Göttlicher Alles regierender Fürsehung; Unglaube an eine unsichtbare ewige Welt. An Auferstehung und Unsterblichkeit. Uebertriebene fanatische Verachtung des Reichthums, der Sinnlichkeit, der Gutherzigkeit -- oder mit einem Worte: Pharisäismus war roher Aberglaube; Der Sadduzäismus roher Unglaube. Wer menschliche willkührliche religiose Gebräuche, Stiftungen, Anstalten, Erfindungen, Lehren Vorstel- lungsarten den heiligen Urkunden vorzieht -- oder die sittlichen Gefühle, die innern ewiggleichen Entscheidun- gen des sittlichen Sinnes (gemeiniglich Gewis- sen genannt) irgend etwas in der Welt nachsetzet; Wer mehr fromm scheinen als seyn will; Wer von den Menschen mehr, als von Gott bemerkt und be- lohnt werden will, der ist von dem Pharisäischen Gei- ste besessen, versäurt von Pharisäischen Sauertaig. Wer keine zukünftigen Belohnungen und Strafen glaubt; Den allgegenwärtigen, alles lenkenden Einfluß der höch- sten Macht und Weisheit leugnet; Wer durch keine unsichtbare, ewige Dinge zu gewissen Gesinnungen und Handlungen bestimmt wird; wer nicht glaubt, und nicht hofft, daß eine Auferstehung der Todten seyn werde, beydes der Gerechten und Unge- rechten und in diesem Glauben, dieser Hoffnung sich nicht selbst übt, und befleißt, ein unbefleck- tes Gewissen zu haben gegen Gott und Men- schen, ist ein Sadduzäer. Die Sache bleibt im- mer dieselbe; Die Namen mögen sich ändern, wie man immer will. Diese beyden Gesinnungen sind immer die
Lieb-
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Phariſäer und Sadduzäer Sauerteig.
Göttlicher Alles regierender Fürſehung; Unglaube an eine unſichtbare ewige Welt. An Auferſtehung und Unſterblichkeit. Uebertriebene fanatiſche Verachtung des Reichthums, der Sinnlichkeit, der Gutherzigkeit — oder mit einem Worte: Phariſäiſmus war roher Aberglaube; Der Sadduzäiſmus roher Unglaube. Wer menſchliche willkührliche religioſe Gebräuche, Stiftungen, Anſtalten, Erfindungen, Lehren Vorſtel- lungsarten den heiligen Urkunden vorzieht — oder die ſittlichen Gefühle, die innern ewiggleichen Entſcheidun- gen des ſittlichen Sinnes (gemeiniglich Gewiſ- ſen genannt) irgend etwas in der Welt nachſetzet; Wer mehr fromm ſcheinen als ſeyn will; Wer von den Menſchen mehr, als von Gott bemerkt und be- lohnt werden will, der iſt von dem Phariſäiſchen Gei- ſte beſeſſen, verſäurt von Phariſäiſchen Sauertaig. Wer keine zukünftigen Belohnungen und Strafen glaubt; Den allgegenwärtigen, alles lenkenden Einfluß der höch- ſten Macht und Weisheit leugnet; Wer durch keine unſichtbare, ewige Dinge zu gewiſſen Geſinnungen und Handlungen beſtimmt wird; wer nicht glaubt, und nicht hofft, daß eine Auferſtehung der Todten ſeyn werde, beydes der Gerechten und Unge- rechten und in dieſem Glauben, dieſer Hoffnung ſich nicht ſelbſt übt, und befleißt, ein unbefleck- tes Gewiſſen zu haben gegen Gott und Men- ſchen, iſt ein Sadduzäer. Die Sache bleibt im- mer dieſelbe; Die Namen mögen ſich ändern, wie man immer will. Dieſe beyden Geſinnungen ſind immer die
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[217[237]/0245]
Phariſäer und Sadduzäer Sauerteig.
Göttlicher Alles regierender Fürſehung; Unglaube an
eine unſichtbare ewige Welt. An Auferſtehung und
Unſterblichkeit. Uebertriebene fanatiſche Verachtung
des Reichthums, der Sinnlichkeit, der Gutherzigkeit —
oder mit einem Worte: Phariſäiſmus war roher
Aberglaube; Der Sadduzäiſmus roher Unglaube.
Wer menſchliche willkührliche religioſe Gebräuche,
Stiftungen, Anſtalten, Erfindungen, Lehren Vorſtel-
lungsarten den heiligen Urkunden vorzieht — oder die
ſittlichen Gefühle, die innern ewiggleichen Entſcheidun-
gen des ſittlichen Sinnes (gemeiniglich Gewiſ-
ſen genannt) irgend etwas in der Welt nachſetzet;
Wer mehr fromm ſcheinen als ſeyn will; Wer
von den Menſchen mehr, als von Gott bemerkt und be-
lohnt werden will, der iſt von dem Phariſäiſchen Gei-
ſte beſeſſen, verſäurt von Phariſäiſchen Sauertaig.
Wer keine zukünftigen Belohnungen und Strafen glaubt;
Den allgegenwärtigen, alles lenkenden Einfluß der höch-
ſten Macht und Weisheit leugnet; Wer durch keine
unſichtbare, ewige Dinge zu gewiſſen Geſinnungen und
Handlungen beſtimmt wird; wer nicht glaubt, und
nicht hofft, daß eine Auferſtehung der Todten
ſeyn werde, beydes der Gerechten und Unge-
rechten und in dieſem Glauben, dieſer Hoffnung
ſich nicht ſelbſt übt, und befleißt, ein unbefleck-
tes Gewiſſen zu haben gegen Gott und Men-
ſchen, iſt ein Sadduzäer. Die Sache bleibt im-
mer dieſelbe; Die Namen mögen ſich ändern, wie man
immer will. Dieſe beyden Geſinnungen ſind immer die
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 217[237]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/245>, abgerufen am 13.06.2024.
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