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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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chen: denn sie sind ja keine Theologen, aber dann
hätten sie auch ihr Urtheil suspendiren und den
Herrn Primarius erst zu Rathe ziehen müßen.
Doch wer weiß auch, was geschehen ist!

Herr Lange soll mich auch als einen Spötter
aller Tugend und aller Keuschheit beschrieben ha-
ben, sagte der Episteliker. Ich erinnere mich
nicht, über die Tugend gespottet zu haben: dieß
kann nur ein Narre thun, und selbst der Allerla-
sterhafteste nimmt sich in Acht, öffentlich über gesell-
schaftliche Tugenden loszuziehen, und das Laster
zu empfehlen. Doch gedenkt der Briefsteller der
Keuschheit insbesondere, welche ich soll beleidiget
haben. Practisch kann dieß nicht geschehen seyn:
denn ich habe mir keinen unkeuschen Griff, ge-
schweige denn sonst Etwas in Nordhausen zu Schul-
den kommen laßen. Ich zweifle zwar nicht, daß
es in dieser Stadt, so wie leider in allen Städten,
feile Nymphen und Gassenmenscher giebt, und das
zwar in abundantia, wie mich einige Freunde ver-
sichert haben, aber ich habe Menscher dieser Art
daselbst nicht kennen lernen. Doch kann es seyn,
daß ich bey einem und dem andern Zotologischen
Diskurs mein Scherflein auch beygetragen habe.
Daß aber ein zotologisches Gespräch die Tugend
der Keuschheit gradezu beleidige, sehe ich nicht
ein. Catullus hat Recht, wenn er sagt

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chen: denn ſie ſind ja keine Theologen, aber dann
haͤtten ſie auch ihr Urtheil ſuſpendiren und den
Herrn Primarius erſt zu Rathe ziehen muͤßen.
Doch wer weiß auch, was geſchehen iſt!

Herr Lange ſoll mich auch als einen Spoͤtter
aller Tugend und aller Keuſchheit beſchrieben ha-
ben, ſagte der Epiſteliker. Ich erinnere mich
nicht, uͤber die Tugend geſpottet zu haben: dieß
kann nur ein Narre thun, und ſelbſt der Allerla-
ſterhafteſte nimmt ſich in Acht, oͤffentlich uͤber geſell-
ſchaftliche Tugenden loszuziehen, und das Laſter
zu empfehlen. Doch gedenkt der Briefſteller der
Keuſchheit insbeſondere, welche ich ſoll beleidiget
haben. Practiſch kann dieß nicht geſchehen ſeyn:
denn ich habe mir keinen unkeuſchen Griff, ge-
ſchweige denn ſonſt Etwas in Nordhauſen zu Schul-
den kommen laßen. Ich zweifle zwar nicht, daß
es in dieſer Stadt, ſo wie leider in allen Staͤdten,
feile Nymphen und Gaſſenmenſcher giebt, und das
zwar in abundantia, wie mich einige Freunde ver-
ſichert haben, aber ich habe Menſcher dieſer Art
daſelbſt nicht kennen lernen. Doch kann es ſeyn,
daß ich bey einem und dem andern Zotologiſchen
Diskurs mein Scherflein auch beygetragen habe.
Daß aber ein zotologiſches Geſpraͤch die Tugend
der Keuſchheit gradezu beleidige, ſehe ich nicht
ein. Catullus hat Recht, wenn er ſagt

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[259/0267] chen: denn ſie ſind ja keine Theologen, aber dann haͤtten ſie auch ihr Urtheil ſuſpendiren und den Herrn Primarius erſt zu Rathe ziehen muͤßen. Doch wer weiß auch, was geſchehen iſt! Herr Lange ſoll mich auch als einen Spoͤtter aller Tugend und aller Keuſchheit beſchrieben ha- ben, ſagte der Epiſteliker. Ich erinnere mich nicht, uͤber die Tugend geſpottet zu haben: dieß kann nur ein Narre thun, und ſelbſt der Allerla- ſterhafteſte nimmt ſich in Acht, oͤffentlich uͤber geſell- ſchaftliche Tugenden loszuziehen, und das Laſter zu empfehlen. Doch gedenkt der Briefſteller der Keuſchheit insbeſondere, welche ich ſoll beleidiget haben. Practiſch kann dieß nicht geſchehen ſeyn: denn ich habe mir keinen unkeuſchen Griff, ge- ſchweige denn ſonſt Etwas in Nordhauſen zu Schul- den kommen laßen. Ich zweifle zwar nicht, daß es in dieſer Stadt, ſo wie leider in allen Staͤdten, feile Nymphen und Gaſſenmenſcher giebt, und das zwar in abundantia, wie mich einige Freunde ver- ſichert haben, aber ich habe Menſcher dieſer Art daſelbſt nicht kennen lernen. Doch kann es ſeyn, daß ich bey einem und dem andern Zotologiſchen Diskurs mein Scherflein auch beygetragen habe. Daß aber ein zotologiſches Geſpraͤch die Tugend der Keuſchheit gradezu beleidige, ſehe ich nicht ein. Catullus hat Recht, wenn er ſagt R 2

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/267>, abgerufen am 24.11.2024.