von gesundem Urtheil und feinem Geschmack, mit welchen ich mich vortreflich unterhalten konnte. Der Jude war ein Schacherer, der sich aber neben seinem Schacherhandel auch aufs Spielen legte, und in dieser Kunst nicht geringe Fertigkeit schien erlangt zu haben. Die Offiziere machten sich viel mit ihm zu thun, als ich ihm aber beweisen wollte, daß die Juden zu allen Zeiten verächtliche und höchst schädliche Creaturen gewesen wären, ward der Israelit böse, und gab uns ferner keine Antwort mehr. Der Kerl hatte Recht, ich aber höchst Unrecht, einen ganz unnützen Beweis zu führen: denn die Offiziere kümmerten sich um die ganze Judenschaft nicht, und der Jude ließ sich doch nicht bekehren.
Das Freudennymphchen von Halle war die be- rüchtigte Manschesterchristel, eines ehedem der hübschsten Mädchen unsrer Stadt; nachdem sie aber sich auf die liederliche Seite gelegt hatte, und generis omnis geworden war, fand sich in ganz Halle keine schaamlosere Hure, als eben Manschesterchristel. Der gar zu häufige Genuß der Wollust schwächte ihren Körper dergestalt, daß hernach, als die lei- dige Luftseuche sie befiel, keine Arzney mehr anschla- gen wollte. Damals als sie nach Berlin reiste, war die ästhetische Krankheit schon sehr sichtbar an ihr, und doch ließ sie sich einfallen, einen jungen Me- diciner da zu besuchen, welcher ehedem in Halle
von geſundem Urtheil und feinem Geſchmack, mit welchen ich mich vortreflich unterhalten konnte. Der Jude war ein Schacherer, der ſich aber neben ſeinem Schacherhandel auch aufs Spielen legte, und in dieſer Kunſt nicht geringe Fertigkeit ſchien erlangt zu haben. Die Offiziere machten ſich viel mit ihm zu thun, als ich ihm aber beweiſen wollte, daß die Juden zu allen Zeiten veraͤchtliche und hoͤchſt ſchaͤdliche Creaturen geweſen waͤren, ward der Iſraelit boͤſe, und gab uns ferner keine Antwort mehr. Der Kerl hatte Recht, ich aber hoͤchſt Unrecht, einen ganz unnuͤtzen Beweis zu fuͤhren: denn die Offiziere kuͤmmerten ſich um die ganze Judenſchaft nicht, und der Jude ließ ſich doch nicht bekehren.
Das Freudennymphchen von Halle war die be- ruͤchtigte Manſcheſterchriſtel, eines ehedem der huͤbſchſten Maͤdchen unſrer Stadt; nachdem ſie aber ſich auf die liederliche Seite gelegt hatte, und generis omnis geworden war, fand ſich in ganz Halle keine ſchaamloſere Hure, als eben Manſcheſterchriſtel. Der gar zu haͤufige Genuß der Wolluſt ſchwaͤchte ihren Koͤrper dergeſtalt, daß hernach, als die lei- dige Luftſeuche ſie befiel, keine Arzney mehr anſchla- gen wollte. Damals als ſie nach Berlin reiſte, war die aͤſthetiſche Krankheit ſchon ſehr ſichtbar an ihr, und doch ließ ſie ſich einfallen, einen jungen Me- diciner da zu beſuchen, welcher ehedem in Halle
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0037"n="29"/>
von geſundem Urtheil und feinem Geſchmack, mit<lb/>
welchen ich mich vortreflich unterhalten konnte.<lb/>
Der Jude war ein Schacherer, der ſich aber neben<lb/>ſeinem Schacherhandel auch aufs Spielen legte,<lb/>
und in dieſer Kunſt nicht geringe Fertigkeit ſchien<lb/>
erlangt zu haben. Die Offiziere machten ſich viel<lb/>
mit ihm zu thun, als ich ihm aber beweiſen wollte,<lb/>
daß die Juden zu allen Zeiten veraͤchtliche und<lb/>
hoͤchſt ſchaͤdliche Creaturen geweſen waͤren, ward<lb/>
der Iſraelit boͤſe, und gab uns ferner keine Antwort<lb/>
mehr. Der Kerl hatte Recht, ich aber hoͤchſt Unrecht,<lb/>
einen ganz unnuͤtzen Beweis zu fuͤhren: denn die<lb/>
Offiziere kuͤmmerten ſich um die ganze Judenſchaft<lb/>
nicht, und der Jude ließ ſich doch nicht bekehren.</p><lb/><p>Das Freudennymphchen von Halle war die be-<lb/>
ruͤchtigte Manſcheſterchriſtel, eines ehedem der<lb/>
huͤbſchſten Maͤdchen unſrer Stadt; nachdem ſie aber<lb/>ſich auf die liederliche Seite gelegt hatte, und <hirendition="#aq">generis<lb/>
omnis</hi> geworden war, fand ſich in ganz Halle keine<lb/>ſchaamloſere Hure, als eben Manſcheſterchriſtel.<lb/>
Der gar zu haͤufige Genuß der Wolluſt ſchwaͤchte<lb/>
ihren Koͤrper dergeſtalt, daß hernach, als die lei-<lb/>
dige Luftſeuche ſie befiel, keine Arzney mehr anſchla-<lb/>
gen wollte. Damals als ſie nach Berlin reiſte, war<lb/>
die aͤſthetiſche Krankheit ſchon ſehr ſichtbar an ihr,<lb/>
und doch ließ ſie ſich einfallen, einen jungen Me-<lb/>
diciner da zu beſuchen, welcher ehedem in Halle<lb/></p></div></body></text></TEI>
[29/0037]
von geſundem Urtheil und feinem Geſchmack, mit
welchen ich mich vortreflich unterhalten konnte.
Der Jude war ein Schacherer, der ſich aber neben
ſeinem Schacherhandel auch aufs Spielen legte,
und in dieſer Kunſt nicht geringe Fertigkeit ſchien
erlangt zu haben. Die Offiziere machten ſich viel
mit ihm zu thun, als ich ihm aber beweiſen wollte,
daß die Juden zu allen Zeiten veraͤchtliche und
hoͤchſt ſchaͤdliche Creaturen geweſen waͤren, ward
der Iſraelit boͤſe, und gab uns ferner keine Antwort
mehr. Der Kerl hatte Recht, ich aber hoͤchſt Unrecht,
einen ganz unnuͤtzen Beweis zu fuͤhren: denn die
Offiziere kuͤmmerten ſich um die ganze Judenſchaft
nicht, und der Jude ließ ſich doch nicht bekehren.
Das Freudennymphchen von Halle war die be-
ruͤchtigte Manſcheſterchriſtel, eines ehedem der
huͤbſchſten Maͤdchen unſrer Stadt; nachdem ſie aber
ſich auf die liederliche Seite gelegt hatte, und generis
omnis geworden war, fand ſich in ganz Halle keine
ſchaamloſere Hure, als eben Manſcheſterchriſtel.
Der gar zu haͤufige Genuß der Wolluſt ſchwaͤchte
ihren Koͤrper dergeſtalt, daß hernach, als die lei-
dige Luftſeuche ſie befiel, keine Arzney mehr anſchla-
gen wollte. Damals als ſie nach Berlin reiſte, war
die aͤſthetiſche Krankheit ſchon ſehr ſichtbar an ihr,
und doch ließ ſie ſich einfallen, einen jungen Me-
diciner da zu beſuchen, welcher ehedem in Halle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/37>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.