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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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Soweit geht die Erzählung des Becker Wende-
burgs und seiner Frau. Ich habe sie hinlänglich
untersucht, und vieles davon bestätigt gefunden,
daher trage ich auch kein Bedenken, das Ganze,
nämlich für mein Individuum, für wahr zu hal-
ten. Dem lesenden Publikum liegt wenig an der
ganzen Geschichte: denn was kümmert sich dieses
um den hallischen Assessor Kornmann, um den hal-
lischen Becker Wendeburg und seine Frau, und um
ein Scandal auf dem hallischen Rathhaus und in
der hallischen Nepperey? Aber ich mußte dennoch
die Sache in extenso erzählen, damit meine Leser
mich nicht für unbesonnen halten, daß ich mich in
dergleichen Dinge mischte: ich dachte, etwas gu-
tes zu stiften, wenn ich mich einer Sache annäh-
me, die mich freylich nichts anging: nahm sich
doch,
Si licet exemplis in parva grandibus uti
der große Voltaire der Familie des unglücklichen
Calas an, und rettete sie durch seinen Freund,
den ehrwürdigen Sachwalter Beaumont: aber so-
gleich hatte Beaumont mit dem Parlament zu thun,
wo ein Aulnoy und ein Chatignon saßen. Doch
haec in transitu, so viel sich sonst noch drüber sagen
ließe: denn nie erschien das Parlament zu Paris
in größerm Glanze, nie wurde deßen Gerechtig-
keit mehr geprießen, als damals, da es nicht ei-

Soweit geht die Erzaͤhlung des Becker Wende-
burgs und ſeiner Frau. Ich habe ſie hinlaͤnglich
unterſucht, und vieles davon beſtaͤtigt gefunden,
daher trage ich auch kein Bedenken, das Ganze,
naͤmlich fuͤr mein Individuum, fuͤr wahr zu hal-
ten. Dem leſenden Publikum liegt wenig an der
ganzen Geſchichte: denn was kuͤmmert ſich dieſes
um den halliſchen Aſſeſſor Kornmann, um den hal-
liſchen Becker Wendeburg und ſeine Frau, und um
ein Scandal auf dem halliſchen Rathhaus und in
der halliſchen Nepperey? Aber ich mußte dennoch
die Sache in extenſo erzaͤhlen, damit meine Leſer
mich nicht fuͤr unbeſonnen halten, daß ich mich in
dergleichen Dinge miſchte: ich dachte, etwas gu-
tes zu ſtiften, wenn ich mich einer Sache annaͤh-
me, die mich freylich nichts anging: nahm ſich
doch,
Si licet exemplis in parva grandibus uti
der große Voltaire der Familie des ungluͤcklichen
Calas an, und rettete ſie durch ſeinen Freund,
den ehrwuͤrdigen Sachwalter Beaumont: aber ſo-
gleich hatte Beaumont mit dem Parlament zu thun,
wo ein Aulnoy und ein Chatignon ſaßen. Doch
haec in tranſitu, ſo viel ſich ſonſt noch druͤber ſagen
ließe: denn nie erſchien das Parlament zu Paris
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[269/0277] Soweit geht die Erzaͤhlung des Becker Wende- burgs und ſeiner Frau. Ich habe ſie hinlaͤnglich unterſucht, und vieles davon beſtaͤtigt gefunden, daher trage ich auch kein Bedenken, das Ganze, naͤmlich fuͤr mein Individuum, fuͤr wahr zu hal- ten. Dem leſenden Publikum liegt wenig an der ganzen Geſchichte: denn was kuͤmmert ſich dieſes um den halliſchen Aſſeſſor Kornmann, um den hal- liſchen Becker Wendeburg und ſeine Frau, und um ein Scandal auf dem halliſchen Rathhaus und in der halliſchen Nepperey? Aber ich mußte dennoch die Sache in extenſo erzaͤhlen, damit meine Leſer mich nicht fuͤr unbeſonnen halten, daß ich mich in dergleichen Dinge miſchte: ich dachte, etwas gu- tes zu ſtiften, wenn ich mich einer Sache annaͤh- me, die mich freylich nichts anging: nahm ſich doch, Si licet exemplis in parva grandibus uti der große Voltaire der Familie des ungluͤcklichen Calas an, und rettete ſie durch ſeinen Freund, den ehrwuͤrdigen Sachwalter Beaumont: aber ſo- gleich hatte Beaumont mit dem Parlament zu thun, wo ein Aulnoy und ein Chatignon ſaßen. Doch haec in tranſitu, ſo viel ſich ſonſt noch druͤber ſagen ließe: denn nie erſchien das Parlament zu Paris in groͤßerm Glanze, nie wurde deßen Gerechtig- keit mehr geprießen, als damals, da es nicht ei-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/277>, abgerufen am 24.11.2024.