vor deinen Augen seyn! Sagte Moses im Namen Jehovah zu Israel. Daraus wurden nun die Denkzedel der Pharisäer immer breiter, je weniger das Gesetz selbst in ihren Herzen war. Nichts verräth einen menschlichen Charakter mehr und sicherer, als die Weise, wie man Gottes Wort deutet und nimmt. Der Pharisäer bleibt ängstlich beym Buchstaben, und vergißt den Geist, die Absicht. Dem Knechte ist alles Geboth -- Lohn und Strafe -- dem Kinde alles Vaterliebe -- dem Freunde alles Freundschaft. Ja, den Reinen ist Gott rein; Den Verkehrten ist Er verkehrt.
165. Warnung vor Ehrsucht und Herrschsucht.
Ihr aber sollet euch nicht Rabbi nennen las-Matth. XXIII. 8-12. sen; Denn Einer ist euer Meister, Christus. Ihr alle aber seyd Brüder. Nennet auch Niemand auf Erden euern Vater; Denn Einer ist euer Va- ter, der in den Himmeln ist. Auch sollet ihr nicht Lehrer genennt werden; Denn Einer ist euer Leh- rer, nämlich Christus. Der Grösseste aber unter euch soll euer Diener seyn. Wer sich aber selbst erhöhen wird, der wird erniedrigt werden; Und wer sich selbst erniedrigen wird, der wird erhö- het werden.
Will Jesus hier Rangordnung und Titel aus der menschlichen Gesellschaft verbannet wissen? Nein -- Aber Ehrgeitz, Herrschsucht, sklavische Anhänglichkeit an menschliches Ansehen -- Vergötterung der Menschen
das
Z
Warnung vor Ehrſucht und Herrſchſucht.
vor deinen Augen ſeyn! Sagte Moſes im Namen Jehovah zu Iſrael. Daraus wurden nun die Denkzedel der Phariſäer immer breiter, je weniger das Geſetz ſelbſt in ihren Herzen war. Nichts verräth einen menſchlichen Charakter mehr und ſicherer, als die Weiſe, wie man Gottes Wort deutet und nimmt. Der Phariſäer bleibt ängſtlich beym Buchſtaben, und vergißt den Geiſt, die Abſicht. Dem Knechte iſt alles Geboth — Lohn und Strafe — dem Kinde alles Vaterliebe — dem Freunde alles Freundſchaft. Ja, den Reinen iſt Gott rein; Den Verkehrten iſt Er verkehrt.
165. Warnung vor Ehrſucht und Herrſchſucht.
Ihr aber ſollet euch nicht Rabbi nennen laſ-Matth. XXIII. 8-12. ſen; Denn Einer iſt euer Meiſter, Chriſtus. Ihr alle aber ſeyd Brüder. Nennet auch Niemand auf Erden euern Vater; Denn Einer iſt euer Va- ter, der in den Himmeln iſt. Auch ſollet ihr nicht Lehrer genennt werden; Denn Einer iſt euer Leh- rer, nämlich Chriſtus. Der Gröſſeſte aber unter euch ſoll euer Diener ſeyn. Wer ſich aber ſelbſt erhöhen wird, der wird erniedrigt werden; Und wer ſich ſelbſt erniedrigen wird, der wird erhö- het werden.
Will Jeſus hier Rangordnung und Titel aus der menſchlichen Geſellſchaft verbannet wiſſen? Nein — Aber Ehrgeitz, Herrſchſucht, ſklaviſche Anhänglichkeit an menſchliches Anſehen — Vergötterung der Menſchen
das
Z
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0381"n="353[373]"/><fwplace="top"type="header">Warnung vor Ehrſucht und Herrſchſucht.</fw><lb/><hirendition="#fr">vor deinen Augen ſeyn!</hi> Sagte Moſes im Namen<lb/>
Jehovah zu Iſrael. Daraus wurden nun die Denkzedel<lb/>
der Phariſäer immer breiter, je weniger das Geſetz ſelbſt<lb/>
in ihren Herzen war. Nichts verräth einen menſchlichen<lb/>
Charakter mehr und ſicherer, als die Weiſe, wie man<lb/>
Gottes Wort deutet und nimmt. Der Phariſäer bleibt<lb/>
ängſtlich beym <hirendition="#fr">Buchſtaben,</hi> und vergißt den <hirendition="#fr">Geiſt,</hi><lb/>
die <hirendition="#fr">Abſicht.</hi> Dem <hirendition="#fr">Knechte</hi> iſt alles <hirendition="#fr">Geboth — Lohn</hi><lb/>
und <hirendition="#fr">Strafe</hi>— dem <hirendition="#fr">Kinde</hi> alles <hirendition="#fr">Vaterliebe</hi>— dem<lb/><hirendition="#fr">Freunde</hi> alles <hirendition="#fr">Freundſchaft.</hi> Ja, den Reinen iſt<lb/>
Gott rein; Den Verkehrten iſt Er verkehrt.</p></div><lb/><divn="3"><head>165.<lb/>
Warnung vor Ehrſucht und Herrſchſucht.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Ihr aber ſollet euch nicht Rabbi nennen laſ-</hi><noteplace="right">Matth.<lb/><hirendition="#aq">XXIII.</hi> 8-12.</note><lb/><hirendition="#fr">ſen; Denn Einer iſt euer Meiſter, Chriſtus. Ihr<lb/>
alle aber ſeyd Brüder. Nennet auch Niemand<lb/>
auf Erden euern Vater; Denn Einer iſt euer Va-<lb/>
ter, der in den Himmeln iſt. Auch ſollet ihr nicht<lb/>
Lehrer genennt werden; Denn Einer iſt euer Leh-<lb/>
rer, nämlich Chriſtus. Der Gröſſeſte aber unter<lb/>
euch ſoll euer Diener ſeyn. Wer ſich aber ſelbſt<lb/>
erhöhen wird, der wird erniedrigt werden; Und<lb/>
wer ſich ſelbſt erniedrigen wird, der wird erhö-<lb/>
het werden.</hi></p><lb/><p>Will <hirendition="#fr">Jeſus</hi> hier Rangordnung und Titel aus der<lb/>
menſchlichen Geſellſchaft verbannet wiſſen? Nein —<lb/>
Aber Ehrgeitz, Herrſchſucht, ſklaviſche Anhänglichkeit<lb/>
an menſchliches Anſehen — Vergötterung der Menſchen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z</fw><fwplace="bottom"type="catch">das</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[353[373]/0381]
Warnung vor Ehrſucht und Herrſchſucht.
vor deinen Augen ſeyn! Sagte Moſes im Namen
Jehovah zu Iſrael. Daraus wurden nun die Denkzedel
der Phariſäer immer breiter, je weniger das Geſetz ſelbſt
in ihren Herzen war. Nichts verräth einen menſchlichen
Charakter mehr und ſicherer, als die Weiſe, wie man
Gottes Wort deutet und nimmt. Der Phariſäer bleibt
ängſtlich beym Buchſtaben, und vergißt den Geiſt,
die Abſicht. Dem Knechte iſt alles Geboth — Lohn
und Strafe — dem Kinde alles Vaterliebe — dem
Freunde alles Freundſchaft. Ja, den Reinen iſt
Gott rein; Den Verkehrten iſt Er verkehrt.
165.
Warnung vor Ehrſucht und Herrſchſucht.
Ihr aber ſollet euch nicht Rabbi nennen laſ-
ſen; Denn Einer iſt euer Meiſter, Chriſtus. Ihr
alle aber ſeyd Brüder. Nennet auch Niemand
auf Erden euern Vater; Denn Einer iſt euer Va-
ter, der in den Himmeln iſt. Auch ſollet ihr nicht
Lehrer genennt werden; Denn Einer iſt euer Leh-
rer, nämlich Chriſtus. Der Gröſſeſte aber unter
euch ſoll euer Diener ſeyn. Wer ſich aber ſelbſt
erhöhen wird, der wird erniedrigt werden; Und
wer ſich ſelbſt erniedrigen wird, der wird erhö-
het werden.
Matth.
XXIII. 8-12.
Will Jeſus hier Rangordnung und Titel aus der
menſchlichen Geſellſchaft verbannet wiſſen? Nein —
Aber Ehrgeitz, Herrſchſucht, ſklaviſche Anhänglichkeit
an menſchliches Anſehen — Vergötterung der Menſchen
das
Z
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 353[373]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/381>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.