Herr Lesebibliothekar war so artig, daß er mir den Gebrauch seiner Bibliothek unentgeldlich anbot, so lange ich in Berlin bleiben würde. Ich konnte von seiner Güte nur für einen Groschen Gebrauch ma- chen.
Auf der Rückreise begegnete mir nichts merk- würdiges: ich kam wieder nach Halle, und fand alles, wie ich es verlassen hatte. Meine Frau hatte in meiner Abwesenheit mit dem Schneider Baum, unserm Wirth, einigen Zank gehabt: er hatte nicht leiden wollen, daß sie Wasser in den Hof goß, und deßwegen abscheulich spektakelt. Sie wollte nun haben, daß ich den Meister Baum deßwegen kora- miren sollte, aber ich fand nicht für gut, den Mann zur Rede zu stellen, mit dem überhaupt nichts auszurichten war: denn wer läßt sich über- haupt gern mit einem Menschen ein, der keiner vernünftigen Vorstellung Gehör giebt, und nur allemal Recht behalten will?
Viertes Kapitel.
Erfolg meiner Berliner Reise. Erscheinung eines neuen Weltbürgers.
Ohngefähr vierzehn Tage nach meiner Rückkehr von Berlin erhielt ich ein Schreiben vom Oberschul-
Herr Leſebibliothekar war ſo artig, daß er mir den Gebrauch ſeiner Bibliothek unentgeldlich anbot, ſo lange ich in Berlin bleiben wuͤrde. Ich konnte von ſeiner Guͤte nur fuͤr einen Groſchen Gebrauch ma- chen.
Auf der Ruͤckreiſe begegnete mir nichts merk- wuͤrdiges: ich kam wieder nach Halle, und fand alles, wie ich es verlaſſen hatte. Meine Frau hatte in meiner Abweſenheit mit dem Schneider Baum, unſerm Wirth, einigen Zank gehabt: er hatte nicht leiden wollen, daß ſie Waſſer in den Hof goß, und deßwegen abſcheulich ſpektakelt. Sie wollte nun haben, daß ich den Meiſter Baum deßwegen kora- miren ſollte, aber ich fand nicht fuͤr gut, den Mann zur Rede zu ſtellen, mit dem uͤberhaupt nichts auszurichten war: denn wer laͤßt ſich uͤber- haupt gern mit einem Menſchen ein, der keiner vernuͤnftigen Vorſtellung Gehoͤr giebt, und nur allemal Recht behalten will?
Viertes Kapitel.
Erfolg meiner Berliner Reiſe. Erſcheinung eines neuen Weltbuͤrgers.
Ohngefaͤhr vierzehn Tage nach meiner Ruͤckkehr von Berlin erhielt ich ein Schreiben vom Oberſchul-
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Herr Leſebibliothekar war ſo artig, daß er mir den
Gebrauch ſeiner Bibliothek unentgeldlich anbot, ſo
lange ich in Berlin bleiben wuͤrde. Ich konnte von
ſeiner Guͤte nur fuͤr einen Groſchen Gebrauch ma-
chen.
Auf der Ruͤckreiſe begegnete mir nichts merk-
wuͤrdiges: ich kam wieder nach Halle, und fand
alles, wie ich es verlaſſen hatte. Meine Frau hatte
in meiner Abweſenheit mit dem Schneider Baum,
unſerm Wirth, einigen Zank gehabt: er hatte nicht
leiden wollen, daß ſie Waſſer in den Hof goß, und
deßwegen abſcheulich ſpektakelt. Sie wollte nun
haben, daß ich den Meiſter Baum deßwegen kora-
miren ſollte, aber ich fand nicht fuͤr gut, den
Mann zur Rede zu ſtellen, mit dem uͤberhaupt
nichts auszurichten war: denn wer laͤßt ſich uͤber-
haupt gern mit einem Menſchen ein, der keiner
vernuͤnftigen Vorſtellung Gehoͤr giebt, und nur
allemal Recht behalten will?
Viertes Kapitel.
Erfolg meiner Berliner Reiſe. Erſcheinung
eines neuen Weltbuͤrgers.
Ohngefaͤhr vierzehn Tage nach meiner Ruͤckkehr
von Berlin erhielt ich ein Schreiben vom Oberſchul-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/44>, abgerufen am 09.11.2024.
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