kann, bis sein Bart neun Mal wird um die Ta- fel gewachsen seyn: schon vor hundert Jahren um- gaben die rothen Haare von Friedrichs Bart sechs Mal die mysteriöse Tafel, also wird wohl Frie- drich bald frey werden. Die Fabel schreibt sich ohne Zweifel daher, daß damals, als Friedrich im Ori- ent umkam, lange Zeit niemand in Deutschland wußte, wo er hingekommen war.
Die ganze Straße von Nordhansen bis nach Sangerhausen war damals mit Sächsischen Dra- gonern besetzt, welche verhindern sollten, daß kein Getreide aus dem Sächsischen nach Nordhausen verführt wurde. Sachsen war gesperrt, aber die Herren Drogoner ließen mit sich handeln, und so wurde gewaltig viel Roggen, Weitzen, Gerste und Hafer durchgefahren. Die Kerle lebten einen gu- ten Tag in fraudem legis.
In Sangerhausen sprach ich bey Hr. Kayser dem Kaufmann ein, welcher recht guten Wein hat, und zog dann weiter: aber schon zwey Stunden von dieser Stadt mußte ich wieder Halt machen, weil es regnete. Ich legte mich um neun Uhr auf die Streue, aber schon um elf kamen Gäste, welche auf dem nächsten Dorf Gevatter gestanden, und nun ein Scandal machten, daß ich unmöglich schlafen konnte. Was war zu thun? Ich stand auf, und nahm an der Gesellschaft Antheil, welche
bis
kann, bis ſein Bart neun Mal wird um die Ta- fel gewachſen ſeyn: ſchon vor hundert Jahren um- gaben die rothen Haare von Friedrichs Bart ſechs Mal die myſterioͤſe Tafel, alſo wird wohl Frie- drich bald frey werden. Die Fabel ſchreibt ſich ohne Zweifel daher, daß damals, als Friedrich im Ori- ent umkam, lange Zeit niemand in Deutſchland wußte, wo er hingekommen war.
Die ganze Straße von Nordhanſen bis nach Sangerhauſen war damals mit Saͤchſiſchen Dra- gonern beſetzt, welche verhindern ſollten, daß kein Getreide aus dem Saͤchſiſchen nach Nordhauſen verfuͤhrt wurde. Sachſen war geſperrt, aber die Herren Drogoner ließen mit ſich handeln, und ſo wurde gewaltig viel Roggen, Weitzen, Gerſte und Hafer durchgefahren. Die Kerle lebten einen gu- ten Tag in fraudem legis.
In Sangerhauſen ſprach ich bey Hr. Kayſer dem Kaufmann ein, welcher recht guten Wein hat, und zog dann weiter: aber ſchon zwey Stunden von dieſer Stadt mußte ich wieder Halt machen, weil es regnete. Ich legte mich um neun Uhr auf die Streue, aber ſchon um elf kamen Gaͤſte, welche auf dem naͤchſten Dorf Gevatter geſtanden, und nun ein Scandal machten, daß ich unmoͤglich ſchlafen konnte. Was war zu thun? Ich ſtand auf, und nahm an der Geſellſchaft Antheil, welche
bis
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0232"n="224"/>
kann, bis ſein Bart neun Mal wird um die Ta-<lb/>
fel gewachſen ſeyn: ſchon vor hundert Jahren um-<lb/>
gaben die rothen Haare von Friedrichs Bart ſechs<lb/>
Mal die myſterioͤſe Tafel, alſo wird wohl Frie-<lb/>
drich bald frey werden. Die Fabel ſchreibt ſich ohne<lb/>
Zweifel daher, daß damals, als Friedrich im Ori-<lb/>
ent umkam, lange Zeit niemand in Deutſchland<lb/>
wußte, wo er hingekommen war.</p><lb/><p>Die ganze Straße von Nordhanſen bis nach<lb/>
Sangerhauſen war damals mit Saͤchſiſchen Dra-<lb/>
gonern beſetzt, welche verhindern ſollten, daß kein<lb/>
Getreide aus dem Saͤchſiſchen nach Nordhauſen<lb/>
verfuͤhrt wurde. Sachſen war geſperrt, aber die<lb/>
Herren Drogoner ließen mit ſich handeln, und ſo<lb/>
wurde gewaltig viel Roggen, Weitzen, Gerſte und<lb/>
Hafer durchgefahren. Die Kerle lebten einen gu-<lb/>
ten Tag <hirendition="#aq">in fraudem legis.</hi></p><lb/><p>In Sangerhauſen ſprach ich bey Hr. Kayſer<lb/>
dem Kaufmann ein, welcher recht guten Wein hat,<lb/>
und zog dann weiter: aber ſchon zwey Stunden<lb/>
von dieſer Stadt mußte ich wieder Halt machen, weil<lb/>
es regnete. Ich legte mich um neun Uhr auf die<lb/>
Streue, aber ſchon um elf kamen Gaͤſte, welche<lb/>
auf dem naͤchſten Dorf Gevatter geſtanden, und<lb/>
nun ein Scandal machten, daß ich unmoͤglich<lb/>ſchlafen konnte. Was war zu thun? Ich ſtand<lb/>
auf, und nahm an der Geſellſchaft Antheil, welche<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bis</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[224/0232]
kann, bis ſein Bart neun Mal wird um die Ta-
fel gewachſen ſeyn: ſchon vor hundert Jahren um-
gaben die rothen Haare von Friedrichs Bart ſechs
Mal die myſterioͤſe Tafel, alſo wird wohl Frie-
drich bald frey werden. Die Fabel ſchreibt ſich ohne
Zweifel daher, daß damals, als Friedrich im Ori-
ent umkam, lange Zeit niemand in Deutſchland
wußte, wo er hingekommen war.
Die ganze Straße von Nordhanſen bis nach
Sangerhauſen war damals mit Saͤchſiſchen Dra-
gonern beſetzt, welche verhindern ſollten, daß kein
Getreide aus dem Saͤchſiſchen nach Nordhauſen
verfuͤhrt wurde. Sachſen war geſperrt, aber die
Herren Drogoner ließen mit ſich handeln, und ſo
wurde gewaltig viel Roggen, Weitzen, Gerſte und
Hafer durchgefahren. Die Kerle lebten einen gu-
ten Tag in fraudem legis.
In Sangerhauſen ſprach ich bey Hr. Kayſer
dem Kaufmann ein, welcher recht guten Wein hat,
und zog dann weiter: aber ſchon zwey Stunden
von dieſer Stadt mußte ich wieder Halt machen, weil
es regnete. Ich legte mich um neun Uhr auf die
Streue, aber ſchon um elf kamen Gaͤſte, welche
auf dem naͤchſten Dorf Gevatter geſtanden, und
nun ein Scandal machten, daß ich unmoͤglich
ſchlafen konnte. Was war zu thun? Ich ſtand
auf, und nahm an der Geſellſchaft Antheil, welche
bis
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/232>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.