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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Markus V.
dein Haus zu den Deinen, und verkündige ih-
nen, was grosses dir der Herr gethan, und daß
Er sich deiner erbarmet habe; Und Er gieng
hin und fieng an, in den zehen Städten auszu-
kündigen, was grosses ihm Jesus gethan habe,
und jedermann verwunderte sich.
Die Einen bit-
ten Jesum -- oder sehens doch gern, daß Er sich von
ihnen entferne. Die andern blieben Ihm gern immer
nahe. Dieß ist die Geschichte aller Zeiten. Man ist
immer gleich gegen Ihn gesinnt -- Für Ihn, oder
wider Ihn. Wer Ihn nicht nahe haben will, will
Ihn gern fern haben. Wer Ihn will, will gern so nahe
wie möglich bey Ihm seyn. Aber, warum willfahrt
der Herr denen, die Ihn fern haben mögten? Und dem
nicht, der gern nahe bey Ihm seyn mögte? Die Er-
stern will Er durch seine Gegenwart nicht drücken. Er
will sich niemand aufdringen, niemanden zwingen, Ihn
anzunehmen. Gezwungene Verehrung ist keine Vereh-
rung. Was nicht freywillig gegen Ihn geschiehet, fie-
het Er als Nichtgeschehen an.

Und, warum will Er den Besessen gewesenen, sei-
ner dringenden Bitte ungeachtet, sich nicht nachfolgen
lassen? Ich vermesse mich nicht alle Ursachen anzugeben
-- aber: Mit Wahrheit glaub ich, läßt sich folgendes
sagen. Jesus hatte bereits die Zahl der von Ihm be-
stimmten Apostel und täglichen Zeugen seines Lebens ge-
wählt. Wahrscheinlich fand Er diesen Menschen, so
gut und dankbar er übrigens seyn mogte, zu einem be-
ständigen Nachfolger nicht tüchtig genug. Er war

Ihm

Markus V.
dein Haus zu den Deinen, und verkündige ih-
nen, was groſſes dir der Herr gethan, und daß
Er ſich deiner erbarmet habe; Und Er gieng
hin und fieng an, in den zehen Städten auszu-
kündigen, was groſſes ihm Jeſus gethan habe,
und jedermann verwunderte ſich.
Die Einen bit-
ten Jeſum — oder ſehens doch gern, daß Er ſich von
ihnen entferne. Die andern blieben Ihm gern immer
nahe. Dieß iſt die Geſchichte aller Zeiten. Man iſt
immer gleich gegen Ihn geſinnt — Für Ihn, oder
wider Ihn. Wer Ihn nicht nahe haben will, will
Ihn gern fern haben. Wer Ihn will, will gern ſo nahe
wie möglich bey Ihm ſeyn. Aber, warum willfahrt
der Herr denen, die Ihn fern haben mögten? Und dem
nicht, der gern nahe bey Ihm ſeyn mögte? Die Er-
ſtern will Er durch ſeine Gegenwart nicht drücken. Er
will ſich niemand aufdringen, niemanden zwingen, Ihn
anzunehmen. Gezwungene Verehrung iſt keine Vereh-
rung. Was nicht freywillig gegen Ihn geſchiehet, fie-
het Er als Nichtgeſchehen an.

Und, warum will Er den Beſeſſen geweſenen, ſei-
ner dringenden Bitte ungeachtet, ſich nicht nachfolgen
laſſen? Ich vermeſſe mich nicht alle Urſachen anzugeben
— aber: Mit Wahrheit glaub ich, läßt ſich folgendes
ſagen. Jeſus hatte bereits die Zahl der von Ihm be-
ſtimmten Apoſtel und täglichen Zeugen ſeines Lebens ge-
wählt. Wahrſcheinlich fand Er dieſen Menſchen, ſo
gut und dankbar er übrigens ſeyn mogte, zu einem be-
ſtändigen Nachfolger nicht tüchtig genug. Er war

Ihm
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[570[590]/0598] Markus V. dein Haus zu den Deinen, und verkündige ih- nen, was groſſes dir der Herr gethan, und daß Er ſich deiner erbarmet habe; Und Er gieng hin und fieng an, in den zehen Städten auszu- kündigen, was groſſes ihm Jeſus gethan habe, und jedermann verwunderte ſich. Die Einen bit- ten Jeſum — oder ſehens doch gern, daß Er ſich von ihnen entferne. Die andern blieben Ihm gern immer nahe. Dieß iſt die Geſchichte aller Zeiten. Man iſt immer gleich gegen Ihn geſinnt — Für Ihn, oder wider Ihn. Wer Ihn nicht nahe haben will, will Ihn gern fern haben. Wer Ihn will, will gern ſo nahe wie möglich bey Ihm ſeyn. Aber, warum willfahrt der Herr denen, die Ihn fern haben mögten? Und dem nicht, der gern nahe bey Ihm ſeyn mögte? Die Er- ſtern will Er durch ſeine Gegenwart nicht drücken. Er will ſich niemand aufdringen, niemanden zwingen, Ihn anzunehmen. Gezwungene Verehrung iſt keine Vereh- rung. Was nicht freywillig gegen Ihn geſchiehet, fie- het Er als Nichtgeſchehen an. Und, warum will Er den Beſeſſen geweſenen, ſei- ner dringenden Bitte ungeachtet, ſich nicht nachfolgen laſſen? Ich vermeſſe mich nicht alle Urſachen anzugeben — aber: Mit Wahrheit glaub ich, läßt ſich folgendes ſagen. Jeſus hatte bereits die Zahl der von Ihm be- ſtimmten Apoſtel und täglichen Zeugen ſeines Lebens ge- wählt. Wahrſcheinlich fand Er dieſen Menſchen, ſo gut und dankbar er übrigens ſeyn mogte, zu einem be- ſtändigen Nachfolger nicht tüchtig genug. Er war Ihm

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 570[590]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/598>, abgerufen am 22.11.2024.