Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Abschnitt. III. Fragment.
Drittes Fragment.
Vermischte Beobachtungen eines bekannten Dichters.
1.

"Alle häufig wiederkommende Bewegungen des Zornes äußern sich bey dem, der denselben aus-
"gesetzt ist, in ungewöhnlichen dicken und aufgeschwollenen Augenbraunen." -- Nicht so -- son-
dern dicke und aufgeschwollene Augenbraunen -- oder eigentlicher Muskeln in der Gegend der Au-
genbraunen -- sind ein Zeichen der Zornmüthigkeit. Denn unzählige heftige Zornmüthige ha-
ben dieß Zeichen nicht.

2.

"Aller Hochmuth dehnt das Gesicht und die Muskeln desselben in die Länge;" (oder
spannt sie, oder preßt sie auch zusammen. Dehnt sie, wo flache Eitelkeit mitspielt -- zieht sie zu-
sammen, wo leidenschaftliche Planheit sich in den Stolz mit eindrängt) -- "Die Freude und das
"Gefühl von Gleichheit bringen sie wieder in eine gewisse Rundung."

3.

"Es ist mir besonders, daß die Juden das Zeichen ihres Vaterlandes, des Orients, in
"alle vier Welttheile mit sich herum tragen; ich meyne die kurzen schwarzen krausen Haare und die
"braune Gesichtsfarbe. Die geschwinde Sprache; das Hurtige und Kurzabgebrochene in allen
"ihren Handlungen. Jch glaube, daß die Juden überhaupt mehr Galle haben, als andere Men-
"schen." --

4.

"Wenn aus den Bewegungen und dem Gange des Menschen ein Schluß zu machen ist,
"so wollte ich hundert gegen Eins wetten, daß ein wackelnder Gang auf Trägheit und eine große
"Dosis Zufriedenheit mit sich selber schließen läßt. Besonders wenn der Kopf mitwackelt." --

5.

"Jch liebe nun einmal die Falten in der Wange beym Lachen. Mir scheinen das mit die
"moralischsten Züge, die der Mensch nur haben kann. Sie sind aber von mancherley Art. Je

mehr
III. Abſchnitt. III. Fragment.
Drittes Fragment.
Vermiſchte Beobachtungen eines bekannten Dichters.
1.

Alle haͤufig wiederkommende Bewegungen des Zornes aͤußern ſich bey dem, der denſelben aus-
„geſetzt iſt, in ungewoͤhnlichen dicken und aufgeſchwollenen Augenbraunen.“ — Nicht ſo — ſon-
dern dicke und aufgeſchwollene Augenbraunen — oder eigentlicher Muskeln in der Gegend der Au-
genbraunen — ſind ein Zeichen der Zornmuͤthigkeit. Denn unzaͤhlige heftige Zornmuͤthige ha-
ben dieß Zeichen nicht.

2.

„Aller Hochmuth dehnt das Geſicht und die Muskeln deſſelben in die Laͤnge;“ (oder
ſpannt ſie, oder preßt ſie auch zuſammen. Dehnt ſie, wo flache Eitelkeit mitſpielt — zieht ſie zu-
ſammen, wo leidenſchaftliche Planheit ſich in den Stolz mit eindraͤngt) — „Die Freude und das
„Gefuͤhl von Gleichheit bringen ſie wieder in eine gewiſſe Rundung.“

3.

„Es iſt mir beſonders, daß die Juden das Zeichen ihres Vaterlandes, des Orients, in
„alle vier Welttheile mit ſich herum tragen; ich meyne die kurzen ſchwarzen krauſen Haare und die
„braune Geſichtsfarbe. Die geſchwinde Sprache; das Hurtige und Kurzabgebrochene in allen
„ihren Handlungen. Jch glaube, daß die Juden uͤberhaupt mehr Galle haben, als andere Men-
„ſchen.“ —

4.

„Wenn aus den Bewegungen und dem Gange des Menſchen ein Schluß zu machen iſt,
„ſo wollte ich hundert gegen Eins wetten, daß ein wackelnder Gang auf Traͤgheit und eine große
„Doſis Zufriedenheit mit ſich ſelber ſchließen laͤßt. Beſonders wenn der Kopf mitwackelt.“ —

5.

„Jch liebe nun einmal die Falten in der Wange beym Lachen. Mir ſcheinen das mit die
„moraliſchſten Zuͤge, die der Menſch nur haben kann. Sie ſind aber von mancherley Art. Je

mehr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0148" n="98"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;chnitt. <hi rendition="#aq">III.</hi> Fragment.</hi> </hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Drittes Fragment.<lb/>
Vermi&#x017F;chte Beobachtungen eines bekannten Dichters.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>1.</head><lb/>
            <p>&#x201E;<hi rendition="#in">A</hi>lle ha&#x0364;ufig wiederkommende Bewegungen des Zornes a&#x0364;ußern &#x017F;ich bey dem, der den&#x017F;elben aus-<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;etzt i&#x017F;t, in ungewo&#x0364;hnlichen dicken und aufge&#x017F;chwollenen Augenbraunen.&#x201C; &#x2014; Nicht &#x017F;o &#x2014; &#x017F;on-<lb/>
dern dicke und aufge&#x017F;chwollene Augenbraunen &#x2014; oder eigentlicher Muskeln in der Gegend der Au-<lb/>
genbraunen &#x2014; &#x017F;ind ein Zeichen der Zornmu&#x0364;thigkeit. Denn unza&#x0364;hlige heftige Zornmu&#x0364;thige ha-<lb/>
ben dieß Zeichen nicht.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>2.</head><lb/>
            <p>&#x201E;Aller Hochmuth dehnt das Ge&#x017F;icht und die Muskeln de&#x017F;&#x017F;elben in die La&#x0364;nge;&#x201C; (oder<lb/>
&#x017F;pannt &#x017F;ie, oder preßt &#x017F;ie auch zu&#x017F;ammen. Dehnt &#x017F;ie, wo flache Eitelkeit mit&#x017F;pielt &#x2014; zieht &#x017F;ie zu-<lb/>
&#x017F;ammen, wo leiden&#x017F;chaftliche Planheit &#x017F;ich in den Stolz mit eindra&#x0364;ngt) &#x2014; &#x201E;Die Freude und das<lb/>
&#x201E;Gefu&#x0364;hl von Gleichheit bringen &#x017F;ie wieder in eine gewi&#x017F;&#x017F;e Rundung.&#x201C;</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>3.</head><lb/>
            <p>&#x201E;Es i&#x017F;t mir be&#x017F;onders, daß die Juden das Zeichen ihres Vaterlandes, des Orients, in<lb/>
&#x201E;alle vier Welttheile mit &#x017F;ich herum tragen; ich meyne die kurzen &#x017F;chwarzen krau&#x017F;en Haare und die<lb/>
&#x201E;braune Ge&#x017F;ichtsfarbe. Die ge&#x017F;chwinde Sprache; das Hurtige und Kurzabgebrochene in allen<lb/>
&#x201E;ihren Handlungen. Jch glaube, daß die Juden u&#x0364;berhaupt mehr Galle haben, als andere Men-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chen.&#x201C; &#x2014;</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>4.</head><lb/>
            <p>&#x201E;Wenn aus den Bewegungen und dem Gange des Men&#x017F;chen ein Schluß zu machen i&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;&#x017F;o wollte ich hundert gegen Eins wetten, daß ein <hi rendition="#fr">wackelnder Gang</hi> auf Tra&#x0364;gheit und eine große<lb/>
&#x201E;Do&#x017F;is Zufriedenheit mit &#x017F;ich &#x017F;elber &#x017F;chließen la&#x0364;ßt. Be&#x017F;onders wenn der Kopf mitwackelt.&#x201C; &#x2014;</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>5.</head><lb/>
            <p>&#x201E;Jch liebe nun einmal die Falten in der Wange beym Lachen. Mir &#x017F;cheinen das mit die<lb/>
&#x201E;morali&#x017F;ch&#x017F;ten Zu&#x0364;ge, die der Men&#x017F;ch nur haben kann. Sie &#x017F;ind aber von mancherley Art. Je<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mehr</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0148] III. Abſchnitt. III. Fragment. Drittes Fragment. Vermiſchte Beobachtungen eines bekannten Dichters. 1. „Alle haͤufig wiederkommende Bewegungen des Zornes aͤußern ſich bey dem, der denſelben aus- „geſetzt iſt, in ungewoͤhnlichen dicken und aufgeſchwollenen Augenbraunen.“ — Nicht ſo — ſon- dern dicke und aufgeſchwollene Augenbraunen — oder eigentlicher Muskeln in der Gegend der Au- genbraunen — ſind ein Zeichen der Zornmuͤthigkeit. Denn unzaͤhlige heftige Zornmuͤthige ha- ben dieß Zeichen nicht. 2. „Aller Hochmuth dehnt das Geſicht und die Muskeln deſſelben in die Laͤnge;“ (oder ſpannt ſie, oder preßt ſie auch zuſammen. Dehnt ſie, wo flache Eitelkeit mitſpielt — zieht ſie zu- ſammen, wo leidenſchaftliche Planheit ſich in den Stolz mit eindraͤngt) — „Die Freude und das „Gefuͤhl von Gleichheit bringen ſie wieder in eine gewiſſe Rundung.“ 3. „Es iſt mir beſonders, daß die Juden das Zeichen ihres Vaterlandes, des Orients, in „alle vier Welttheile mit ſich herum tragen; ich meyne die kurzen ſchwarzen krauſen Haare und die „braune Geſichtsfarbe. Die geſchwinde Sprache; das Hurtige und Kurzabgebrochene in allen „ihren Handlungen. Jch glaube, daß die Juden uͤberhaupt mehr Galle haben, als andere Men- „ſchen.“ — 4. „Wenn aus den Bewegungen und dem Gange des Menſchen ein Schluß zu machen iſt, „ſo wollte ich hundert gegen Eins wetten, daß ein wackelnder Gang auf Traͤgheit und eine große „Doſis Zufriedenheit mit ſich ſelber ſchließen laͤßt. Beſonders wenn der Kopf mitwackelt.“ — 5. „Jch liebe nun einmal die Falten in der Wange beym Lachen. Mir ſcheinen das mit die „moraliſchſten Zuͤge, die der Menſch nur haben kann. Sie ſind aber von mancherley Art. Je mehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/148
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/148>, abgerufen am 25.11.2024.