geworfen, wo sie bis Abends um neun Uhr blei- ben sollte. Als die Wendeburgin von der Gerichts- stube nach der Nepperey, und von da aus ins Loch geschleppt wurde, widersetzte sie sich den Knechten oder Neppen aus allen Kräften und fiel ei- nige Mal auf den Treppen nieder; die Neppen aber, ihrer Schuldigkeit eingedenk, drohten ihr mit Schlägen, mißhandelten sie, und schleppten sie fort: die Frau kam hiedurch in mißliche Umstände, und da sie sich alle Stunden der Niederkunft ver- muthend war, so konnte ihr Zustand allerdings be- denklich werden.
Wendeburg der Beckermeister wartete auf seine Frau, aber sie kam nicht: er erkundigte sich nach ihr, und hörte, sie sey durch die Häscher ins Loch ge- worfen worden. Er eilte aufs Rathhaus, und redete da so derb, daß der Assessor, welcher üble Folgen befürchten mogte, seinen strengen Spruch zurücknahm, und die Frau stante pene, wie die Hallenser sagen, wieder in Freyheit setzen ließ. Die Neppen ärgerten sich gewaltig; denn sie er- hielten nichts pro studio et labore.
Die Frau konnte kaum nach Haus gehen, so matt und schwach war sie: zu Hause mußte sie gleich ins Bett gebracht werden: denn sie empfand Schmerzen und Wehe, wie eine Kreisende. Der Becker ließ eine Hebamme, die Frau Großin ru-
geworfen, wo ſie bis Abends um neun Uhr blei- ben ſollte. Als die Wendeburgin von der Gerichts- ſtube nach der Nepperey, und von da aus ins Loch geſchleppt wurde, widerſetzte ſie ſich den Knechten oder Neppen aus allen Kraͤften und fiel ei- nige Mal auf den Treppen nieder; die Neppen aber, ihrer Schuldigkeit eingedenk, drohten ihr mit Schlaͤgen, mißhandelten ſie, und ſchleppten ſie fort: die Frau kam hiedurch in mißliche Umſtaͤnde, und da ſie ſich alle Stunden der Niederkunft ver- muthend war, ſo konnte ihr Zuſtand allerdings be- denklich werden.
Wendeburg der Beckermeiſter wartete auf ſeine Frau, aber ſie kam nicht: er erkundigte ſich nach ihr, und hoͤrte, ſie ſey durch die Haͤſcher ins Loch ge- worfen worden. Er eilte aufs Rathhaus, und redete da ſo derb, daß der Aſſeſſor, welcher uͤble Folgen befuͤrchten mogte, ſeinen ſtrengen Spruch zuruͤcknahm, und die Frau ſtante pene, wie die Hallenſer ſagen, wieder in Freyheit ſetzen ließ. Die Neppen aͤrgerten ſich gewaltig; denn ſie er- hielten nichts pro ſtudio et labore.
Die Frau konnte kaum nach Haus gehen, ſo matt und ſchwach war ſie: zu Hauſe mußte ſie gleich ins Bett gebracht werden: denn ſie empfand Schmerzen und Wehe, wie eine Kreiſende. Der Becker ließ eine Hebamme, die Frau Großin ru-
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geworfen, wo ſie bis Abends um neun Uhr blei-
ben ſollte. Als die Wendeburgin von der Gerichts-
ſtube nach der Nepperey, und von da aus ins
Loch geſchleppt wurde, widerſetzte ſie ſich den
Knechten oder Neppen aus allen Kraͤften und fiel ei-
nige Mal auf den Treppen nieder; die Neppen aber,
ihrer Schuldigkeit eingedenk, drohten ihr mit
Schlaͤgen, mißhandelten ſie, und ſchleppten ſie
fort: die Frau kam hiedurch in mißliche Umſtaͤnde,
und da ſie ſich alle Stunden der Niederkunft ver-
muthend war, ſo konnte ihr Zuſtand allerdings be-
denklich werden.
Wendeburg der Beckermeiſter wartete auf ſeine
Frau, aber ſie kam nicht: er erkundigte ſich nach ihr,
und hoͤrte, ſie ſey durch die Haͤſcher ins Loch ge-
worfen worden. Er eilte aufs Rathhaus, und
redete da ſo derb, daß der Aſſeſſor, welcher uͤble
Folgen befuͤrchten mogte, ſeinen ſtrengen Spruch
zuruͤcknahm, und die Frau ſtante pene, wie die
Hallenſer ſagen, wieder in Freyheit ſetzen ließ.
Die Neppen aͤrgerten ſich gewaltig; denn ſie er-
hielten nichts pro ſtudio et labore.
Die Frau konnte kaum nach Haus gehen, ſo
matt und ſchwach war ſie: zu Hauſe mußte ſie gleich
ins Bett gebracht werden: denn ſie empfand
Schmerzen und Wehe, wie eine Kreiſende. Der
Becker ließ eine Hebamme, die Frau Großin ru-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/275>, abgerufen am 24.11.2024.
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