Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Markus I.
Wirklichkeit des Satans und von dem buchstäblichen
Verstand dieser Geschichte seyn. Wann wir annehmen
und annehmen müssen, daß Christus in einer eigentli-
chen Wüste, bey eigentlichen Thieren gewesen,
von eigentlichen Engeln bedient worden sey; Sind
wir nicht auch genöthigt, anzunehmen, daß der Sa-
tan eigentlich und persönlich sich Ihm dargestellt, und
seine ganze Aufmerksamkeit auf diese ausserordentliche
Person sey gerichtet gewesen?

Sehr auffallend und ermunternd ist auch der Um-
stand; daß Engel dem dienen, dem aufwarten, dem
Speise bringen, dem der Satan vermuthlich in Engels-
gestalt seine Dienste umsonst anbot. Es verliehrt ge-
wiß keiner nichts, wenn er was um Gotteswillen auf-
opfert. Für das täuschende Glück, das ihm die Sün-
de anbeut, wird ihm ein wahres, das diesem täuschen-
den entspricht. Ein Satan in Lichtengelsgestalt beut
dem Herrn seinen Schutz an, und alle Reiche der Welt,
die er Ihm nicht geben kann, und fordert Anbethung
für sich. Der Unverführbare und Unüberwindliche wird
wenige Zeit hernach von wirklichen Lichtesengeln göttlich
verehrt, ja von allen Göttern des Himmels angebethet.
Der, der eine Zeitlang minder geworden war, als die
Engel, war bestimmt, der Fürst aller Engel zu wer-
den. Das, was Ihm hier in der Wüste wiederfährt,
ist nur ein Vorspiel, nur ein Schattenbild dessen, was
Ihm bevorstand.

2. Be-

Markus I.
Wirklichkeit des Satans und von dem buchſtäblichen
Verſtand dieſer Geſchichte ſeyn. Wann wir annehmen
und annehmen müſſen, daß Chriſtus in einer eigentli-
chen Wüſte, bey eigentlichen Thieren geweſen,
von eigentlichen Engeln bedient worden ſey; Sind
wir nicht auch genöthigt, anzunehmen, daß der Sa-
tan eigentlich und perſönlich ſich Ihm dargeſtellt, und
ſeine ganze Aufmerkſamkeit auf dieſe auſſerordentliche
Perſon ſey gerichtet geweſen?

Sehr auffallend und ermunternd iſt auch der Um-
ſtand; daß Engel dem dienen, dem aufwarten, dem
Speiſe bringen, dem der Satan vermuthlich in Engels-
geſtalt ſeine Dienſte umſonſt anbot. Es verliehrt ge-
wiß keiner nichts, wenn er was um Gotteswillen auf-
opfert. Für das täuſchende Glück, das ihm die Sün-
de anbeut, wird ihm ein wahres, das dieſem täuſchen-
den entſpricht. Ein Satan in Lichtengelsgeſtalt beut
dem Herrn ſeinen Schutz an, und alle Reiche der Welt,
die er Ihm nicht geben kann, und fordert Anbethung
für ſich. Der Unverführbare und Unüberwindliche wird
wenige Zeit hernach von wirklichen Lichtesengeln göttlich
verehrt, ja von allen Göttern des Himmels angebethet.
Der, der eine Zeitlang minder geworden war, als die
Engel, war beſtimmt, der Fürſt aller Engel zu wer-
den. Das, was Ihm hier in der Wüſte wiederfährt,
iſt nur ein Vorſpiel, nur ein Schattenbild deſſen, was
Ihm bevorſtand.

2. Be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0586" n="558[578]"/><fw place="top" type="header">Markus <hi rendition="#aq">I.</hi></fw><lb/>
Wirklichkeit des Satans und von dem buch&#x017F;täblichen<lb/>
Ver&#x017F;tand die&#x017F;er Ge&#x017F;chichte &#x017F;eyn. Wann wir annehmen<lb/>
und annehmen mü&#x017F;&#x017F;en, daß Chri&#x017F;tus in einer <hi rendition="#fr">eigentli-<lb/>
chen Wü&#x017F;te,</hi> bey <hi rendition="#fr">eigentlichen Thieren</hi> gewe&#x017F;en,<lb/>
von <hi rendition="#fr">eigentlichen Engeln</hi> bedient worden &#x017F;ey; Sind<lb/>
wir nicht auch genöthigt, anzunehmen, daß der <hi rendition="#fr">Sa-<lb/>
tan eigentlich</hi> und per&#x017F;önlich &#x017F;ich Ihm darge&#x017F;tellt, und<lb/>
&#x017F;eine ganze Aufmerk&#x017F;amkeit auf die&#x017F;e au&#x017F;&#x017F;erordentliche<lb/>
Per&#x017F;on &#x017F;ey gerichtet gewe&#x017F;en?</p><lb/>
            <p>Sehr auffallend und ermunternd i&#x017F;t auch der Um-<lb/>
&#x017F;tand; daß Engel <hi rendition="#fr">dem</hi> dienen, <hi rendition="#fr">dem</hi> aufwarten, <hi rendition="#fr">dem</hi><lb/>
Spei&#x017F;e bringen, dem der Satan vermuthlich in Engels-<lb/>
ge&#x017F;talt &#x017F;eine Dien&#x017F;te um&#x017F;on&#x017F;t anbot. Es verliehrt ge-<lb/>
wiß keiner nichts, wenn er was um Gotteswillen auf-<lb/>
opfert. Für das täu&#x017F;chende Glück, das ihm die Sün-<lb/>
de anbeut, wird ihm ein wahres, das die&#x017F;em täu&#x017F;chen-<lb/>
den ent&#x017F;pricht. Ein Satan in Lichtengelsge&#x017F;talt beut<lb/>
dem Herrn &#x017F;einen Schutz an, und alle Reiche der Welt,<lb/>
die er Ihm nicht geben kann, und fordert Anbethung<lb/>
für &#x017F;ich. Der Unverführbare und Unüberwindliche wird<lb/>
wenige Zeit hernach von wirklichen Lichtesengeln göttlich<lb/>
verehrt, ja von allen Göttern des Himmels angebethet.<lb/>
Der, der eine Zeitlang minder geworden war, als die<lb/>
Engel, war be&#x017F;timmt, der Für&#x017F;t aller Engel zu wer-<lb/>
den. Das, was Ihm hier in der Wü&#x017F;te wiederfährt,<lb/>
i&#x017F;t nur ein Vor&#x017F;piel, nur ein Schattenbild de&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
Ihm bevor&#x017F;tand.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">2. Be-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[558[578]/0586] Markus I. Wirklichkeit des Satans und von dem buchſtäblichen Verſtand dieſer Geſchichte ſeyn. Wann wir annehmen und annehmen müſſen, daß Chriſtus in einer eigentli- chen Wüſte, bey eigentlichen Thieren geweſen, von eigentlichen Engeln bedient worden ſey; Sind wir nicht auch genöthigt, anzunehmen, daß der Sa- tan eigentlich und perſönlich ſich Ihm dargeſtellt, und ſeine ganze Aufmerkſamkeit auf dieſe auſſerordentliche Perſon ſey gerichtet geweſen? Sehr auffallend und ermunternd iſt auch der Um- ſtand; daß Engel dem dienen, dem aufwarten, dem Speiſe bringen, dem der Satan vermuthlich in Engels- geſtalt ſeine Dienſte umſonſt anbot. Es verliehrt ge- wiß keiner nichts, wenn er was um Gotteswillen auf- opfert. Für das täuſchende Glück, das ihm die Sün- de anbeut, wird ihm ein wahres, das dieſem täuſchen- den entſpricht. Ein Satan in Lichtengelsgeſtalt beut dem Herrn ſeinen Schutz an, und alle Reiche der Welt, die er Ihm nicht geben kann, und fordert Anbethung für ſich. Der Unverführbare und Unüberwindliche wird wenige Zeit hernach von wirklichen Lichtesengeln göttlich verehrt, ja von allen Göttern des Himmels angebethet. Der, der eine Zeitlang minder geworden war, als die Engel, war beſtimmt, der Fürſt aller Engel zu wer- den. Das, was Ihm hier in der Wüſte wiederfährt, iſt nur ein Vorſpiel, nur ein Schattenbild deſſen, was Ihm bevorſtand. 2. Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/586
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 558[578]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/586>, abgerufen am 25.11.2024.