchief, und die Unterlippe zu zirkelbogig — den- noch, nach der bloßen Mittellinie zu urtheilen, eines guten, treuen, gelaßnen, weiſen Menſchen. i) Ein

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/190>, abgerufen am 22.11.2024.