Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite
zur Prüfung des physiognomischen Genies.
HH.
Ein Profilporträt.

Man findet dieß Porträt ähnlich. Es ist's zum Theil; und doch wie viel hat's in Kraft
und Blick verloren!

Die Stirne zeigt viel Verstand, Festigkeit und Verschlossenheit.

Die Nase, (die durch den unbestimmten höckerigten Umriß vom Character verliert) ver-
kündigt Stärke, Muth, Entschlossenheit.

Klugheit und Witz schweben über den Lippen.

Ueber's Auge getrau ich mir, weil's nicht bestimmt genug gezeichnet ist, wenig zu sagen.
So unfest es aber gezeichnet ist, zeigt es doch durchschauende Kraft, und Heiterkeit.

Der Kopf ist nicht planlos. Er will, und kann und wird sich hervordrängen ohne
Geräusch, still und sicher.

Geübt und leicht in Geschäfften, fertig mit der Feder, beredt und sich wendend nach
dem Gegenstande, den er vor sich hat: den Menschen kennend und nicht mehr und nicht weni-
ger, als er will, sich ihm mittheilend -- wird er Zwecke erreichen, die niemand, als Er, ab-
sieht; keine böse Zwecke! Er wird viel Gutes thun; der Vorwurf, unedel gehandelt zu ha-
ben, würd' ihm tödtend unerträglich seyn.

Jch wünscht' ihm einen Freund, der so viel Verstand als Er, seine Beredtsamkeit,
und Größe genug hätte, ihm unentbehrlich zu seyn.

Die
K k 2
zur Pruͤfung des phyſiognomiſchen Genies.
HH.
Ein Profilportraͤt.

Man findet dieß Portraͤt aͤhnlich. Es iſt's zum Theil; und doch wie viel hat's in Kraft
und Blick verloren!

Die Stirne zeigt viel Verſtand, Feſtigkeit und Verſchloſſenheit.

Die Naſe, (die durch den unbeſtimmten hoͤckerigten Umriß vom Character verliert) ver-
kuͤndigt Staͤrke, Muth, Entſchloſſenheit.

Klugheit und Witz ſchweben uͤber den Lippen.

Ueber's Auge getrau ich mir, weil's nicht beſtimmt genug gezeichnet iſt, wenig zu ſagen.
So unfeſt es aber gezeichnet iſt, zeigt es doch durchſchauende Kraft, und Heiterkeit.

Der Kopf iſt nicht planlos. Er will, und kann und wird ſich hervordraͤngen ohne
Geraͤuſch, ſtill und ſicher.

Geuͤbt und leicht in Geſchaͤfften, fertig mit der Feder, beredt und ſich wendend nach
dem Gegenſtande, den er vor ſich hat: den Menſchen kennend und nicht mehr und nicht weni-
ger, als er will, ſich ihm mittheilend — wird er Zwecke erreichen, die niemand, als Er, ab-
ſieht; keine boͤſe Zwecke! Er wird viel Gutes thun; der Vorwurf, unedel gehandelt zu ha-
ben, wuͤrd' ihm toͤdtend unertraͤglich ſeyn.

Jch wuͤnſcht' ihm einen Freund, der ſo viel Verſtand als Er, ſeine Beredtſamkeit,
und Groͤße genug haͤtte, ihm unentbehrlich zu ſeyn.

Die
K k 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0387" n="251"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">zur Pru&#x0364;fung des phy&#x017F;iognomi&#x017F;chen Genies.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">HH.</hi><lb/><hi rendition="#g">Ein Profilportra&#x0364;t</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">M</hi>an findet dieß Portra&#x0364;t a&#x0364;hnlich. Es i&#x017F;t's zum Theil; und doch wie viel hat's in Kraft<lb/>
und Blick verloren!</p><lb/>
            <p>Die Stirne zeigt viel Ver&#x017F;tand, Fe&#x017F;tigkeit und Ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit.</p><lb/>
            <p>Die Na&#x017F;e, (die durch den unbe&#x017F;timmten ho&#x0364;ckerigten Umriß vom Character verliert) ver-<lb/>
ku&#x0364;ndigt Sta&#x0364;rke, Muth, Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit.</p><lb/>
            <p>Klugheit und Witz &#x017F;chweben u&#x0364;ber den Lippen.</p><lb/>
            <p>Ueber's Auge getrau ich mir, weil's nicht be&#x017F;timmt genug gezeichnet i&#x017F;t, wenig zu &#x017F;agen.<lb/>
So unfe&#x017F;t es aber gezeichnet i&#x017F;t, zeigt es doch durch&#x017F;chauende Kraft, und Heiterkeit.</p><lb/>
            <p>Der Kopf i&#x017F;t nicht planlos. Er will, und kann und wird &#x017F;ich hervordra&#x0364;ngen ohne<lb/>
Gera&#x0364;u&#x017F;ch, &#x017F;till und &#x017F;icher.</p><lb/>
            <p>Geu&#x0364;bt und leicht in Ge&#x017F;cha&#x0364;fften, fertig mit der Feder, beredt und &#x017F;ich wendend nach<lb/>
dem Gegen&#x017F;tande, den er vor &#x017F;ich hat: den Men&#x017F;chen kennend und nicht mehr und nicht weni-<lb/>
ger, als er will, &#x017F;ich ihm mittheilend &#x2014; wird er Zwecke erreichen, die niemand, als Er, ab-<lb/>
&#x017F;ieht; keine bo&#x0364;&#x017F;e Zwecke! Er wird viel Gutes thun; der Vorwurf, unedel gehandelt zu ha-<lb/>
ben, wu&#x0364;rd' ihm to&#x0364;dtend unertra&#x0364;glich &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Jch wu&#x0364;n&#x017F;cht' ihm einen Freund, der &#x017F;o viel Ver&#x017F;tand als Er, &#x017F;eine Beredt&#x017F;amkeit,<lb/>
und Gro&#x0364;ße genug ha&#x0364;tte, ihm unentbehrlich zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">K k 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0387] zur Pruͤfung des phyſiognomiſchen Genies. HH. Ein Profilportraͤt. Man findet dieß Portraͤt aͤhnlich. Es iſt's zum Theil; und doch wie viel hat's in Kraft und Blick verloren! Die Stirne zeigt viel Verſtand, Feſtigkeit und Verſchloſſenheit. Die Naſe, (die durch den unbeſtimmten hoͤckerigten Umriß vom Character verliert) ver- kuͤndigt Staͤrke, Muth, Entſchloſſenheit. Klugheit und Witz ſchweben uͤber den Lippen. Ueber's Auge getrau ich mir, weil's nicht beſtimmt genug gezeichnet iſt, wenig zu ſagen. So unfeſt es aber gezeichnet iſt, zeigt es doch durchſchauende Kraft, und Heiterkeit. Der Kopf iſt nicht planlos. Er will, und kann und wird ſich hervordraͤngen ohne Geraͤuſch, ſtill und ſicher. Geuͤbt und leicht in Geſchaͤfften, fertig mit der Feder, beredt und ſich wendend nach dem Gegenſtande, den er vor ſich hat: den Menſchen kennend und nicht mehr und nicht weni- ger, als er will, ſich ihm mittheilend — wird er Zwecke erreichen, die niemand, als Er, ab- ſieht; keine boͤſe Zwecke! Er wird viel Gutes thun; der Vorwurf, unedel gehandelt zu ha- ben, wuͤrd' ihm toͤdtend unertraͤglich ſeyn. Jch wuͤnſcht' ihm einen Freund, der ſo viel Verſtand als Er, ſeine Beredtſamkeit, und Groͤße genug haͤtte, ihm unentbehrlich zu ſeyn. Die K k 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/387
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/387>, abgerufen am 28.11.2024.