Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

[Abbildung]
Vorrede,

Oder Fragment einer Vorrede; -- denn ein Buch würde die Vorrede werden,
wenn ich alles sagen wollte, was sich zur Wegräumung aller Vorurtheile,
und zur Warnung vor allen schiefen Gesichtspunkten, aus welchen dieß Werk be-
urtheilt werden wird, sagen ließe, und was, wenn's meine Muße erlaubte, um
so vieler Schwacher willen gesagt werden sollte.

Also nur Fragment einer Vorrede.

Jch weiß nicht, welche von beyden Thorheiten die größere ist; "die Wahr-
"heit der menschlichen Gesichtsbildung zu läugnen" -- oder: "Einem, der sie läu-
"gnen kann, sie beweisen zu wollen?" --

Der erstern von diesen Thorheiten macht sich ein großer Theil der heutigen
Welt schuldig; und die andere begeh' ich.

Jch Thor, der ich weiß, wie unüberzeugbar unter tausenden wenigstens
neunhundert und neunzig sind; haben sie sich einmal vorher, mehr oder weniger
öffentlich, wider die Sache erklärt, wovon man sie überzeugen will!

Aber -- nenn es nun Stolz oder Blindheit -- ich schreibe nicht blos,
schreibe nicht sowohl für mein Zeitalter -- Nicht dieß, das folgende Jahrhundert
soll urtheilen; denn ich weiß, daß ich bey dem gegenwärtigen, wenige Weise aus-

genom-
a

[Abbildung]
Vorrede,

Oder Fragment einer Vorrede; — denn ein Buch wuͤrde die Vorrede werden,
wenn ich alles ſagen wollte, was ſich zur Wegraͤumung aller Vorurtheile,
und zur Warnung vor allen ſchiefen Geſichtspunkten, aus welchen dieß Werk be-
urtheilt werden wird, ſagen ließe, und was, wenn's meine Muße erlaubte, um
ſo vieler Schwacher willen geſagt werden ſollte.

Alſo nur Fragment einer Vorrede.

Jch weiß nicht, welche von beyden Thorheiten die groͤßere iſt; „die Wahr-
„heit der menſchlichen Geſichtsbildung zu laͤugnen“ — oder: „Einem, der ſie laͤu-
„gnen kann, ſie beweiſen zu wollen?“ —

Der erſtern von dieſen Thorheiten macht ſich ein großer Theil der heutigen
Welt ſchuldig; und die andere begeh' ich.

Jch Thor, der ich weiß, wie unuͤberzeugbar unter tauſenden wenigſtens
neunhundert und neunzig ſind; haben ſie ſich einmal vorher, mehr oder weniger
oͤffentlich, wider die Sache erklaͤrt, wovon man ſie uͤberzeugen will!

Aber — nenn es nun Stolz oder Blindheit — ich ſchreibe nicht blos,
ſchreibe nicht ſowohl fuͤr mein Zeitalter — Nicht dieß, das folgende Jahrhundert
ſoll urtheilen; denn ich weiß, daß ich bey dem gegenwaͤrtigen, wenige Weiſe aus-

genom-
a
<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0013"/>
      <figure/><lb/>
      <div type="preface" n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>,</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">O</hi>der Fragment einer Vorrede; &#x2014; denn ein Buch wu&#x0364;rde die Vorrede werden,<lb/>
wenn ich alles &#x017F;agen wollte, was &#x017F;ich zur Wegra&#x0364;umung aller Vorurtheile,<lb/>
und zur Warnung vor allen &#x017F;chiefen Ge&#x017F;ichtspunkten, aus welchen dieß Werk be-<lb/>
urtheilt werden wird, &#x017F;agen ließe, und was, wenn's meine Muße erlaubte, um<lb/>
&#x017F;o vieler <hi rendition="#fr">Schwacher</hi> willen ge&#x017F;agt werden &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o nur Fragment einer Vorrede.</p><lb/>
        <p>Jch weiß nicht, welche von beyden Thorheiten die gro&#x0364;ßere i&#x017F;t; &#x201E;die Wahr-<lb/>
&#x201E;heit der men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;ichtsbildung zu la&#x0364;ugnen&#x201C; &#x2014; oder: &#x201E;Einem, der &#x017F;ie la&#x0364;u-<lb/>
&#x201E;gnen kann, &#x017F;ie bewei&#x017F;en zu wollen?&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Der er&#x017F;tern von die&#x017F;en Thorheiten macht &#x017F;ich ein großer Theil der heutigen<lb/>
Welt &#x017F;chuldig; und die andere begeh' ich.</p><lb/>
        <p>Jch Thor, der ich weiß, wie unu&#x0364;berzeugbar unter tau&#x017F;enden wenig&#x017F;tens<lb/>
neunhundert und neunzig &#x017F;ind; haben &#x017F;ie &#x017F;ich einmal vorher, mehr oder weniger<lb/>
o&#x0364;ffentlich, wider die Sache erkla&#x0364;rt, wovon man &#x017F;ie u&#x0364;berzeugen will!</p><lb/>
        <p>Aber &#x2014; nenn es nun Stolz oder Blindheit &#x2014; ich &#x017F;chreibe nicht blos,<lb/>
&#x017F;chreibe nicht &#x017F;owohl fu&#x0364;r mein Zeitalter &#x2014; Nicht dieß, das folgende Jahrhundert<lb/>
&#x017F;oll urtheilen; denn ich weiß, daß ich bey dem gegenwa&#x0364;rtigen, wenige Wei&#x017F;e aus-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">a</fw><fw place="bottom" type="catch">genom-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0013] [Abbildung] Vorrede, Oder Fragment einer Vorrede; — denn ein Buch wuͤrde die Vorrede werden, wenn ich alles ſagen wollte, was ſich zur Wegraͤumung aller Vorurtheile, und zur Warnung vor allen ſchiefen Geſichtspunkten, aus welchen dieß Werk be- urtheilt werden wird, ſagen ließe, und was, wenn's meine Muße erlaubte, um ſo vieler Schwacher willen geſagt werden ſollte. Alſo nur Fragment einer Vorrede. Jch weiß nicht, welche von beyden Thorheiten die groͤßere iſt; „die Wahr- „heit der menſchlichen Geſichtsbildung zu laͤugnen“ — oder: „Einem, der ſie laͤu- „gnen kann, ſie beweiſen zu wollen?“ — Der erſtern von dieſen Thorheiten macht ſich ein großer Theil der heutigen Welt ſchuldig; und die andere begeh' ich. Jch Thor, der ich weiß, wie unuͤberzeugbar unter tauſenden wenigſtens neunhundert und neunzig ſind; haben ſie ſich einmal vorher, mehr oder weniger oͤffentlich, wider die Sache erklaͤrt, wovon man ſie uͤberzeugen will! Aber — nenn es nun Stolz oder Blindheit — ich ſchreibe nicht blos, ſchreibe nicht ſowohl fuͤr mein Zeitalter — Nicht dieß, das folgende Jahrhundert ſoll urtheilen; denn ich weiß, daß ich bey dem gegenwaͤrtigen, wenige Weiſe aus- genom- a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/13
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/13>, abgerufen am 21.11.2024.