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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Räuberey und Ueppigkeit der Pharisäer.
gen -- einen delikaten, feinen, wohlbesetzten, reinlichen
Tisch zu halten -- oder -- nichts ungerechtes, nichts
Geraubtes, nichts, worauf Thränen und Seufzer Noth-
leidender haften, auf unsern Tisch kommen zu lassen? --
Uns vor Unmäßigkeit, Wollüsteley, Misbrauch der gött-
lichen Gaben zu hüten? -- Gift essen ist nicht so töd-
tend, als von geraubten der Armuth abgepreßtem Gute
prassen.

172.
Innere Unreinigkeit, bey äusserer Reinigkeit.

Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pha-Matth.
XXIII, 27.
28.

risäer, ihr Heuchler: Darum daß ihr geweißge-
ten übertünchten Gräbern gleich seyd, welche
Luc. XI. 44
zwar auswendig schön scheinen, aber innwendig
voller Todtengebeine und aller Unreinigkeit sind.
Also auch ihr scheinet zwar auswendig vor den
Menschen gerecht, aber inwendig seyd ihr voller
Gleißnerey und Ungerechtigkeit.

Geweißgete, übertünchte Gräber, welch wahres,
treffendes Bild! Wo immer die Pharisäer in der
evangelischen Geschichte auftreten und handeln, was
sind sie? Uebertünchte Gräber -- schön angestrichene
Todtenbehältnisse! Lauter Schein ohne Wesen -- schöne
Schaalen ohne Kern oder mit faulen Kern, klingender
Buchstabe ohne Geist -- alles nur zur Täuschung auf-
geflickt, angeheftet, erborget.

Menschen sehen was vor Augen ist -- lassen sich
vom äussern Schein betrügen, halten für Gold, was

gleisset,

Räuberey und Ueppigkeit der Phariſäer.
gen — einen delikaten, feinen, wohlbeſetzten, reinlichen
Tiſch zu halten — oder — nichts ungerechtes, nichts
Geraubtes, nichts, worauf Thränen und Seufzer Noth-
leidender haften, auf unſern Tiſch kommen zu laſſen? —
Uns vor Unmäßigkeit, Wollüſteley, Misbrauch der gött-
lichen Gaben zu hüten? — Gift eſſen iſt nicht ſo töd-
tend, als von geraubten der Armuth abgepreßtem Gute
praſſen.

172.
Innere Unreinigkeit, bey äuſſerer Reinigkeit.

Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pha-Matth.
XXIII, 27.
28.

riſäer, ihr Heuchler: Darum daß ihr geweißge-
ten übertünchten Gräbern gleich ſeyd, welche
Luc. XI. 44
zwar auswendig ſchön ſcheinen, aber innwendig
voller Todtengebeine und aller Unreinigkeit ſind.
Alſo auch ihr ſcheinet zwar auswendig vor den
Menſchen gerecht, aber inwendig ſeyd ihr voller
Gleißnerey und Ungerechtigkeit.

Geweißgete, übertünchte Gräber, welch wahres,
treffendes Bild! Wo immer die Phariſäer in der
evangeliſchen Geſchichte auftreten und handeln, was
ſind ſie? Uebertünchte Gräber — ſchön angeſtrichene
Todtenbehältniſſe! Lauter Schein ohne Weſen — ſchöne
Schaalen ohne Kern oder mit faulen Kern, klingender
Buchſtabe ohne Geiſt — alles nur zur Täuſchung auf-
geflickt, angeheftet, erborget.

Menſchen ſehen was vor Augen iſt — laſſen ſich
vom äuſſern Schein betrügen, halten für Gold, was

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[367[387]/0395] Räuberey und Ueppigkeit der Phariſäer. gen — einen delikaten, feinen, wohlbeſetzten, reinlichen Tiſch zu halten — oder — nichts ungerechtes, nichts Geraubtes, nichts, worauf Thränen und Seufzer Noth- leidender haften, auf unſern Tiſch kommen zu laſſen? — Uns vor Unmäßigkeit, Wollüſteley, Misbrauch der gött- lichen Gaben zu hüten? — Gift eſſen iſt nicht ſo töd- tend, als von geraubten der Armuth abgepreßtem Gute praſſen. 172. Innere Unreinigkeit, bey äuſſerer Reinigkeit. Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pha- riſäer, ihr Heuchler: Darum daß ihr geweißge- ten übertünchten Gräbern gleich ſeyd, welche zwar auswendig ſchön ſcheinen, aber innwendig voller Todtengebeine und aller Unreinigkeit ſind. Alſo auch ihr ſcheinet zwar auswendig vor den Menſchen gerecht, aber inwendig ſeyd ihr voller Gleißnerey und Ungerechtigkeit. Matth. XXIII, 27. 28. Luc. XI. 44 Geweißgete, übertünchte Gräber, welch wahres, treffendes Bild! Wo immer die Phariſäer in der evangeliſchen Geſchichte auftreten und handeln, was ſind ſie? Uebertünchte Gräber — ſchön angeſtrichene Todtenbehältniſſe! Lauter Schein ohne Weſen — ſchöne Schaalen ohne Kern oder mit faulen Kern, klingender Buchſtabe ohne Geiſt — alles nur zur Täuſchung auf- geflickt, angeheftet, erborget. Menſchen ſehen was vor Augen iſt — laſſen ſich vom äuſſern Schein betrügen, halten für Gold, was gleiſſet,

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 367[387]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/395>, abgerufen am 23.11.2024.