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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XII. Fragment. Was sich aus bloßen
nasen leichten sinnlichen Eindruck, Sorglosigkeit, und durch verschiedene Grade mit andern Ne-
benbestimmungen auch Stumpfheit und Dummheit bezeichnen.

d.) Eine ganz glückliche, reine Gestalt, voll Kraft und Güte.

e.) Nicht unverständig, von einer festen Nachgebigkeit und reinen Güte des Cha-
rakters.

f.) Gerader, sinnlicher, unvordringlicher Verstand, Bedächtlichkeit, Ordnung und
Treue.

Zum Beschlusse noch eine in meinen Augen herrliche Silhouette von einer fürstlichen
Seele -- die freylich ebenfalls an Zartheit und Feinheit verloren; -- aber wieder eins von
denen Gesichtern ist, das nie alles verlieren kann -- Jch kenne das Original nicht. Ein Freund,
der sie kennt, macht folgenden Charakter von Jhr -- der an sich verdient bekannt zu
werden. --

"Großer umfassender weiblicher Verstand, die richtigste Beurtheilungskraft; unaus-
"sprechlich edel, gutherzig, großmüthig, fromm ohn' alle Schwärmerey; empfindsam wie ein
"Engel, aber ohn' alle Tändeley; überaus cultivirt, erleuchtet, voll ächter Wissenschaft. Ue-
"beraus zärtlich gegen ihren Mann, gegen ihre Kinder, gegen Arme und Nothleidende ....
"Jm Ganzen das Ansehen von einer Königinn." --

Jch traue es jedem wenig geübten Auge zu -- nicht, alles dieß sogleich aus diesem
Umrisse zu finden, aber dennoch nichts darinn wahrzunehmen, das diesem Bilde zu widerspre-
chen scheinen könnte.

Das Männliche, Feste, Edle des Charakters ist auffallend; wackere Güte, Gutherzig-
keit einer Heldinn ist auffallend. Die Stirn ist voll Offenheit und Muth. Auf der Spitze
der Nase ruhet erstaunender Ausdruck von edler, feiner Geisteskraft. Der Mund mit dem
Handrisse verglichen, den ich vor mir habe, besonders die Unterlippe, hat durch eine unbe-

stimmbar

XII. Fragment. Was ſich aus bloßen
naſen leichten ſinnlichen Eindruck, Sorgloſigkeit, und durch verſchiedene Grade mit andern Ne-
benbeſtimmungen auch Stumpfheit und Dummheit bezeichnen.

d.) Eine ganz gluͤckliche, reine Geſtalt, voll Kraft und Guͤte.

e.) Nicht unverſtaͤndig, von einer feſten Nachgebigkeit und reinen Guͤte des Cha-
rakters.

f.) Gerader, ſinnlicher, unvordringlicher Verſtand, Bedaͤchtlichkeit, Ordnung und
Treue.

Zum Beſchluſſe noch eine in meinen Augen herrliche Silhouette von einer fuͤrſtlichen
Seele — die freylich ebenfalls an Zartheit und Feinheit verloren; — aber wieder eins von
denen Geſichtern iſt, das nie alles verlieren kann — Jch kenne das Original nicht. Ein Freund,
der ſie kennt, macht folgenden Charakter von Jhr — der an ſich verdient bekannt zu
werden. —

„Großer umfaſſender weiblicher Verſtand, die richtigſte Beurtheilungskraft; unaus-
„ſprechlich edel, gutherzig, großmuͤthig, fromm ohn’ alle Schwaͤrmerey; empfindſam wie ein
„Engel, aber ohn’ alle Taͤndeley; uͤberaus cultivirt, erleuchtet, voll aͤchter Wiſſenſchaft. Ue-
„beraus zaͤrtlich gegen ihren Mann, gegen ihre Kinder, gegen Arme und Nothleidende ....
„Jm Ganzen das Anſehen von einer Koͤniginn.“ —

Jch traue es jedem wenig geuͤbten Auge zu — nicht, alles dieß ſogleich aus dieſem
Umriſſe zu finden, aber dennoch nichts darinn wahrzunehmen, das dieſem Bilde zu widerſpre-
chen ſcheinen koͤnnte.

Das Maͤnnliche, Feſte, Edle des Charakters iſt auffallend; wackere Guͤte, Gutherzig-
keit einer Heldinn iſt auffallend. Die Stirn iſt voll Offenheit und Muth. Auf der Spitze
der Naſe ruhet erſtaunender Ausdruck von edler, feiner Geiſteskraft. Der Mund mit dem
Handriſſe verglichen, den ich vor mir habe, beſonders die Unterlippe, hat durch eine unbe-

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[130/0186] XII. Fragment. Was ſich aus bloßen naſen leichten ſinnlichen Eindruck, Sorgloſigkeit, und durch verſchiedene Grade mit andern Ne- benbeſtimmungen auch Stumpfheit und Dummheit bezeichnen. d.) Eine ganz gluͤckliche, reine Geſtalt, voll Kraft und Guͤte. e.) Nicht unverſtaͤndig, von einer feſten Nachgebigkeit und reinen Guͤte des Cha- rakters. f.) Gerader, ſinnlicher, unvordringlicher Verſtand, Bedaͤchtlichkeit, Ordnung und Treue. Zum Beſchluſſe noch eine in meinen Augen herrliche Silhouette von einer fuͤrſtlichen Seele — die freylich ebenfalls an Zartheit und Feinheit verloren; — aber wieder eins von denen Geſichtern iſt, das nie alles verlieren kann — Jch kenne das Original nicht. Ein Freund, der ſie kennt, macht folgenden Charakter von Jhr — der an ſich verdient bekannt zu werden. — „Großer umfaſſender weiblicher Verſtand, die richtigſte Beurtheilungskraft; unaus- „ſprechlich edel, gutherzig, großmuͤthig, fromm ohn’ alle Schwaͤrmerey; empfindſam wie ein „Engel, aber ohn’ alle Taͤndeley; uͤberaus cultivirt, erleuchtet, voll aͤchter Wiſſenſchaft. Ue- „beraus zaͤrtlich gegen ihren Mann, gegen ihre Kinder, gegen Arme und Nothleidende .... „Jm Ganzen das Anſehen von einer Koͤniginn.“ — Jch traue es jedem wenig geuͤbten Auge zu — nicht, alles dieß ſogleich aus dieſem Umriſſe zu finden, aber dennoch nichts darinn wahrzunehmen, das dieſem Bilde zu widerſpre- chen ſcheinen koͤnnte. Das Maͤnnliche, Feſte, Edle des Charakters iſt auffallend; wackere Guͤte, Gutherzig- keit einer Heldinn iſt auffallend. Die Stirn iſt voll Offenheit und Muth. Auf der Spitze der Naſe ruhet erſtaunender Ausdruck von edler, feiner Geiſteskraft. Der Mund mit dem Handriſſe verglichen, den ich vor mir habe, beſonders die Unterlippe, hat durch eine unbe- ſtimmbar

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/186>, abgerufen am 18.12.2024.