Im Herbst 1797 war der König Friedrich Wil- helm von Preußen gestorben, und das Verhältniß, worin ich ehedem mit seinem Nachfolger gestanden hatte, ließ mich eine schwache Hoffnung schöpfen, daß durch ihn meine Umstände könnten verbeßert werden. Ich nenne die Hoffnung, die ich damals hatte, eine schwache Hoffnung: denn ich dachte nicht, wie die meisten Preußischen Unterthanen, daß nun es wahr würde, was Virgilius sagt: sam redit et virgo, redeunt Saturnia regna queis ferrea primum Desinet et toto surget gens aurea mundo.*)
Ich hörte die Nachricht von dem Tode des vo- rigen Königes auf der Breyhanschenke, eine Stun- de von Halle, wohin ich gegangen war. Das gan- ze Zimmer war voll Bauern, Jägern und politi- schen Kanngießern: alles jubelte, und freute sich der im vollen Galopp herbeyziehenden bessern Zei- ten: nun würde alles, meynten die Politiker, so hergehen, wie es ein jeder wünschte, und in diesen süßen Erwartungen überließen sie sich ganz dem freudigsten Herumtrinken, und wurden nun noch lauter. Ein ältlicher Mann von Teutschenthal saß neben mir, und sprach zu allen Kanngießereyen auch nicht eine Sylbe. Ich wunderte mich über sein Stillschweigen, und fragte ihn, was er von
*)Virg. Ecl. IV.v. 5.seqq.
Im Herbſt 1797 war der Koͤnig Friedrich Wil- helm von Preußen geſtorben, und das Verhaͤltniß, worin ich ehedem mit ſeinem Nachfolger geſtanden hatte, ließ mich eine ſchwache Hoffnung ſchoͤpfen, daß durch ihn meine Umſtaͤnde koͤnnten verbeßert werden. Ich nenne die Hoffnung, die ich damals hatte, eine ſchwache Hoffnung: denn ich dachte nicht, wie die meiſten Preußiſchen Unterthanen, daß nun es wahr wuͤrde, was Virgilius ſagt: ſam redit et virgo, redeunt Saturnia regna queis ferrea primum Deſinet et toto ſurget gens aurea mundo.*)
Ich hoͤrte die Nachricht von dem Tode des vo- rigen Koͤniges auf der Breyhanſchenke, eine Stun- de von Halle, wohin ich gegangen war. Das gan- ze Zimmer war voll Bauern, Jaͤgern und politi- ſchen Kanngießern: alles jubelte, und freute ſich der im vollen Galopp herbeyziehenden beſſern Zei- ten: nun wuͤrde alles, meynten die Politiker, ſo hergehen, wie es ein jeder wuͤnſchte, und in dieſen ſuͤßen Erwartungen uͤberließen ſie ſich ganz dem freudigſten Herumtrinken, und wurden nun noch lauter. Ein aͤltlicher Mann von Teutſchenthal ſaß neben mir, und ſprach zu allen Kanngießereyen auch nicht eine Sylbe. Ich wunderte mich uͤber ſein Stillſchweigen, und fragte ihn, was er von
*)Virg. Ecl. IV.v. 5.ſeqq.
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Im Herbſt 1797 war der Koͤnig Friedrich Wil-
helm von Preußen geſtorben, und das Verhaͤltniß,
worin ich ehedem mit ſeinem Nachfolger geſtanden
hatte, ließ mich eine ſchwache Hoffnung ſchoͤpfen,
daß durch ihn meine Umſtaͤnde koͤnnten verbeßert
werden. Ich nenne die Hoffnung, die ich damals
hatte, eine ſchwache Hoffnung: denn ich dachte
nicht, wie die meiſten Preußiſchen Unterthanen,
daß nun es wahr wuͤrde, was Virgilius ſagt:
ſam redit et virgo, redeunt Saturnia regna
queis ferrea primum
Deſinet et toto ſurget gens aurea mundo. *)
Ich hoͤrte die Nachricht von dem Tode des vo-
rigen Koͤniges auf der Breyhanſchenke, eine Stun-
de von Halle, wohin ich gegangen war. Das gan-
ze Zimmer war voll Bauern, Jaͤgern und politi-
ſchen Kanngießern: alles jubelte, und freute ſich
der im vollen Galopp herbeyziehenden beſſern Zei-
ten: nun wuͤrde alles, meynten die Politiker, ſo
hergehen, wie es ein jeder wuͤnſchte, und in dieſen
ſuͤßen Erwartungen uͤberließen ſie ſich ganz dem
freudigſten Herumtrinken, und wurden nun noch
lauter. Ein aͤltlicher Mann von Teutſchenthal ſaß
neben mir, und ſprach zu allen Kanngießereyen
auch nicht eine Sylbe. Ich wunderte mich uͤber
ſein Stillſchweigen, und fragte ihn, was er von
*) Virg. Ecl. IV.v. 5.ſeqq.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/33>, abgerufen am 28.11.2024.
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