System unterwürfen, die ganze Theologie. Aus allen diesen Ursachen sey das Studium der Kirchen- lehre die Sache eines denkenden Kopfes nicht: denn dieser fände nie Nahrung für seinen Geist, und nie Gewißheit in derselben.
Gern hätte Stemmert Medecin studiert, aber die res angusta domi verbot ihm, das kostbare medicinische Studium zu verfolgen, und daher legte er sich auf die Juristerey, worin er sich auch treffliche Kenntnisse gesammelt hat, so daß er bald im Stande war, die verschiedenen Theile dieser Wissenschaft mit Studenten zu wiederholen, ohne ihnen solche Juristische Fratzen aufzuheften, wie weiland Meister Stantke, seliges Andenkens, und ein gewisser Mosjeh -- welcher jus Austraegarum Oesterreichisches Landrecht übersezt, und doch sich klüger zu seyn einbildet, als Cujacius und Vitri- arius.
Da Stemmert sehr jovialisch ist, so war er bald mein Mann und ich der Seinige: wir haben manche vergnügte Stunden mit einander an öffentlichen Oer- tern, besonders auf der Mail und auf unsern Kellern und in den an der Stadt gelegenen Gärten hinge- bracht, und da wir stets das utile duci miscirten, oder deutlicher, da wir immer über Gegenstände aus dem Fache der Gelehrsamkeit raisonnirten, so war un- ser Umgang für uns nie ohne Nutzen.
Syſtem unterwuͤrfen, die ganze Theologie. Aus allen dieſen Urſachen ſey das Studium der Kirchen- lehre die Sache eines denkenden Kopfes nicht: denn dieſer faͤnde nie Nahrung fuͤr ſeinen Geiſt, und nie Gewißheit in derſelben.
Gern haͤtte Stemmert Medecin ſtudiert, aber die res anguſta domi verbot ihm, das koſtbare mediciniſche Studium zu verfolgen, und daher legte er ſich auf die Juriſterey, worin er ſich auch treffliche Kenntniſſe geſammelt hat, ſo daß er bald im Stande war, die verſchiedenen Theile dieſer Wiſſenſchaft mit Studenten zu wiederholen, ohne ihnen ſolche Juriſtiſche Fratzen aufzuheften, wie weiland Meiſter Stantke, ſeliges Andenkens, und ein gewiſſer Mosjeh — welcher jus Auſtraegarum Oeſterreichiſches Landrecht uͤberſezt, und doch ſich kluͤger zu ſeyn einbildet, als Cujacius und Vitri- arius.
Da Stemmert ſehr jovialiſch iſt, ſo war er bald mein Mann und ich der Seinige: wir haben manche vergnuͤgte Stunden mit einander an oͤffentlichen Oer- tern, beſonders auf der Mail und auf unſern Kellern und in den an der Stadt gelegenen Gaͤrten hinge- bracht, und da wir ſtets das utile duci miſcirten, oder deutlicher, da wir immer uͤber Gegenſtaͤnde aus dem Fache der Gelehrſamkeit raiſonnirten, ſo war un- ſer Umgang fuͤr uns nie ohne Nutzen.
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Syſtem unterwuͤrfen, die ganze Theologie. Aus
allen dieſen Urſachen ſey das Studium der Kirchen-
lehre die Sache eines denkenden Kopfes nicht: denn
dieſer faͤnde nie Nahrung fuͤr ſeinen Geiſt, und nie
Gewißheit in derſelben.
Gern haͤtte Stemmert Medecin ſtudiert, aber
die res anguſta domi verbot ihm, das koſtbare
mediciniſche Studium zu verfolgen, und daher
legte er ſich auf die Juriſterey, worin er ſich auch
treffliche Kenntniſſe geſammelt hat, ſo daß er bald
im Stande war, die verſchiedenen Theile dieſer
Wiſſenſchaft mit Studenten zu wiederholen, ohne
ihnen ſolche Juriſtiſche Fratzen aufzuheften, wie
weiland Meiſter Stantke, ſeliges Andenkens, und
ein gewiſſer Mosjeh — welcher jus Auſtraegarum
Oeſterreichiſches Landrecht uͤberſezt, und doch ſich
kluͤger zu ſeyn einbildet, als Cujacius und Vitri-
arius.
Da Stemmert ſehr jovialiſch iſt, ſo war er bald
mein Mann und ich der Seinige: wir haben manche
vergnuͤgte Stunden mit einander an oͤffentlichen Oer-
tern, beſonders auf der Mail und auf unſern Kellern
und in den an der Stadt gelegenen Gaͤrten hinge-
bracht, und da wir ſtets das utile duci miſcirten, oder
deutlicher, da wir immer uͤber Gegenſtaͤnde aus dem
Fache der Gelehrſamkeit raiſonnirten, ſo war un-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/98>, abgerufen am 22.11.2024.
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