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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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terricht eingeführt, und ertheilt diesen selbst; er
lehrte sogar die Jungens Bäume pfropfen und oku-
liren. Das Preußische Landrecht trägt er in der
Schule und in der Kirche vor, nämlich des Nach-
mittags, weil er noch nicht das Herz hat, die Pre-
digten über die Evangelien einzuschränken, und
erzählt unsrer Jugend eine Menge hübscher Histo-
rien. Die Landkarten müssen sie auch treiben, und
Raffs Naturgeschichte, so wie Eberts Naturlehre
können die jungen Leute auswendig: eine ganze
Hetze hübscher Lieder und Sprüche wissen sie auch,
und doch verstehen sie ihren Catechismus so gut,
als wenn sie sonst gar nichts trieben als den."

Ich konnte wohl merken, daß der Herr Cantor
etwas über die Schnur hieb, und zu viel von den
Vorzügen seines Schulwesens, und den Verdien-
sten des Pastors um dasselbe schwadronnirte, aber
wenn ich dann auch nicht die Hälfte glauben konnte,
so mußte ich mir doch einen sehr vortheilhaften Be-
griff von jener Schule in der Altmark machen.
Ich habe den Namen des Dorfes vergessen, aber
dieß thut nichts zur Sache, da es jedem, welchem
daran gelegen ist, leicht seyn muß, eine so trefliche
Schulanstalt in einem kleinen Lande zu entdecken,
wo, wie der Herr Cantor bemerkte, dergleichen
eben nicht häufig seyn sollen.

In Berlin, wo ich gegen Abend ankam, lo-

terricht eingefuͤhrt, und ertheilt dieſen ſelbſt; er
lehrte ſogar die Jungens Baͤume pfropfen und oku-
liren. Das Preußiſche Landrecht traͤgt er in der
Schule und in der Kirche vor, naͤmlich des Nach-
mittags, weil er noch nicht das Herz hat, die Pre-
digten uͤber die Evangelien einzuſchraͤnken, und
erzaͤhlt unſrer Jugend eine Menge huͤbſcher Hiſto-
rien. Die Landkarten muͤſſen ſie auch treiben, und
Raffs Naturgeſchichte, ſo wie Eberts Naturlehre
koͤnnen die jungen Leute auswendig: eine ganze
Hetze huͤbſcher Lieder und Spruͤche wiſſen ſie auch,
und doch verſtehen ſie ihren Catechismus ſo gut,
als wenn ſie ſonſt gar nichts trieben als den.“

Ich konnte wohl merken, daß der Herr Cantor
etwas uͤber die Schnur hieb, und zu viel von den
Vorzuͤgen ſeines Schulweſens, und den Verdien-
ſten des Paſtors um daſſelbe ſchwadronnirte, aber
wenn ich dann auch nicht die Haͤlfte glauben konnte,
ſo mußte ich mir doch einen ſehr vortheilhaften Be-
griff von jener Schule in der Altmark machen.
Ich habe den Namen des Dorfes vergeſſen, aber
dieß thut nichts zur Sache, da es jedem, welchem
daran gelegen iſt, leicht ſeyn muß, eine ſo trefliche
Schulanſtalt in einem kleinen Lande zu entdecken,
wo, wie der Herr Cantor bemerkte, dergleichen
eben nicht haͤufig ſeyn ſollen.

In Berlin, wo ich gegen Abend ankam, lo-

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[31/0039] terricht eingefuͤhrt, und ertheilt dieſen ſelbſt; er lehrte ſogar die Jungens Baͤume pfropfen und oku- liren. Das Preußiſche Landrecht traͤgt er in der Schule und in der Kirche vor, naͤmlich des Nach- mittags, weil er noch nicht das Herz hat, die Pre- digten uͤber die Evangelien einzuſchraͤnken, und erzaͤhlt unſrer Jugend eine Menge huͤbſcher Hiſto- rien. Die Landkarten muͤſſen ſie auch treiben, und Raffs Naturgeſchichte, ſo wie Eberts Naturlehre koͤnnen die jungen Leute auswendig: eine ganze Hetze huͤbſcher Lieder und Spruͤche wiſſen ſie auch, und doch verſtehen ſie ihren Catechismus ſo gut, als wenn ſie ſonſt gar nichts trieben als den.“ Ich konnte wohl merken, daß der Herr Cantor etwas uͤber die Schnur hieb, und zu viel von den Vorzuͤgen ſeines Schulweſens, und den Verdien- ſten des Paſtors um daſſelbe ſchwadronnirte, aber wenn ich dann auch nicht die Haͤlfte glauben konnte, ſo mußte ich mir doch einen ſehr vortheilhaften Be- griff von jener Schule in der Altmark machen. Ich habe den Namen des Dorfes vergeſſen, aber dieß thut nichts zur Sache, da es jedem, welchem daran gelegen iſt, leicht ſeyn muß, eine ſo trefliche Schulanſtalt in einem kleinen Lande zu entdecken, wo, wie der Herr Cantor bemerkte, dergleichen eben nicht haͤufig ſeyn ſollen. In Berlin, wo ich gegen Abend ankam, lo-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/39>, abgerufen am 24.11.2024.