ohne neue Aufschlüsse entgehen. Wer aber mit der we- nigen Wahrheit und Erkenntniß, die ihm zu theil ge- worden, nur sein Spiel treibt -- wer sie nicht hat, festhält, benutzt, anwendet, zu vermehren trachtet, dem wird nicht nur keine neue Erkenntniß zu theil, keine neue Gnade werden; Sondern das, was er noch hat, wird ihm genommen werden. Er wird der Gnadenärmste, leerste, kälteste, untheilnehmendste Mensch werden. Er wird sich für nichts mehr intereßiren, was allen weisen und guten Menschen über alles wichtig ist. Er wird allen Geschmack und Appetit an der Wahrheit verlie- ren. Das Allerdeutlichste wird ihm verworren, das Al- lergewisseste zweifelhaft, das Allerwichtigste unwichtig scheinen. Mit sehenden Augen wird er nicht mehr sehen. Er wird die Wahrheit hören -- aber weder Freude noch Nahrung daraus schöpfen. Sein Herz ist verstockt. Was ist also Verstockung? Verstockt- heit? -- Geschmacklosigkeit an der Wahrheit, die un- mittelbar zur Glückseeligkeit leitet; Erstorbenheit für alles Gute, Edle, Göttliche; Unempfindlichkeit, Sinn- losigkeit, Untheilnehmung! Der Verstockte weiß endlich nicht mehr, was wahr und falsch, gut und böse ist. Entweder zweifelt er an allem; Oder alles ist ihm gleichgültig. Bedaurenswürdiger Zustand derer, die zur Zeit, da sie noch Sinn und Gefühl für die Wahr- heit hatten, mit der Wahrheit ihr Spiel trieben! Sol- che Menschen sind unüberzeugbar -- Gott überläßt sie 2. Thess. II. 10-12.den Folgen ihres Leichtsinns. Sie sind in einen ver- kehrten Sinn dahingegeben, daß sie der Lüge
glau-
Matthäus XIII.
ohne neue Aufſchlüſſe entgehen. Wer aber mit der we- nigen Wahrheit und Erkenntniß, die ihm zu theil ge- worden, nur ſein Spiel treibt — wer ſie nicht hat, feſthält, benutzt, anwendet, zu vermehren trachtet, dem wird nicht nur keine neue Erkenntniß zu theil, keine neue Gnade werden; Sondern das, was er noch hat, wird ihm genommen werden. Er wird der Gnadenärmſte, leerſte, kälteſte, untheilnehmendſte Menſch werden. Er wird ſich für nichts mehr intereßiren, was allen weiſen und guten Menſchen über alles wichtig iſt. Er wird allen Geſchmack und Appetit an der Wahrheit verlie- ren. Das Allerdeutlichſte wird ihm verworren, das Al- lergewiſſeſte zweifelhaft, das Allerwichtigſte unwichtig ſcheinen. Mit ſehenden Augen wird er nicht mehr ſehen. Er wird die Wahrheit hören — aber weder Freude noch Nahrung daraus ſchöpfen. Sein Herz iſt verſtockt. Was iſt alſo Verſtockung? Verſtockt- heit? — Geſchmackloſigkeit an der Wahrheit, die un- mittelbar zur Glückſeeligkeit leitet; Erſtorbenheit für alles Gute, Edle, Göttliche; Unempfindlichkeit, Sinn- loſigkeit, Untheilnehmung! Der Verſtockte weiß endlich nicht mehr, was wahr und falſch, gut und böſe iſt. Entweder zweifelt er an allem; Oder alles iſt ihm gleichgültig. Bedaurenswürdiger Zuſtand derer, die zur Zeit, da ſie noch Sinn und Gefühl für die Wahr- heit hatten, mit der Wahrheit ihr Spiel trieben! Sol- che Menſchen ſind unüberzeugbar — Gott überläßt ſie 2. Theſſ. II. 10-12.den Folgen ihres Leichtſinns. Sie ſind in einen ver- kehrten Sinn dahingegeben, daß ſie der Lüge
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[182[202]/0210]
Matthäus XIII.
ohne neue Aufſchlüſſe entgehen. Wer aber mit der we-
nigen Wahrheit und Erkenntniß, die ihm zu theil ge-
worden, nur ſein Spiel treibt — wer ſie nicht hat,
feſthält, benutzt, anwendet, zu vermehren trachtet, dem
wird nicht nur keine neue Erkenntniß zu theil, keine neue
Gnade werden; Sondern das, was er noch hat, wird
ihm genommen werden. Er wird der Gnadenärmſte,
leerſte, kälteſte, untheilnehmendſte Menſch werden. Er
wird ſich für nichts mehr intereßiren, was allen weiſen
und guten Menſchen über alles wichtig iſt. Er wird
allen Geſchmack und Appetit an der Wahrheit verlie-
ren. Das Allerdeutlichſte wird ihm verworren, das Al-
lergewiſſeſte zweifelhaft, das Allerwichtigſte unwichtig
ſcheinen. Mit ſehenden Augen wird er nicht mehr
ſehen. Er wird die Wahrheit hören — aber weder
Freude noch Nahrung daraus ſchöpfen. Sein Herz
iſt verſtockt. Was iſt alſo Verſtockung? Verſtockt-
heit? — Geſchmackloſigkeit an der Wahrheit, die un-
mittelbar zur Glückſeeligkeit leitet; Erſtorbenheit für
alles Gute, Edle, Göttliche; Unempfindlichkeit, Sinn-
loſigkeit, Untheilnehmung! Der Verſtockte weiß endlich
nicht mehr, was wahr und falſch, gut und böſe iſt.
Entweder zweifelt er an allem; Oder alles iſt ihm
gleichgültig. Bedaurenswürdiger Zuſtand derer, die
zur Zeit, da ſie noch Sinn und Gefühl für die Wahr-
heit hatten, mit der Wahrheit ihr Spiel trieben! Sol-
che Menſchen ſind unüberzeugbar — Gott überläßt ſie
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2. Theſſ. II.
10-12.
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 182[202]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/210>, abgerufen am 16.02.2025.
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