Es soll ihm kein Zeichen gegeben werden, als das des Propheten Jonas; Das ist -- die Zukunft soll ihn belehren von dem, wovon ihn die Gegenwart nicht belehren kann. Schweiget und lernt immer mehr schweigen Jünger und Jüngerinnen unsers Herrn, wenn der giftige Neid, der bey jedem euerer Verdienste und Vorzüge erbleichet, wenn die schaamlose Schalkheit, die eigene Ueberzeugung zu Boden tritt, und fremder kei- nen Zutritt gestattet, euere Worte geflissentlich verdre- het und euch Reden andichtet, die nicht auf euere Zun- ge kamen, und deren euer Herz nicht fähig war. Seyd vorsichtig, und wisset, daß, wie jener Drache laur- te auf den Knaben, der alle Heiden mit einem ei- sernen Stabe weiden sollte -- ihn zu verschlingen, die Bosheit und Fehlerfreude immer darauf lauren werden, ein Wort aus eurem Munde zu erhaschen, wel- ches der Mißdeutung und Verdrehung besonders fähig wäre -- aber wißt auch, daß keine Vorsichtigkeit in der Welt vorsichtig genug ist, immer so zu reden, daß die Bosheit und Schadenfreude nichts daran zu ver- drehen findet -- Nun! Sie finde das immerhin! Sie thue dazu und thue davon! Sie stell alles in ein falsches Licht! Sie reisse alles aus dem wahren Zusammenhan- ge! Sie trenne, was unzertrennlich seyn sollte, sie stel- le zusammen, was getrennt war! Sie vermische, was verschieden war -- und lasse weg, was wesentlich mit zur Sache gehört -- Was wollet ihr mit der tausend- züngige. Brut der Hölle anfangen? -- -- Schwei- gen! Schweigen -- und Alles dem überlassen, der
alles
Matthäus XXVI.
Es ſoll ihm kein Zeichen gegeben werden, als das des Propheten Jonas; Das iſt — die Zukunft ſoll ihn belehren von dem, wovon ihn die Gegenwart nicht belehren kann. Schweiget und lernt immer mehr ſchweigen Jünger und Jüngerinnen unſers Herrn, wenn der giftige Neid, der bey jedem euerer Verdienſte und Vorzüge erbleichet, wenn die ſchaamloſe Schalkheit, die eigene Ueberzeugung zu Boden tritt, und fremder kei- nen Zutritt geſtattet, euere Worte gefliſſentlich verdre- het und euch Reden andichtet, die nicht auf euere Zun- ge kamen, und deren euer Herz nicht fähig war. Seyd vorſichtig, und wiſſet, daß, wie jener Drache laur- te auf den Knaben, der alle Heiden mit einem ei- ſernen Stabe weiden ſollte — ihn zu verſchlingen, die Bosheit und Fehlerfreude immer darauf lauren werden, ein Wort aus eurem Munde zu erhaſchen, wel- ches der Mißdeutung und Verdrehung beſonders fähig wäre — aber wißt auch, daß keine Vorſichtigkeit in der Welt vorſichtig genug iſt, immer ſo zu reden, daß die Bosheit und Schadenfreude nichts daran zu ver- drehen findet — Nun! Sie finde das immerhin! Sie thue dazu und thue davon! Sie ſtell alles in ein falſches Licht! Sie reiſſe alles aus dem wahren Zuſammenhan- ge! Sie trenne, was unzertrennlich ſeyn ſollte, ſie ſtel- le zuſammen, was getrennt war! Sie vermiſche, was verſchieden war — und laſſe weg, was weſentlich mit zur Sache gehört — Was wollet ihr mit der tauſend- züngige. Brut der Hölle anfangen? — — Schwei- gen! Schweigen — und Alles dem überlaſſen, der
alles
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[484[504]/0512]
Matthäus XXVI.
Es ſoll ihm kein Zeichen gegeben werden, als
das des Propheten Jonas; Das iſt — die Zukunft
ſoll ihn belehren von dem, wovon ihn die Gegenwart
nicht belehren kann. Schweiget und lernt immer mehr
ſchweigen Jünger und Jüngerinnen unſers Herrn, wenn
der giftige Neid, der bey jedem euerer Verdienſte und
Vorzüge erbleichet, wenn die ſchaamloſe Schalkheit, die
eigene Ueberzeugung zu Boden tritt, und fremder kei-
nen Zutritt geſtattet, euere Worte gefliſſentlich verdre-
het und euch Reden andichtet, die nicht auf euere Zun-
ge kamen, und deren euer Herz nicht fähig war.
Seyd vorſichtig, und wiſſet, daß, wie jener Drache laur-
te auf den Knaben, der alle Heiden mit einem ei-
ſernen Stabe weiden ſollte — ihn zu verſchlingen,
die Bosheit und Fehlerfreude immer darauf lauren
werden, ein Wort aus eurem Munde zu erhaſchen, wel-
ches der Mißdeutung und Verdrehung beſonders fähig
wäre — aber wißt auch, daß keine Vorſichtigkeit in
der Welt vorſichtig genug iſt, immer ſo zu reden, daß
die Bosheit und Schadenfreude nichts daran zu ver-
drehen findet — Nun! Sie finde das immerhin! Sie
thue dazu und thue davon! Sie ſtell alles in ein falſches
Licht! Sie reiſſe alles aus dem wahren Zuſammenhan-
ge! Sie trenne, was unzertrennlich ſeyn ſollte, ſie ſtel-
le zuſammen, was getrennt war! Sie vermiſche, was
verſchieden war — und laſſe weg, was weſentlich mit
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 484[504]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/512>, abgerufen am 24.11.2024.
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