Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Matthäus XXIV.
Marc.
XIII. 3. 4.
rallelstelle bey Markus waren's: Petrus, Jakobus,
Johannes und Andreas -- und sprachen: Sag'
uns: Wann wird dieses geschehen? Und welches
wird das Zeichen deiner Zukunft und des Endes
der Welt seyn?
Auf einer Anhöhe des Oehlberg's, wo
man Stadt und Tempel vor dem Auge hatte -- sitzt
izt Jesus mit seinen Jüngern -- hier fragten sie Ihn,
hier antwortet Er ihnen. Je lebendiger und wahrer
wir uns dieß Lokale, Oertliche der Unterredung verge-
genwärtigen können, um so simpler und verständlicher
wird sie uns werden.

Die Jünger, wir wissen's auch aus andern Stel-
len des Evangeliums, wie beschränkt ihr Blick in's
Reich des Meßias war -- wie sie noch an den allge-
meinen jüdischirdischen Begriffen und Erwartungen
hielten -- sie denken sich die Zerstörung Jerusa-
lems und des Tempels,
die Zukunft des Meßias,
oder seine königlich majestätische Erscheinung und
das Ende der Welt, als Eine und dieselbe Bege-
benheit, wenigstens als schnell und unmittelbar auf
einander folgende Begebenheiten. Von der allmähli-
Matth.
XIII. 31. 32.
gen Entwicklung des Senfkorns zum allbeschattenden
Baume hatten sie noch keinen hellen Begriff: Erst spä-
2. Petr.
III. 8.
ter lehrte sie der Geist der Wahrheit: daß tausend
Jahre vor dem Herrn sind wie Ein Tag.
Der
Tempel war in ihren Augen so erhaben, so wichtig,
daß sie nicht begreifen konnten wie nach seiner Zerstö-
rung die Welt noch einen Augenblick bestehen könnte.

Es

Matthäus XXIV.
Marc.
XIII. 3. 4.
rallelſtelle bey Markus waren’s: Petrus, Jakobus,
Johannes und Andreas — und ſprachen: Sag’
uns: Wann wird dieſes geſchehen? Und welches
wird das Zeichen deiner Zukunft und des Endes
der Welt ſeyn?
Auf einer Anhöhe des Oehlberg’s, wo
man Stadt und Tempel vor dem Auge hatte — ſitzt
izt Jeſus mit ſeinen Jüngern — hier fragten ſie Ihn,
hier antwortet Er ihnen. Je lebendiger und wahrer
wir uns dieß Lokale, Oertliche der Unterredung verge-
genwärtigen können, um ſo ſimpler und verſtändlicher
wird ſie uns werden.

Die Jünger, wir wiſſen’s auch aus andern Stel-
len des Evangeliums, wie beſchränkt ihr Blick in’s
Reich des Meßias war — wie ſie noch an den allge-
meinen jüdiſchirdiſchen Begriffen und Erwartungen
hielten — ſie denken ſich die Zerſtörung Jeruſa-
lems und des Tempels,
die Zukunft des Meßias,
oder ſeine königlich majeſtätiſche Erſcheinung und
das Ende der Welt, als Eine und dieſelbe Bege-
benheit, wenigſtens als ſchnell und unmittelbar auf
einander folgende Begebenheiten. Von der allmähli-
Matth.
XIII. 31. 32.
gen Entwicklung des Senfkorns zum allbeſchattenden
Baume hatten ſie noch keinen hellen Begriff: Erſt ſpä-
2. Petr.
III. 8.
ter lehrte ſie der Geiſt der Wahrheit: daß tauſend
Jahre vor dem Herrn ſind wie Ein Tag.
Der
Tempel war in ihren Augen ſo erhaben, ſo wichtig,
daß ſie nicht begreifen konnten wie nach ſeiner Zerſtö-
rung die Welt noch einen Augenblick beſtehen könnte.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0410" n="382[402]"/><fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XXIV.</hi></fw><lb/><note place="left">Marc.<lb/><hi rendition="#aq">XIII.</hi> 3. 4.</note>rallel&#x017F;telle bey <hi rendition="#fr">Markus</hi> waren&#x2019;s: <hi rendition="#fr">Petrus, Jakobus,<lb/>
Johannes und Andreas &#x2014; und &#x017F;prachen: Sag&#x2019;<lb/>
uns: Wann wird die&#x017F;es ge&#x017F;chehen? Und welches<lb/>
wird das Zeichen deiner Zukunft und des Endes<lb/>
der Welt &#x017F;eyn?</hi> Auf einer Anhöhe des Oehlberg&#x2019;s, wo<lb/>
man Stadt und Tempel vor dem Auge hatte &#x2014; &#x017F;itzt<lb/>
izt <hi rendition="#fr">Je&#x017F;us</hi> mit &#x017F;einen Jüngern &#x2014; hier fragten &#x017F;ie Ihn,<lb/>
hier antwortet Er ihnen. Je lebendiger und wahrer<lb/>
wir uns dieß <hi rendition="#fr">Lokale,</hi> Oertliche der Unterredung verge-<lb/>
genwärtigen können, um &#x017F;o &#x017F;impler und ver&#x017F;tändlicher<lb/>
wird &#x017F;ie uns werden.</p><lb/>
            <p>Die Jünger, wir wi&#x017F;&#x017F;en&#x2019;s auch aus andern Stel-<lb/>
len des Evangeliums, wie be&#x017F;chränkt ihr Blick in&#x2019;s<lb/>
Reich des Meßias war &#x2014; wie &#x017F;ie noch an den allge-<lb/>
meinen jüdi&#x017F;chirdi&#x017F;chen Begriffen und Erwartungen<lb/>
hielten &#x2014; &#x017F;ie denken &#x017F;ich <hi rendition="#fr">die Zer&#x017F;törung Jeru&#x017F;a-<lb/>
lems und des Tempels,</hi> die <hi rendition="#fr">Zukunft des Meßias,</hi><lb/>
oder &#x017F;eine <hi rendition="#fr">königlich maje&#x017F;täti&#x017F;che Er&#x017F;cheinung</hi> und<lb/>
das <hi rendition="#fr">Ende der Welt,</hi> als <hi rendition="#fr">Eine</hi> und <hi rendition="#fr">die&#x017F;elbe</hi> Bege-<lb/>
benheit, wenig&#x017F;tens als <hi rendition="#fr">&#x017F;chnell</hi> und unmittelbar auf<lb/>
einander folgende Begebenheiten. Von der allmähli-<lb/><note place="left">Matth.<lb/><hi rendition="#aq">XIII.</hi> 31. 32.</note>gen Entwicklung des Senfkorns zum allbe&#x017F;chattenden<lb/>
Baume hatten &#x017F;ie noch keinen hellen Begriff: Er&#x017F;t &#x017F;pä-<lb/><note place="left">2. Petr.<lb/><hi rendition="#aq">III.</hi> 8.</note>ter lehrte &#x017F;ie der Gei&#x017F;t der Wahrheit: daß <hi rendition="#fr">tau&#x017F;end<lb/>
Jahre vor dem Herrn &#x017F;ind wie Ein Tag.</hi> Der<lb/>
Tempel war in ihren Augen &#x017F;o erhaben, &#x017F;o wichtig,<lb/>
daß &#x017F;ie nicht begreifen konnten wie nach &#x017F;einer Zer&#x017F;tö-<lb/>
rung die Welt noch einen Augenblick be&#x017F;tehen könnte.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382[402]/0410] Matthäus XXIV. rallelſtelle bey Markus waren’s: Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas — und ſprachen: Sag’ uns: Wann wird dieſes geſchehen? Und welches wird das Zeichen deiner Zukunft und des Endes der Welt ſeyn? Auf einer Anhöhe des Oehlberg’s, wo man Stadt und Tempel vor dem Auge hatte — ſitzt izt Jeſus mit ſeinen Jüngern — hier fragten ſie Ihn, hier antwortet Er ihnen. Je lebendiger und wahrer wir uns dieß Lokale, Oertliche der Unterredung verge- genwärtigen können, um ſo ſimpler und verſtändlicher wird ſie uns werden. Marc. XIII. 3. 4. Die Jünger, wir wiſſen’s auch aus andern Stel- len des Evangeliums, wie beſchränkt ihr Blick in’s Reich des Meßias war — wie ſie noch an den allge- meinen jüdiſchirdiſchen Begriffen und Erwartungen hielten — ſie denken ſich die Zerſtörung Jeruſa- lems und des Tempels, die Zukunft des Meßias, oder ſeine königlich majeſtätiſche Erſcheinung und das Ende der Welt, als Eine und dieſelbe Bege- benheit, wenigſtens als ſchnell und unmittelbar auf einander folgende Begebenheiten. Von der allmähli- gen Entwicklung des Senfkorns zum allbeſchattenden Baume hatten ſie noch keinen hellen Begriff: Erſt ſpä- ter lehrte ſie der Geiſt der Wahrheit: daß tauſend Jahre vor dem Herrn ſind wie Ein Tag. Der Tempel war in ihren Augen ſo erhaben, ſo wichtig, daß ſie nicht begreifen konnten wie nach ſeiner Zerſtö- rung die Welt noch einen Augenblick beſtehen könnte. Matth. XIII. 31. 32. 2. Petr. III. 8. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/410
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 382[402]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/410>, abgerufen am 22.11.2024.