Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.Vom Schaden der Physiognomik. Häßlichkeit brandmarkt, und der Tugend unnachahmliche Schönheit zum Gepräge giebt -- Laßihn -- sich des immerhin freuen, wenn er die Verschönerung seiner Züge mit der Veredlung sei- nes Herzens zugleich fortgehen sieht; nur sag ihm dabey: "daß Güte aus Eitelkeit nie lautere "Güte, sondern Eitelkeit sey; daß Eitelkeit ewig ihr eignes unedles Gepräge habe, und wahre "Tugendschöne gerade durch nichts anders und ewig nichts anders, als durch Tugend selbst, hie- "mit auch durch Reinigung von Eitelkeit -- erlangt werde." Siehst du die Thräne im Auge des Jünglings, der von der Tugendbahn wich, und dem [Abbildung]
Funfzehntes Phys. Fragm. I. Versuch. Z
Vom Schaden der Phyſiognomik. Haͤßlichkeit brandmarkt, und der Tugend unnachahmliche Schoͤnheit zum Gepraͤge giebt — Laßihn — ſich des immerhin freuen, wenn er die Verſchoͤnerung ſeiner Zuͤge mit der Veredlung ſei- nes Herzens zugleich fortgehen ſieht; nur ſag ihm dabey: „daß Guͤte aus Eitelkeit nie lautere „Guͤte, ſondern Eitelkeit ſey; daß Eitelkeit ewig ihr eignes unedles Gepraͤge habe, und wahre „Tugendſchoͤne gerade durch nichts anders und ewig nichts anders, als durch Tugend ſelbſt, hie- „mit auch durch Reinigung von Eitelkeit — erlangt werde.“ Siehſt du die Thraͤne im Auge des Juͤnglings, der von der Tugendbahn wich, und dem [Abbildung]
Funfzehntes Phyſ. Fragm. I. Verſuch. Z
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Vom Schaden der Phyſiognomik.
Haͤßlichkeit brandmarkt, und der Tugend unnachahmliche Schoͤnheit zum Gepraͤge giebt — Laß
ihn — ſich des immerhin freuen, wenn er die Verſchoͤnerung ſeiner Zuͤge mit der Veredlung ſei-
nes Herzens zugleich fortgehen ſieht; nur ſag ihm dabey: „daß Guͤte aus Eitelkeit nie lautere
„Guͤte, ſondern Eitelkeit ſey; daß Eitelkeit ewig ihr eignes unedles Gepraͤge habe, und wahre
„Tugendſchoͤne gerade durch nichts anders und ewig nichts anders, als durch Tugend ſelbſt, hie-
„mit auch durch Reinigung von Eitelkeit — erlangt werde.“
Siehſt du die Thraͤne im Auge des Juͤnglings, der von der Tugendbahn wich, und dem
ſein Spiegel oder der beſtuͤrzte traurig verweilende Blick eines phyſiognomiſchen, das iſt, eines fein-
fuͤhlenden Freundes, ſeinen Verfall, und jedes edle Jdeal eines edlen Mahlers die Wuͤrde der
menſchlichen Natur zeigt; — Laß ihn — Es flammt von nun an ein Entſchluß in ſeiner Bruſt,
eine wuͤrdigere Zierde der ſchoͤnen Gottesſchoͤpfung zu werden, als er's bisher war! ....
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Funfzehntes
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