Menschen war doch gewiß nie kein sterblicher Mensch, wie Der, von dem hier die Rede ist. Das zärtlichste Mitleiden -- und die uneingeschränkteste Macht ---- wo fandet, wo finder ihr sie je so beysammen? So Eins und ebendasselbe? -- Sie spricht in einer Person so mächtig, so tief in die Seele! Die lebendigste Sitten- lehre in Person, spricht mit dem sittlichen Gefühle so, daß es verstummen muß. Schweigen ist die redend- ste Antwort des durch lichtvolle Fragen aufgereitzten sittlichen Gefühles. Schweigen mit Schaam und Demuth verbunden geziemt dem Schwachen -- der Boshafte schweigt mit Wuth und Rachsucht. Welch Verstummen einst, wenn der, den wir hier in einem kleinen Kreise sehen, im Kreise aller Welten mit Zorn und Betrübniß umherschauen und dem sittlichen Gefühle Fragen vorlegen wird, worauf nur Eine Ant- wort möglich ist, die sich selbst verdammt und wie die göttliche Sentenz selbst ewig entscheidend und unwider- ruflich ist.
8. Beruf der Apostel.
Und Er kam auf den Berg, und berief zuMark. III. 13. 14. sich, welche Er wollte. Und sie kamen zu Ihm und Er ordnete zwölf, daß sie bey ihm wären, und daß Er sie zu predigen aussendete, und daß sie Gewalt hätten, die Krankheiten zu heilen, und die Teufel auszutreiben.
Welch ein Mann! Welche Macht der inwohnenden Weisheit. Welche Herzbezwingende Güte! Welche Er-
ha-
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Beruf der Apoſtel.
Menſchen war doch gewiß nie kein ſterblicher Menſch, wie Der, von dem hier die Rede iſt. Das zärtlichſte Mitleiden — und die uneingeſchränkteſte Macht —— wo fandet, wo finder ihr ſie je ſo beyſammen? So Eins und ebendaſſelbe? — Sie ſpricht in einer Perſon ſo mächtig, ſo tief in die Seele! Die lebendigſte Sitten- lehre in Perſon, ſpricht mit dem ſittlichen Gefühle ſo, daß es verſtummen muß. Schweigen iſt die redend- ſte Antwort des durch lichtvolle Fragen aufgereitzten ſittlichen Gefühles. Schweigen mit Schaam und Demuth verbunden geziemt dem Schwachen — der Boshafte ſchweigt mit Wuth und Rachſucht. Welch Verſtummen einſt, wenn der, den wir hier in einem kleinen Kreiſe ſehen, im Kreiſe aller Welten mit Zorn und Betrübniß umherſchauen und dem ſittlichen Gefühle Fragen vorlegen wird, worauf nur Eine Ant- wort möglich iſt, die ſich ſelbſt verdammt und wie die göttliche Sentenz ſelbſt ewig entſcheidend und unwider- ruflich iſt.
8. Beruf der Apoſtel.
Und Er kam auf den Berg, und berief zuMark. III. 13. 14. ſich, welche Er wollte. Und ſie kamen zu Ihm und Er ordnete zwölf, daß ſie bey ihm wären, und daß Er ſie zu predigen ausſendete, und daß ſie Gewalt hätten, die Krankheiten zu heilen, und die Teufel auszutreiben.
Welch ein Mann! Welche Macht der inwohnenden Weisheit. Welche Herzbezwingende Güte! Welche Er-
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[565[585]/0593]
Beruf der Apoſtel.
Menſchen war doch gewiß nie kein ſterblicher Menſch,
wie Der, von dem hier die Rede iſt. Das zärtlichſte
Mitleiden — und die uneingeſchränkteſte Macht ——
wo fandet, wo finder ihr ſie je ſo beyſammen? So Eins
und ebendaſſelbe? — Sie ſpricht in einer Perſon ſo
mächtig, ſo tief in die Seele! Die lebendigſte Sitten-
lehre in Perſon, ſpricht mit dem ſittlichen Gefühle ſo,
daß es verſtummen muß. Schweigen iſt die redend-
ſte Antwort des durch lichtvolle Fragen aufgereitzten
ſittlichen Gefühles. Schweigen mit Schaam und
Demuth verbunden geziemt dem Schwachen —
der Boshafte ſchweigt mit Wuth und Rachſucht.
Welch Verſtummen einſt, wenn der, den wir hier in
einem kleinen Kreiſe ſehen, im Kreiſe aller Welten mit
Zorn und Betrübniß umherſchauen und dem ſittlichen
Gefühle Fragen vorlegen wird, worauf nur Eine Ant-
wort möglich iſt, die ſich ſelbſt verdammt und wie die
göttliche Sentenz ſelbſt ewig entſcheidend und unwider-
ruflich iſt.
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Beruf der Apoſtel.
Und Er kam auf den Berg, und berief zu
ſich, welche Er wollte. Und ſie kamen zu Ihm
und Er ordnete zwölf, daß ſie bey ihm wären,
und daß Er ſie zu predigen ausſendete, und daß
ſie Gewalt hätten, die Krankheiten zu heilen, und
die Teufel auszutreiben.
Mark. III.
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Welch ein Mann! Welche Macht der inwohnenden
Weisheit. Welche Herzbezwingende Güte! Welche Er-
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 565[585]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/593>, abgerufen am 25.11.2024.
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