Erde heftende, unter die Vergänglichkeit gefangenneh- mende, von Gott und der bessern Zukunft uns wegwen- dende Leidenschaft. -- Das Gefühl der Unreinigkeit, der Ausgeschlossenheit vom Reiche Gottes sey, wie das Gefühl des Aussätzigen, der vom Lager, oder der Gemei- ne Israels ausgeschlossen war. --
Glauben, daß eine Güte lebe, die sich des Verfal- les der Menschheit, unserer sittlichen Unreinigkeit innigst erbarme, und mit aller ihrer Gottesweisheit und Got- tesmacht bereit sey, uns zu reinigen -- einen Geist des Lebens in uns zu erwecken, der jede unreine Sinnlichkeit bezwingen und verschlingen kann -- daß ein entscheidend Wort vom Munde dieses Allvermögenden mit Demuth und Frohmuth aufgefaßt, unserm inwendigen Menschen, unserer sittlichen Kraft einen ganz neuen Schwung ge- ben könne -- daß sich der helfende Wille dieser erbarmen- den Allmacht in demselben Augenblick zärtlich gegen uns wende, sobald sich hülfsbedürftig, dehmüthig und zu- trauungsvoll unser Wille zu Ihm wendet -- Ein solcher Glaubenssinn ist's, der uns von jeder Sünde reinigen, und uns Kraft geben wird, alles zu überwinden, was reitzend und verderblich ist, und in der Schrift mit dem Namen Sünde oder Welt bezeichnet wird -- die- sen Glaubenssinn zu erwecken scheint mir der auffallende Zweck des ganzen Neuen Testaments, besonders der Evan- gelischen Geschichte zu seyn. -- Sobald der demüthige Glaubenssinn mit Einfalt zu Ihm, dem als göttlich geahndeten von Fern erkannten heilvollen Christus sagen kann -- mit Drange, mit zielender Kraft -- Du
darfst
E 2
Entſündigen.
Erde heftende, unter die Vergänglichkeit gefangenneh- mende, von Gott und der beſſern Zukunft uns wegwen- dende Leidenſchaft. — Das Gefühl der Unreinigkeit, der Ausgeſchloſſenheit vom Reiche Gottes ſey, wie das Gefühl des Auſſätzigen, der vom Lager, oder der Gemei- ne Iſraels ausgeſchloſſen war. —
Glauben, daß eine Güte lebe, die ſich des Verfal- les der Menſchheit, unſerer ſittlichen Unreinigkeit innigſt erbarme, und mit aller ihrer Gottesweisheit und Got- tesmacht bereit ſey, uns zu reinigen — einen Geiſt des Lebens in uns zu erwecken, der jede unreine Sinnlichkeit bezwingen und verſchlingen kann — daß ein entſcheidend Wort vom Munde dieſes Allvermögenden mit Demuth und Frohmuth aufgefaßt, unſerm inwendigen Menſchen, unſerer ſittlichen Kraft einen ganz neuen Schwung ge- ben könne — daß ſich der helfende Wille dieſer erbarmen- den Allmacht in demſelben Augenblick zärtlich gegen uns wende, ſobald ſich hülfsbedürftig, dehmüthig und zu- trauungsvoll unſer Wille zu Ihm wendet — Ein ſolcher Glaubensſinn iſt’s, der uns von jeder Sünde reinigen, und uns Kraft geben wird, alles zu überwinden, was reitzend und verderblich iſt, und in der Schrift mit dem Namen Sünde oder Welt bezeichnet wird — die- ſen Glaubensſinn zu erwecken ſcheint mir der auffallende Zweck des ganzen Neuen Teſtaments, beſonders der Evan- geliſchen Geſchichte zu ſeyn. — Sobald der demüthige Glaubensſinn mit Einfalt zu Ihm, dem als göttlich geahndeten von Fern erkannten heilvollen Chriſtus ſagen kann — mit Drange, mit zielender Kraft — Du
darfſt
E 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0095"n="67[87]"/><fwplace="top"type="header">Entſündigen.</fw><lb/>
Erde heftende, unter die Vergänglichkeit gefangenneh-<lb/>
mende, von Gott und der beſſern Zukunft uns wegwen-<lb/>
dende Leidenſchaft. — Das Gefühl der Unreinigkeit,<lb/>
der Ausgeſchloſſenheit vom Reiche Gottes ſey, wie das<lb/>
Gefühl des Auſſätzigen, der vom Lager, oder der Gemei-<lb/>
ne Iſraels ausgeſchloſſen war. —</p><lb/><p>Glauben, daß eine Güte lebe, die ſich des Verfal-<lb/>
les der Menſchheit, unſerer ſittlichen Unreinigkeit innigſt<lb/>
erbarme, und mit aller ihrer Gottesweisheit und Got-<lb/>
tesmacht bereit ſey, uns zu reinigen — einen Geiſt des<lb/>
Lebens in uns zu erwecken, der jede unreine Sinnlichkeit<lb/>
bezwingen und verſchlingen kann — daß ein entſcheidend<lb/>
Wort vom Munde dieſes Allvermögenden mit Demuth<lb/>
und Frohmuth aufgefaßt, unſerm inwendigen Menſchen,<lb/>
unſerer ſittlichen Kraft einen ganz neuen Schwung ge-<lb/>
ben könne — daß ſich der helfende Wille dieſer erbarmen-<lb/>
den Allmacht in demſelben Augenblick zärtlich gegen uns<lb/>
wende, ſobald ſich hülfsbedürftig, dehmüthig und zu-<lb/>
trauungsvoll unſer Wille zu <hirendition="#fr">Ihm</hi> wendet — Ein ſolcher<lb/>
Glaubensſinn iſt’s, der uns von jeder Sünde reinigen,<lb/>
und uns Kraft geben wird, alles zu überwinden, was<lb/><hirendition="#fr">reitzend</hi> und <hirendition="#fr">verderblich</hi> iſt, und in der Schrift mit<lb/>
dem Namen <hirendition="#fr">Sünde</hi> oder <hirendition="#fr">Welt</hi> bezeichnet wird — die-<lb/>ſen Glaubensſinn zu erwecken ſcheint mir der auffallende<lb/>
Zweck des ganzen Neuen Teſtaments, beſonders der Evan-<lb/>
geliſchen Geſchichte zu ſeyn. — Sobald der demüthige<lb/>
Glaubensſinn mit Einfalt zu Ihm, dem als göttlich<lb/>
geahndeten von Fern erkannten heilvollen Chriſtus ſagen<lb/>
kann — mit Drange, mit zielender Kraft —<hirendition="#fr">Du</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 2</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">darfſt</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[67[87]/0095]
Entſündigen.
Erde heftende, unter die Vergänglichkeit gefangenneh-
mende, von Gott und der beſſern Zukunft uns wegwen-
dende Leidenſchaft. — Das Gefühl der Unreinigkeit,
der Ausgeſchloſſenheit vom Reiche Gottes ſey, wie das
Gefühl des Auſſätzigen, der vom Lager, oder der Gemei-
ne Iſraels ausgeſchloſſen war. —
Glauben, daß eine Güte lebe, die ſich des Verfal-
les der Menſchheit, unſerer ſittlichen Unreinigkeit innigſt
erbarme, und mit aller ihrer Gottesweisheit und Got-
tesmacht bereit ſey, uns zu reinigen — einen Geiſt des
Lebens in uns zu erwecken, der jede unreine Sinnlichkeit
bezwingen und verſchlingen kann — daß ein entſcheidend
Wort vom Munde dieſes Allvermögenden mit Demuth
und Frohmuth aufgefaßt, unſerm inwendigen Menſchen,
unſerer ſittlichen Kraft einen ganz neuen Schwung ge-
ben könne — daß ſich der helfende Wille dieſer erbarmen-
den Allmacht in demſelben Augenblick zärtlich gegen uns
wende, ſobald ſich hülfsbedürftig, dehmüthig und zu-
trauungsvoll unſer Wille zu Ihm wendet — Ein ſolcher
Glaubensſinn iſt’s, der uns von jeder Sünde reinigen,
und uns Kraft geben wird, alles zu überwinden, was
reitzend und verderblich iſt, und in der Schrift mit
dem Namen Sünde oder Welt bezeichnet wird — die-
ſen Glaubensſinn zu erwecken ſcheint mir der auffallende
Zweck des ganzen Neuen Teſtaments, beſonders der Evan-
geliſchen Geſchichte zu ſeyn. — Sobald der demüthige
Glaubensſinn mit Einfalt zu Ihm, dem als göttlich
geahndeten von Fern erkannten heilvollen Chriſtus ſagen
kann — mit Drange, mit zielender Kraft — Du
darfſt
E 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 67[87]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/95>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.