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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XXII.
&q;bunden, den Kayser für euern Oberherrn zu erken-
&q;nen" -- So wird das Volk, das unter dem römischen
Joche seufzet, und Ihn bloß deswegen hochhält, weil es
in Ihm den Meßias, den Erretter vom römischen Jo-
che sich träumen mag -- wider Ihn aufgebracht wer-
den. Wird Er aber sagen: "Nein! Es ist nicht recht;
&q;Es geziemt dem Israeliten nicht -- dem abgöttischen
&q;Herrn eine Abgabe zu geben" -- So haben wir wi-
der Ihn vor dem Landpfleger gewonnen Spiel. ----
So wollten die Argherzigen den Gutherzigen überlisten;
Die ewige Schlangenmanier aller Kinder des uralten
Schalkes, der sein Geschäft hat in Glaubenlären und
Treulosen Seelen. Wer schmeichelt, um zu fällen --
wer frägt, um zu verstricken -- (höret es zweymahl an
Einer Stelle --) der ist ein verächtlicher -- Gott, und
allen edlen, guten Menschen, ja sich selbst verächtlicher
Mensch.

4. Aber wird die Thorheit -- (denn Heucheley ist
so wie Schwachheit des Geistes, sicherlich immer Thor-
heit -- das heißt: Sie verfehlt am Ende ihres Zwe-
ckes --) wird die Thorheit über die höchste Weisheit, über
die göttlichste Einfalt siegen? Nein -- Immer früher
oder später wird Einfalt und Aufrichtigkeit den argli-
stigen Heuchler, den schmeichelnden Schalk beschämen
und überwinden. -- Christus antwortet den Schäl-
ken nach ihrer Schalkheit. -- Was versuchet ihr
mich, ihr Gleißner?
-- So wenig sucht Er sie zu
gewinnen. Der Huldreichste ist, wie oben schon gesagt
worden, immer Huldlos gegen argherzige Heuchler. Was

sich

Matthäus XXII.
&q;bunden, den Kayſer für euern Oberherrn zu erken-
&q;nen„ — So wird das Volk, das unter dem römiſchen
Joche ſeufzet, und Ihn bloß deswegen hochhält, weil es
in Ihm den Meßias, den Erretter vom römiſchen Jo-
che ſich träumen mag — wider Ihn aufgebracht wer-
den. Wird Er aber ſagen: „Nein! Es iſt nicht recht;
&q;Es geziemt dem Iſraeliten nicht — dem abgöttiſchen
&q;Herrn eine Abgabe zu geben„ — So haben wir wi-
der Ihn vor dem Landpfleger gewonnen Spiel. ——
So wollten die Argherzigen den Gutherzigen überliſten;
Die ewige Schlangenmanier aller Kinder des uralten
Schalkes, der ſein Geſchäft hat in Glaubenlären und
Treuloſen Seelen. Wer ſchmeichelt, um zu fällen —
wer frägt, um zu verſtricken — (höret es zweymahl an
Einer Stelle —) der iſt ein verächtlicher — Gott, und
allen edlen, guten Menſchen, ja ſich ſelbſt verächtlicher
Menſch.

4. Aber wird die Thorheit — (denn Heucheley iſt
ſo wie Schwachheit des Geiſtes, ſicherlich immer Thor-
heit — das heißt: Sie verfehlt am Ende ihres Zwe-
ckes —) wird die Thorheit über die höchſte Weisheit, über
die göttlichſte Einfalt ſiegen? Nein — Immer früher
oder ſpäter wird Einfalt und Aufrichtigkeit den argli-
ſtigen Heuchler, den ſchmeichelnden Schalk beſchämen
und überwinden. — Chriſtus antwortet den Schäl-
ken nach ihrer Schalkheit. — Was verſuchet ihr
mich, ihr Gleißner?
— So wenig ſucht Er ſie zu
gewinnen. Der Huldreichſte iſt, wie oben ſchon geſagt
worden, immer Huldlos gegen argherzige Heuchler. Was

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[336[356]/0364] Matthäus XXII. &q;bunden, den Kayſer für euern Oberherrn zu erken- &q;nen„ — So wird das Volk, das unter dem römiſchen Joche ſeufzet, und Ihn bloß deswegen hochhält, weil es in Ihm den Meßias, den Erretter vom römiſchen Jo- che ſich träumen mag — wider Ihn aufgebracht wer- den. Wird Er aber ſagen: „Nein! Es iſt nicht recht; &q;Es geziemt dem Iſraeliten nicht — dem abgöttiſchen &q;Herrn eine Abgabe zu geben„ — So haben wir wi- der Ihn vor dem Landpfleger gewonnen Spiel. —— So wollten die Argherzigen den Gutherzigen überliſten; Die ewige Schlangenmanier aller Kinder des uralten Schalkes, der ſein Geſchäft hat in Glaubenlären und Treuloſen Seelen. Wer ſchmeichelt, um zu fällen — wer frägt, um zu verſtricken — (höret es zweymahl an Einer Stelle —) der iſt ein verächtlicher — Gott, und allen edlen, guten Menſchen, ja ſich ſelbſt verächtlicher Menſch. 4. Aber wird die Thorheit — (denn Heucheley iſt ſo wie Schwachheit des Geiſtes, ſicherlich immer Thor- heit — das heißt: Sie verfehlt am Ende ihres Zwe- ckes —) wird die Thorheit über die höchſte Weisheit, über die göttlichſte Einfalt ſiegen? Nein — Immer früher oder ſpäter wird Einfalt und Aufrichtigkeit den argli- ſtigen Heuchler, den ſchmeichelnden Schalk beſchämen und überwinden. — Chriſtus antwortet den Schäl- ken nach ihrer Schalkheit. — Was verſuchet ihr mich, ihr Gleißner? — So wenig ſucht Er ſie zu gewinnen. Der Huldreichſte iſt, wie oben ſchon geſagt worden, immer Huldlos gegen argherzige Heuchler. Was ſich

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 336[356]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/364>, abgerufen am 23.11.2024.